Pressemitteilung der Initiative Neuer Anfang vom 26.01.2024

Die ForuM-Studie hat entscheidende Auswirkungen auf die innerkatholische Diskussion über Missbrauch und Kirchenreform

Der Neue Anfang weist darauf hin, dass die gestern vorgestellte ForuM-Studie erhebliche Auswirkungen auf die innerkatholische Diskussion um den Synodalen Weg hat. Dieser hat immer wieder eine vorgeblich typisch katholische Dimension von sexuellem Missbrauch mit seinen Forderungen verknüpft. Kritiker haben schon lange auf die wissenschaftliche Unhaltbarkeit dieser Verknüpfung hingewiesen, die sich zu Unrecht auf die MHG-Studie beruft. Diese Unhaltbarkeit ist mit dem heutigen Tag endgültig offensichtlich geworden. Dies zeigt ein nüchterner Blick auf die grundlegenden Daten, die hier zunächst zusammengestellt sind:

  1. Die Offizielle Pressemitteilung der EKD nennt 1259 Beschuldigte und 2174 Betroffene ab 1946.
  2. Ausgewertete Quellen: 4300 Disziplinarakten, 780 Personalakten (vgl. unten unbedingt MHG), 1320 weitere Unterlagen.
  3. Von 20 evangelischen Landeskirchen hat allerdings nur eine – trotz vertraglicher Verpflichtung – auch Personalakten, nicht nur Disziplinarakten geliefert.
  4. Die Personalakten der einen Landeskirche ergeben, dass 60% der Beschuldigten und 70 % der Betroffenen nur mit Disziplinarakten NICHT erfasst sind.
  5. Als Hochrechnung ergibt sich deshalb (mit Einbeziehung weiterer Erfahrungswerte) eine Zahl von 3497 Beschuldigten und 9.355 Betroffenen. (Dazu kommt – wie auch auf katholischer Seite – ein erhebliches Dunkelfeld.)
  6. Ein Vergleich mit der MHG-Studie ist nicht ganz leicht. Bei der MHG-Studie sind die Ordensleute nicht einbezogen und sie bezieht sich ausschließlich auf Diözesan-Priester und -Diakone. ForuM ist in dieser Hinsicht breiter aufgestellt, jedoch auf viel schmalerer Quellenbasis. Die MHG-Studie wertet für den Zeitpunkt 1945-2014 40.000 Personal(!)akten aus. Die Zahl der Beschuldigten beträgt 1.670, die der Betroffenen 3.677.

Aus diesem Datenmaterial lassen sich im Blick auf die katholische Diskussion um den Synodalen Weg folgende Schlüsse ziehen:

Die Missbrauchsstudie von evangelischer Kirche (EKD) und Diakonie hat das Dauernarrativ des Synodalen Weges, nach dem Missbrauch systemische Ursachen spezifisch katholischer Prägung habe, endgültig vom Tisch gefegt.

Die Studie zeichnet vielmehr folgendes Bild: Es gibt tatsächlich systemische Ursachen für sexuellen Missbrauch, wie Machtgefälle, unklare Rollenmuster, die Manipulationsfähigkeit potentieller Täter in asymmetrischen Beziehungskonstellationen u.a.m. Diese Strukturen, tatsächlich dispositiv für Missbrauch, sind weder spezifisch katholisch noch konfessionsgebunden, sondern institutionsübergreifend: Wo mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet wird, können sie Missbrauch „systemisch“ begünstigen – in Kirchen unterschiedlicher Konfession, in Sport und Schule.

Gäbe es jenseits dieses allgemeinen Dispositivs unterschiedlicher systemischer Faktoren außerdem „spezifisch katholische“ von signifikanter und bedeutender Wirksamkeit, müsste dies in irgendeiner Weise in den Dimensionen des Missbrauchs sichtbar werden. ForuM-Studie und MHG-Studie zeigen, bei aller Schwierigkeit des exakten Vergleichs, jedoch nur eines, dies dafür aber sehr klar: Beide Kirchen haben in ähnlicher Dimension ein Problem, das sie beide lange Zeit nicht gut bewältigt und beantwortet haben. Eine spezifische konfessionell-katholische Kontur ist in der Dimension des Missbrauchs in keiner Weise greifbar. Damit ist das Narrativ des Synodalen Weges gescheitert, dass eine liberale Reformagenda für die Kirche durch das spezifisch katholische Format des Missbrauchs rechtfertigen wollte.

Auf Grund eines unhaltbaren Narrativs, dessen Behauptungen zu keinem Zeitpunkt wissenschaftlich gedeckt war – weder durch die MHG-Studie selbst noch durch das weltweit vorliegende Studienmaterial insgesamt – hat die katholische Kirche in Deutschland einen falschen Weg eingeschlagen, der sie in zunehmender Deutlichkeit in den Abgrund der Spaltung treibt. Dieses Narrativ ist mit dem heutigen Tag definitiv zusammengebrochen. Der Neue Anfang fordert deshalb die katholische Kirche in Deutschland auf, jenen Weg der Umkehrung und Vertiefung zu beginnen, von dem zuletzt Kardinal Fernández sprach und deshalb die auf Grund einer falschen Grundbehauptung auf dem Synodalen Weg getroffenen Entscheidungen zu revidieren.

Mit freundlichen Grüßen,

Dorothea Schmidt

Initiative Neuer Anfang
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