Mich erfüllt Trauer. Ein lebendiger Ort des Nachdenkens und der Diskussion ist gestorben. Denn eine „Hochschule für Philosophie“ in München, die, unter dem abstrusen Vorwurf des Fundamentalismus, weltanschaulichen Fundamentalisten in der Gestalt woker Faschisten zugesteht, über die Zulassung von Argumenten zu entscheiden, ist tot. Von Martin Brüske
Erinnerungen
München 1988. P. Walter Brugger SJ, einer der alten Giganten, war noch gelegentlich auf den Fluren zu sehen. Er unterrichtete nicht mehr. Allerdings: Bei dem hochbetagten, aber noch völlig wachen Johannes Baptist Lotz, der in den 30ern vom Orden mit P. Karl Rahner zu Heidegger nach Freiburg geschickt worden war, durfte ich noch ein Seminar besuchen. Die damals in mittleren Jahren stehende Professorengeneration – das waren zum Beispiel: der witzige und kantige Albert Keller in der Erkenntnistheorie, der ernste und anspruchsvolle Gerd Haeffner in der Anthropologie, tief von seiner Auseinandersetzung mit Martin Heidegger geprägt, der durch Oxford und Elisabeth Anscombe geformte Friedo Ricken, der Naturphilosoph Paul Erbrich, der Metaphysiker Bela Weissmahr usw. usf. Nicht zu vergessen die regelmässigen Gäste: Hans-Michael Baumgartner (mit dem ich Hegel und Paul Ricœurs „Zeit und Erzählung“ lesen durfte), Jörg Splett und Ferdinand Ulrich (die philosophische „Gigantomachie um das Sein“ des Freitagnachmittags: 2 Stunden Splett, 3 Stunden Ulrich – taumelnd, übererfüllt mit Gedanken, aber glücklich ging ich gegen 19 h nach Hause).
1988 kam ich nach München, schrieb mich – noch etwas angeschlagen von den vorhergehenden Jahren – nur für kurze Zeit offiziell ein, um dann als Student und später Assistent an der theologischen Fakultät der LMU eine Fülle von Vorlesungen und Seminaren als „freier Hörer“ zu besuchen. Ich habe unendlich profitiert. Und bin dafür extrem dankbar.
Als mich viele Jahre später mein Neffe, der Philosophie studieren wollte, fragte: Wo? – da war meine Antwort völlig klar. Ich empfahl ihm ohne zu zögern die „Hochschule für Philosophie SJ“ in der Kaulbachstraße zu München. Strukturiert würde sein Studium sein. Vielfältig. Offen, aber nicht beliebig. Mein Neffe folgte dem Rat. Promovierte schließlich – nach Zwischenstationen in Manila und London – dort an der Hochschule, ging in die Politik, wurde Bundestagsabgeordneter, schließlich stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Ich denke: Er hat ebenso profitiert wie ich selbst.
Ein Schock: Feinde der Verfassung bestimmen die Agenda der Hochschule
Die Empfehlung an meinen Neffen könnte ich aktuell nicht wiederholen. Ich bin schockiert. Ein konservativer Gastreferent, eingeladen um die Thesen seines neuen Buchs über das Schicksal der Gottesbeweise des Thomas von Aquin nach der Aufklärung vorzustellen und zu diskutieren, Sebastian Ostritsch, wird, nach allen Regeln dieser perversen „Kunst“, gecancelt. Und die Leitung der Hochschule – wie so oft – knickt ein. Das heißt: Sie macht mit.
Sebastian Ostritsch ist schlicht katholisch, kirchlich und konservativ. Nichts, aber auch gar nichts, was er jemals geäußert hat, kann nach den objektivierbaren Kriterien des Rechts oder der politischen Wissenschaft als „radikal“, gar „extremistisch“ gewertet werden. Im Gegenteil: Ostritsch steht – anders als die, die ihn gecancelt haben – klar auf dem Boden unserer Verfassung.
Ja, anders als die kleine Gruppe von Studierenden, die in Sachen Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit offensichtlich die Agenda der Hochschulleitung zu bestimmen vermag, steht Ostritsch auf dem Boden des Grundgesetzes. Denn obwohl dafür nicht die Spur eines objektivierbaren Grundes vorliegt, vermögen sie zu verhindern, dass ein ihnen, nach ihren ebenso irrationalen wie ausschließlich subjektiven Kriterien, nicht genehmer Gastredner an der Hochschule vortragen kann. Bei Licht: Eine autoritäre bis totalitäre Ideologie, die weder diskursfähig noch diskurswillig ist, die nicht bereit ist, die Prämissen ihrer gefährlichen Weltanschauung dem wissenschaftlichen Streit auszusetzen, bringt die Hochschulleitung dazu, einzuknicken und mitzumachen. Und noch einmal bei Licht: Hier werden Grundpfeiler unserer Verfassungsordnung aktiv angegriffen. Wenn etwas Extremismus nach den objektiven Kriterien von Recht und politischer Wissenschaft ist, dann das. Und die Hochschulleitung hat sich genau damit gemein gemacht.
Philosophischer Suizid
„Rotlackierte Faschisten“ hätte Kurt Schumacher diese Feinde der Freiheit wohl genannt. Philosophie dagegen ist ein zweieinhalb Jahrtausende anhaltender Diskurs über letzte Fragen (so etwa hat es Robert Spaemann einmal gefasst) – offen und unabschließbar. Cancelculture mordet den Diskurs. Die Leitung der „Hochschule für Philosophie“ hat dabei Beihilfe geleistet. Das ist in Wahrheit philosophischer Suizid.
Dr. theol. Martin Brüske
Martin Brüske, Dr. theol., geb. 1964 im Rheinland, Studium der Theologie und Philosophie in Bonn, Jerusalem und München. Lange Lehrtätigkeit in Dogmatik und theologischer Propädeutik in Freiburg / Schweiz. Unterrichtet jetzt Ethik am TDS Aarau. Martin Brüske ist Mitherausgeber des Buches “Urworte des Evangeliums”.

