Die Bundesregierung verabschiedet sich von der wichtigsten Grundlage der Gesellschaft
Immerhin hat es massive öffentliche Kritik an diesem Vorgang gegeben, was vielleicht zum Zurückrudern der Außenministerin beitrug, die natürlich die politische Verantwortung für ihr Ministerium trägt. Bei einer länger andauernden Diskussion über dieses Thema hätten die Verursacher nur schlechte Karten auf der Hand gehabt. Deshalb wurde der Konflikt rasch entschärft.
Ein Zeichen großer Freiheit
Anders beim Berliner Stadtschloss, das auf Beschluss des Bundestages und durch dreistellige private Millionenspenden wieder aufgebaut wurde. An seiner Kuppel wurde ein Zitat wieder hergestellt, das sich aus zwei bedeutenden Sätzen des Neuen Testamentes zusammensetzt: „Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.“ Dies hatte bereits der preußische König Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) anbringen lassen.
Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth (67, Grüne), will die Bibelworte nachts mit anderen Texten überschreiben. Es werde an einem „Kunstprojekt zur temporären Überblendung der rekonstruierten Inschrift mit alternativen, kommentierenden und reflektierenden Texten“ gearbeitet, schrieb sie der CDU/CSU-Fraktion auf deren Anfrage Anfang November. Dazu erklärte die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU- Bundestagsfraktion, Dorothee Bär: „Aufgabe der Kulturstaatsministerin ist es, sich um die historische Rekonstruktion zu kümmern, und nicht die Geschichte umzuschreiben und für die aktuelle ideologische Prägung ihrer Partei passfähig zu machen.“ Wilhelm von Boddien, Hauptsammler von privaten Spenden zur Wiederherstellung des Schlosses, fürchtete einen „kulturellen Bruch, wie wir ihn in unserer Geschichte noch nie hatten – die Herrschaft der Säkularisierung über unsere 2000 Jahre alten Wurzeln im Christentum“.
Umbau unter dem Deckmantel der Digitalisierung
Warum fürchten Staatsministerin Claudia Roth und andere Kritiker der Wiederherstellung zweier Bibelstellen an einem historischen Gebäude, die ohne Zweifel zur Grundlage der deutschen und europäischen Kultur geworden sind? Warum müssen sie sich demonstrativ distanzieren? Warum nehmen sie gleichzeitig kritiklos hin, dass das Glaubensbekenntnis einer anderen Religion über Lautsprecher in den öffentlichen Raum verkündet werden darf? Denn beim Muezzinruf, der jetzt regelmäßig in Köln verkündet wird, handelt es sich um keine Errungenschaft unserer Kulturgeschichte, wohl aber um einen aktuellen religiösen „Herrschaftsanspruch“. Er lautet: „Allah ist größer! Ich bezeuge, dass es keinen Gott gibt, außer Allah! Ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte Allahs ist! Kommt zum Gebet! Kommt zum Heil! Allah ist größer! Es gibt keinen Gott außer Allah!“
Mit dieser Änderung wurde gleichzeitig die bisher mögliche freiwillige Eintragung der Religionszugehörigkeit komplett abgeschafft, und auch die Kirchen werden keine Möglichkeit bekommen, wie bisher Daten der Kirchenmitglieder abzurufen. Dagegen hat die Vorsitzende des Katholischen Arbeitskreises in der CDU Thüringen, Claudia Heber, protestiert: „Die Mütter und Väter unserer Verfassung haben ganz bewusst keine absolute Trennung von Kirche und Staat vollzogen, sondern den christlichen Wurzeln Raum in den Grundrechten der Bürger gegeben. Die Religionsfreiheit bietet den größtmöglichen Schutz vor ideologischer und religiöser Vereinnahmung. Unter dem Deckmantel der Digitalisierung wird jedoch der Umbau unserer Gesellschaft weiter voran getrieben und die Religionszugehörigkeit mit missionierender Gründlichkeit gleich an mehr als zehn Stellen aus Registergesetz und -verordnung verbannt.“
Eiskalte Schulter statt Anerkennung
Claudia Heber wies auf die Widersprüchlichkeit der Begründung hin. Einerseits solle die fortschreitende Digitalisierung die Standesämter entlasten, andererseits werde ein Mehraufwand beklagt. „Mit welcher Leichtigkeit solche Entscheidungen von Abgeordneten getroffen werden, macht fassungslos“, erklärte Claudia Heber. Gegenstimmen kamen allein aus der CDU/CSU-Fraktion.
Martin Grünewald
Der Journalist war 36 Jahre lang Chefredakteur des Kolpingblattes/Kolpingmagazins in Köln und schreibt bis heute für die internationale Nachrichtenagentur CNA. Weitere Infos unter: www.freundschaftmitgott.de