Kardinal Reinhard Marx und sein revolutionärer Namensvetter Karl Marx scheinen weit mehr zu teilen, als den Nachnamen. Bernhard Meuser über die dialektischen Parallelen im neuen Vulgärmarxismus von Marxens Bamberger Predigt.

Da hat nun auch er gepredigt in Bamberg – Reinhard Marx, der Mann hinter den Kulissen des großen synodalen Welttheaters. Mindestens die dialektische Rede und das Denken in Widersprüchen hat der Münchner Kardinal mit dem Trierer Sozialphilosophen gleichen Nachnamens gemeinsam. Die alte Kirche, die er gestern noch Hof haltend repräsentierte, kann er nun nicht schlecht genug reden. In schöner Assonanz stellt er Dogma neben Diktatur und sich selbst auf die Seite der Guten. Von dort stimmt er den Abgesang auf ein Kirchenregime an, in dem „das Reich Gottes nicht wirklich in mir selbst ankommt“, weil „der Glaube unterdrückt wird“. Man hört förmlich den Namensvetter Karl Marx grummeln: „Die Tradition aller toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden.“

Wie auf dem Gehirne von Karl lastet nun aktuell auch auf Reinhard Marx der „Geist geistloser Zustände“, wie Karl Marx einst formulierte – dieses Leiden unter dem Widerspruch von Theorie und Praxis und dem Terror der reinen Lehre. Reinhard Marx: „Was nützt mir ein Bekenntnis, dogmatisch sauber …Und in der Praxis wird eine Diktatur unterstützt.“ Es scheint die Zeit gekommen, dass man die Kirche à la Karl nicht mehr „verschieden interpretiert; es kommt … darauf an, sie zu verändern.“

Der Mann, der sich lieber seiner Versäumnisse in Trier und München erinnern sollte, hat offenkundig bei Adorno gelernt, dass es bekanntlich „kein richtiges Leben im falschen“ gibt; nun mimt er den Frontmann der neuen, menschengerechten Kirche: „Die Frage nach der wahren Kirche stellt sich ganz neu.“ Aha.

Nicht ohne dialektische Cleverness positioniert er die „wahre Kirche“ gegen die „wahre Lehre“. Die rhetorische Pilatusfrage „Was ist Wahrheit?“ kickt er mit Effet nach Rom, in Richtung der dort hausenden, aus seiner Sicht praxisfernen Glaubenshüter. Die Kirche müsse sich fragen, „was ihre Wahrheit ist – nur ein dogmatischer Text oder ein Bekenntnis, das ich unterschreibe? Oder ist sie eine Lebenspraxis – oder ist sie beides?“ Ich … unterschreibe?

Welche Lebenspraxis gerade von aufgeschlossenen Hirten unterschrieben wird, ist deutschen Katholiken spätestens angesichts der „Frankfurter Erklärung“ und der denkwürdigen Selbstverpflichtungen etlicher Bischöfe, eigenmächtig auf die Anwendung des kirchlichen Arbeitsrechtes zu verzichten, ansichtig geworden.

Auf zur Uraufführung der neuen Kirchengeschichte

Bei Marx – dem Alten – lese ich von der Euphorie „die Dinge umzuwälzen, noch nicht Dagewesenes zu schaffen.“ Und von den „Epochen revolutionärer Krise“, in denen „die Geister der Vergangenheit“ beschworen werden. Warum muss ich beim Lesen dabei an Marx – den Neuen – denken?

Jene, die den Umbau betreiben, führen sie laut Karl Marx „zu ihrem Dienste herauf, entlehnen ihnen Namen, Schlachtparole, Kostüm, um in dieser altehrwürdigen Verkleidung und mit dieser erborgten Sprache die neue …“ – nun, bei Karl heißt es – „Weltgeschichtsszene aufzuführen“.

Reinhard möchte auch Geschichte schreiben, freilich nicht Welt- sondern Kirchengeschichte. In anderthalb Jahren Synodaler Weg ist allen, die sich dabei mit Argumenten auch nur in die Nähe der Heilsereignisse wagten, deutlich geworden: „Die Gewalt ist der Geburtshelfer jeder alten Gesellschaft, die mit einer neuen schwanger geht.“ Wo revolutionär gehobelt wird, fallen eben auch in der Kirchengeschichte Späne.

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Von Bernhard Meuser

 

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