Die Geschäftsstelle des „Synodalen Ausschusses“ hat sich kürzlich mit einer schriftlichen Umfrage an alle deutschen Diözesanbischöfe und an alle Diözesan- oder Katholikenräte in den deutschen Diözesen gewandt und um Beteiligung an einer „Umfrage“ gebeten. Der Kirchenrechtler Heribert Hallermann wirft den Autoren unzulässige „Suggestivfragen“ vor. Die Initiative „Neuer Anfang“ hat darauf mit einer Klarstellung reagiert, die auch an die Presse gegeben wurde:
Diese vermeintliche „Umfrage“ steht auch nach unserer Ansicht im Widerspruch zu den vatikanischen und päpstlichen Erklärungen, ebenso zur gemeinsamen Presseerklärung des Heiligen Stuhls und der Deutschen Bischofskonferenz vom 28.06.2024.
Außerdem täuscht die erwähnte Umfrage nicht vorhandene Tatsachen vor und erweckt in den Empfängern falsche Eindrücke. Sie ist darum nicht verwertbar. Wir fordern Sie deshalb auf, diese „Umfrage“ zurückzuziehen und ihre unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erzeugten „Ergebnisse“ nicht weiter zu berücksichtigen.
So berufen sich mehrere Fragen der Umfrage auf den Handlungstext des Synodalen Weges „Gemeinsam beraten und entscheiden“, der nie vom Synodalen Weg beschlossen wurde. Die darin erwähnte „gemeinsame Verantwortung der Gläubigen und des Bischofs durch Mitberatungs- und Mitentscheidungsrechte von repräsentativ gewählten Gläubigen“ ist eine Fiktion; ein solches Modell wurde in Deutschland weder beschlossen noch anerkannt und steht außerdem im Widerspruch zur Weltkirche. Auch viele weitere Fragen stehen „neben der Spur“ der kirchlichen Lehre, z.B. die Frage zur Selbstbindung des Bischofs.
Es ist sehr verwunderlich, dass eine solche Umfrage stattgefunden hat, die von falschen Voraussetzungen ausgeht. Es muss an dieser Stelle gefragt werden, ob den Autoren die nachfolgenden Veröffentlichungen und verbindlichen Erklärungen nicht bekannt gewesen sind:
Nachdem die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) im Jahr 2019 einen „Synodalen Weg“ (SW) beschlossen hatten, reagierte die römische Weltkirche drei Jahre später nach einer Reihe von SW-Beschlüssen mit folgender Erklärung:
„Der ‘Synodale Weg‘ in Deutschland ist nicht befugt, die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten. Es wäre nicht zulässig, in den Diözesen vor einer auf Ebene der Universalkirche abgestimmten Übereinkunft neue amtliche Strukturen oder Lehren einzuführen…
Daher ist es wünschenswert, dass die Vorschläge des Weges der Teilkirchen in Deutschland in den synodalen Prozess, auf dem die Universalkirche unterwegs ist, einfließen mögen.
Erklärung des Heiligen Stuhls, veröffentlicht unter der Überschrift „Heiliger Stuhl zeigt deutschem Synodalen Weg Grenzen auf“ vom 21. Juli 2022 („Gesprächsinitiative des Synodalen Wegs in Deutschland“)
Damit stellte der Heilige Stuhl als oberste Instanz der verfassten Katholischen Weltkirche klar: Sonderwege einer nationalen Teilkirche in Bezug auf Leitungsstruktur, Lehre und Moral würden die jeweiligen Kompetenzen überschreiten und sind deshalb nicht möglich! Möglich sind dagegen Vorschläge auf Ebene der Universalkirche, zum Beispiel bei der Weltsynode. – Der DBK-Vorsitzende sowie weitere deutsche Bischöfe haben sich mit ihren Vorschlägen bei der Weltsynode eingebracht, deren Ergebnisse von Papst Franziskus lehramtlich aufgegriffen und anerkannt wurden. Darin wird eine gemeinsame Beratung von Laien und Klerus empfohlen, aber – anders als in Deutschland – ausdrücklich zwischen Beratung und Entscheidung unterschieden.
Dennoch hält der Synodale Ausschuss als Umsetzungsinstanz des Synodalen Weges (SW) am Beschluss vom 10. September 2022 fest, einen „Synodalen Rat für die katholische Kirche in Deutschland“ einzurichten. Er soll eine „Weiterentwicklung der Gemeinsamen Konferenz“ (von DBK und ZdK) bilden „und soll diese ablösen“.
Als Eckpunkte des Synodalen Rates wurden lt. SW-Beschluss festgelegt:
„Der Synodale Rat berät als Beratungs- und Beschlussorgan über wesentliche Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft und trifft auf dieser Basis Grundsatzentscheidungen von überdiözesaner Bedeutung zu pastoralen Planungen, Zukunftsfragen der Kirche und Finanz- und Haushaltsangelegenheiten der Kirche, die nicht auf diözesaner Ebene entschieden werden. … Zur Vorbereitung des Synodalen Rates wird von der Synodalversammlung ein Synodaler Ausschuss eingesetzt.“
Dieser Beschluss verstieß eindeutig gegen die weltkirchliche Weisung, nicht eigenmächtig neue Leitungsstrukturen zu schaffen.
Dem hat folglich Papst Franziskus in einem Brief vom 10. November 2023 widersprochen und mitgeteilt, dass der Synodale Ausschuss, „der die Einführung eines Beratungs- und Entscheidungsgremiums vorbereiten soll, das in der im entsprechenden Beschlusstext umrissenen Form mit der sakramentalen Struktur der katholischen Kirche nicht in Einklang zu bringen ist und dessen Einrichtung vom Heiligen Stuhl daher mit Schreiben vom 16. Januar 2023, das ich in spezifischer Form approbiert habe, untersagt wurde.“
Diese Feststellung einer Abweichung von der Lehre und vom gültigen Kirchenrecht wurde auch später nicht aufgehoben. Heiliger Stuhl und DBK erklärten vielmehr, dass daran festzuhalten ist; dies wurde durch die Verpflichtung ergänzt, dass Neuregelungen vor deren Gültigkeit vom Heiligen Stuhl freigegeben werden müssen:
„Die deutschen Bischöfe haben zugesagt, dass diese Arbeit dazu dient, konkrete Formen der Synodalität in der Kirche in Deutschland zu entwickeln, die in Übereinstimmung mit der Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils, den Vorgaben des Kirchenrechts und den Ergebnissen der Weltsynode stehen und anschließend dem Heiligen Stuhl zur Approbation vorgelegt werden.“
(Gemeinsame Presseerklärung des Heiligen Stuhls und der Deutschen Bischofskonferenz zu den Gesprächen am 22. März 2024)
Alle genannten Feststellungen, Verpflichtungen und Weisungen haben das ZdK als Mitträger des SW nicht beeindruckt oder gar zu einer Korrektur veranlasst, im Gegenteil:
Im Beschluss des Hauptausschusses des ZdK vom 22.05.2024 mit der Überschrift „Synodalität – Erfahrungen und Erwartungen im ZdK“ hält das ZdK daran fest, „die bestehenden Beratungsgremien in Beratungs- und Entscheidungsgremien zu verwandeln“. „Der Bischof bindet sich an die gemeinsam entwickelte und von ihm erlassene Ordnung … der Bischof entscheidet aber auch nicht allein oder über die Gremien hinweg … er öffnet sich einer Kontrolle durch Vertretungen des Kirchenvolkes.“
Aus dieser Haltung der Ignoranz gegenüber der Weltkirche heraus sind auch die Fragen formuliert, die der Synodale Ausschuss bei der Umfrage im Februar/März 2025 an die Diözesanbischöfe und Diözesanräte in Deutschland gerichtet hat.
So lautet z.B. Frage 3:
Gibt es in Ihrem Bistum ein Synodales Gremium (im Sinne des Handlungstextes „Gemeinsam beraten und entscheiden“ des Synodalen Weges), in dem die „gemeinsame Verantwortung der Gläubigen und des Bischofs durch Mitberatungs- und Mitentscheidungsrechte von repräsentativ gewählten Gläubigen“ zum Ausdruck kommt, und „in dem alle Fragen zu Themen von bistumsweiter Bedeutung gemeinsam beraten und entschieden“ werden?
Diese Frage mit Schlüsselbedeutung ignoriert nicht nur die Weisungen des Heiligen Stuhls und die Ergebnisse der in der Zwischenzeit abgeschlossenen Weltsynode, es zitiert auch einen SW-Text, der nie beschlossen wurde, und macht sich ihn zu eigen! Diese Tendenz, denen der Kirchenrechtler Hallermann eine Suggestivwirkung beimisst, kommt auch bei späteren Fragen zum Ausdruck, in denen z.B. ausschließlich danach gefragt wird, ob den Mitgliedern eines Gremiums nur eine Beratungsfunktion verliehen wird oder ob ihnen ein Stimmrecht zusteht sowie „welche Aufgaben und Rechte das Synodale Gremium hat“. Die Frage nach dem Entscheidungsrecht wird übrigens unter den 35 Fragen insgesamt sieben Mal gestellt und bildet eindeutig den zentralen Inhalt der Umfrage.
Die Frage, ob gemeinsam beraten und auch entschieden wird, ist nicht nebensächlich. Die Weltsynode hat dazu festgestellt:
„In einer synodalen Kirche ist die Autorität des Bischofs, des Bischofskollegiums und des Bischofs von Rom in Bezug auf die Entscheidungsfindung unumgehbar, da sie in der von Christus geschaffenen hierarchischen Struktur der Kirche begründet ist.“ (Zr. 92)
Diese Aussage beruht auf den Lehräußerungen des 2. Vatikanischen Konzils (zB DV 7). Die Weltsynode hat sich mit dem Thema „Beraten und Entscheiden“ befasst und die Ergebnisse in den Ziffern 87 ff dokumentiert. Darin heißt es: „Eine synodale Kirche kann gefördert werden, indem eine stärkere Beteiligung des gesamten Volkes Gottes an Entscheidungsprozessen unterstützt wird“ (Zr. 87). Die Weltsynode ergänzt (Zr. 89): „Das geltende Recht sieht bereits solche Beteiligungsgremien auf verschiedenen Ebenen vor.“ Sie hält es für angebracht, „eine Überarbeitung des kanonischen Rechts aus einer synodalen Perspektive vorzunehmen, die Unterscheidung und Beziehung zwischen Beratung und Entscheidung zu klären und die Verantwortlichkeiten derjenigen zu beleuchten, die im Entscheidungsprozess unterschiedliche Rollen spielen“ (Zr. 92).
Diese Überarbeitung ist noch nicht erfolgt und kann auch nicht auf nationaler Ebene vorweggenommen werden. Wie Ziffer 92 bereits ausdrückt, ist sie eingebettet in die geistliche Unterscheidung (Zr. 90) und in die jeweiligen, unterschiedlichen Verantwortlichkeiten (Zr. 92).
Wie unterschiedlich sich Kirchenbild und Offenbarungsverständnis von deutschem Synodalen Weg und der Weltsynode darstellen, wurde nicht nur in den jeweiligen Sitzordnungen (einerseits parlamentarisch, andererseits an runden Tischen) und Arbeitseinheiten (einerseits lange Rednerlisten, andererseits abwechselndes Zuhören, Schweigen und Gebet) sichtbar.
Zugrunde liegt offenbar ein fundamentaler Unterschied: Einerseits Mehrheitsentscheidungen, die keiner Begründung bedürfen; andererseits Hinhören auf den Willen Gottes, der im gemeinsamen Austausch zutage tritt.
Könnte es zutreffen, dass die eine Sichtweise von einem Kirchenverständnis ausgeht, das nach eigenem Gusto gestaltet und den jeweiligen Zeitbedürfnissen angepasst werden kann? Und dass die andere Sichtweise davon ausgeht, dass die wesentlichen Elemente des Glaubens durch die Offenbarung Jesu vorgegeben sind und dass die Erkenntnis „durch die Gegenwart und das beständige Wirken des Geistes ‚die Überlieferung, die von den Aposteln kommt, in der Kirche weiter wächst’“ (DV 8, Zr. 81)? „Das Hören auf das Wort Gottes ist der Ausgangspunkt und das Kriterium für jede kirchliche Unterscheidung“ (Zr. 83). „Gott spricht durch die lebendige Tradition der Kirche, das Lehramt, die persönliche und gemeinschaftliche Meditation über die Heilige Schrift und die Praktiken der Volksfrömmigkeit (Zr. 83).
Die Unterschiede zwischen deutschem Sonderweg und der weltkirchlichen Methodik sind nicht nur graduell, sondern grundsätzlich!
Diese grundlegende Differenz wird in der Umfrage weder erkannt noch aufgearbeitet; sie wird schlicht ignoriert!
Die falschen Tatsachenbehauptungen der „Umfrage“ und die damit verbundenen Falschinformationen können keine Grundlage für die geschwisterliche innerkirchliche Zusammenarbeit bilden.
Wir rufen die Verantwortlichen des Synodalen Weges deshalb auf, keinen Raum zur Entfaltung von Fake News zu geben, die falschen Behauptungen zu widerrufen sowie die gültigen und weltkirchlich anerkannten Methoden der Zusammenarbeit richtig zu stellen.