Es ist höchste Zeit zur Reform der Laienvertretung, meint Stephan Raabe und stellt zugleich Leitbild, Ziele und Vorgehen des ZdK auf den Prüfstand. Der Beitrag folgt der Spur, die Martin Grünewald bereits in  seinem Artikel „Ist das ZdK jetzt demokratisch?“ aufgenommen hat. Beide Autoren sehen die Notwendigkeit zu Reformen in der Kirche, aber auch viel Korrekturbedarf beim ZdK.

Was ist die Kirche?

Die Kirche ist „in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (Zweites Vatikanisches Konzil, Kirchenkonstitution Lumen Gentium 1). Sie ist „die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“, die wir im Glaubensbekenntnis bekennen. Die Kirche ist „eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst“, nämlich: „Die mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft und der geheimnisvolle Leib Christi, die sichtbare Versammlung und die geistliche Gemeinschaft, die irdische Kirche und die mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche“. Hier kommt das alte konjunktionale Prinzip (et, et, statt sola) der katholischen Kirche zur Geltung. Deshalb ist die Kirche, so sagt es das Konzil, in einer nicht unbedeutenden Analogie dem Mysterium des Menschgewordenen Wortes Gottes ähnlich (LG 8). Dieses bekennen wir im Geheimnis unseres Glaubens: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, Deine Auferstehung preisen wir, bis Du kommst in Herrlichkeit“ (1. Kor. 11,23f). So öffnet die Kirche unseren Horizont hin zur Wiederkehr Christi wie zur Ewigkeit bei Gott. Wobei wir allen Grund haben, im Embolismus nach dem Vaterunser zu beten: „… bewahre uns vor Verwirrung und Sünde, damit wir voll Zuversicht das Kommen unseres Erlösers Jesus Christus erwarten.“ Leider wird das im Gottesdienst nicht selten unterschlagen.

Kirche und Demokratie, geistliches Amt und Laien

Es ist evident, dass diese Kirche Gottes mit ihren hierarchischen Organen, in der „die Gnade der Apostel herausragt“, „die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird (LG 7f.), nur bedingt mit der staatlich-politischen Herrschaftsform einer liberalen, repräsentativen Demokratie zusammenpasst. Das Apostolat der Laien ist es auch nicht, durch demokratische Entscheidungsprozesse die Leitung in der Kirche zu übernehmen, die bei den geweihten Amtsträgern liegt und theologische Kompetenz voraussetzt. Ihre Aufgabe liegt insbesondere im “Weltcharakter“, in der Regelung der „zeitlichen Dinge“, wobei dem Ehe- und Familienleben eine grundlegende Bedeutung zukommt. Dadurch sollen die Laien „zum Wachstum und zur ständigen Heiligung der Kirche beitragen“ und die Kirche vor allem „an jenen Stellen und in den Verhältnissen anwesend und wirksam … machen, wo die Kirche nur durch sie das Salz der Erde werden kann“. Darüber hinaus können Laien auch „zu unmittelbarerer Mitarbeit mit dem Apostolat der Hierarchie berufen werden“ und „von der Hierarchie zu gewissen kirchlichen Ämtern herangezogen … werden, die geistlichen Zielen dienen.“ (LG Kapitel IV)

Das neue Leitbild des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)

Das ZdK ist die Vertretung der katholischen Verbände, Organisationen, diözesanen Räte, geistlichen Gemeinschaften sowie von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Als solches nimmt es eine koordinierende und teilweise repräsentative Funktion wahr zur Förderung der apostolischen Tätigkeit der Kirche. Es wird deshalb durch Kirchensteuermittel finanziert. Der Personalaufwand belief sich 2023 auf rund 1,937 Mio. Euro, die betrieblichen Ausgaben auf rund 770.700 Euro. Im Jahresabschluss des ZdK 2023 sind 2.783.510,56 Mio. Euro sonstige betriebliche Erträge ausgewiesen, die fast ausschließlich von der Kirche kommen (231231_ZdK_Jahresabschluss_2023.pdf).

Am 22. November 2024 hat sich die Vollversammlung des ZdK nun ein neues Leitbild gegeben. Das macht man, wenn man sich seines Selbstverständnisses vergewissern will. Darin heißt es: „Grundlage unserer Arbeit sind die Beschlüsse des 2. Vatikanischen Konzils“. Gleichzeitig wird gesagt: „Als ZdK stehen wir ein für … demokratische Strukturen in der Kirche“. Zudem wird behauptet: „Wir sind demokratisch organisiert“, und: „Wir … vertreten die Anliegen der katholischen Gläubigen in Deutschland.“ (https://www.zdk.de/leitbild)
Das eine, die Vertretung der Katholiken, setzt das andere, die demokratische Organisation, insbesondere aber die demokratische Legitimation voraus. Ist diese jedoch überhaupt gegeben? Und wie verhält es sich mit dem Konzil als Grundlage?

Inwieweit ist das ZdK demokratisch organisiert und legitimiert?

Jeder Katholik kann, sofern er überhaupt von der Wahl erfährt, durch Abstimmung bei den Pfarrgemeinderatswahlen indirekt Einfluss nehmen auf einen Teil der Mitglieder der Diözesanräte, die wiederum jedoch nur knapp 40 % der Mitglieder des ZdK bestellen. Die anderen knapp 40 % werden von katholischen Verbänden, Aktionen, Berufsvereinigungen, sonstigen Zusammenschlüssen, Geistlichen Gemeinschaften und Bewegungen sowie Säkularinstituten delegiert, rund 21 % werden dann nochmal aufgrund von Vorschlägen aus der Versammlung hinzugewählt (Satzung_Statut_ZdK_AGKOD__2018_Jan_08.pdf). Übrigens kommen vier von sechs Präsidiumsmitgliedern und fünf von sieben Sprechern der Sachbereiche, die das ZdK nach außen vor allem repräsentieren, aus dem kleinen Anteil der Hinzugewählten. Im sechsköpfigen Präsidium gibt es mit Thomas Söding einen Senior-Theologen; die Journalistin Claudia Nothelle hat Theologie für das Schullehramt studiert; ansonsten sind eine Pädagogin, eine Ökotrophologin, ein Bankkaufmann und ein Politikwissenschaftler vertreten. (240326_ZdK_Berichte_und_Dokumente_2023.pdf) Die theologische Expertise im ZDK-Präsidium ist also mit Blick auf die Reform der Kirche und ihrer Lehre sehr begrenzt. Festzustellen ist außerdem: Eine demokratische Legitimation des ZdK als Vertretung der Anliegen der katholischen Gläubigen im eigentlichen Sinne durch allgemeine, freie, gleiche und geheime Wahlen liegt nicht vor.

Zudem: Bei den Pfarrgemeinderats­wahlen zum Beispiel in Bayern am 20. März 2022 lag die Wahlbeteiligung bei 12,75 %, also sehr niedrig, aber immerhin höher als die Zahl der Gottesdienstteilnehmer mit 7,9 % (https://www.pfarrgemeinderatswahl-bayern.de/). Anderswo ist sie noch viel geringer. Eine demokratische Repräsentativität für die katholischen Gläubigen in Deutschland lässt sich auf dieser Grundlage schwerlich ableiten. Richtig ist, dass das die ZdK-Vollversammlung von Vertretern aus verschieden kirchlichen Bereichen als Arbeitsgremium demokratisch organisiert ist. Dieser Unterschied ist wichtig, wenn es um den Vertretungsanspruch des ZdK für die Katholiken insgesamt geht. Es kann für die im ZdK organisierten Katholiken aus Räten, Verbänden und Vereinigungen sprechen, was nicht wenig ist, nicht aber generell für „die Katholiken“, schon gar nicht, wenn es um die Mitgestaltung von Kirche, Gesellschaft und Politik geht, wo jeder Katholik nach Aussage des Zweiten Vatikanischen Konzils „wie es häufiger, und zwar legitim, der Fall ist, bei gleicher Gewissenhaftigkeit in der gleichen Frage zu einem anderen Urteil kommen“ kann (Pastoralkonstitution Gaudium et spes 43,10). So wie die Bischöfe spätestens nach dem Konzil politische Zurückhaltung lernen mussten, ist auch die kirchliche Laienorganisation angesichts legitimer politischer Pluralität gut beraten, diese Zurückhaltung ebenfalls zu beherzigen.

Eine Reform der Laienvertretung in der Kirche ist notwendig

Meine Anliegen und die vieler anderer engagierter Katholiken vertritt dieses Zentralkomitee in seiner heutigen Zusammensetzung längst nicht mehr, wenn es etwa im klaren Gegensatz zum Zweiten Vatikanischen Konzil, auf das sich das ZdK als Grundlage beruft, undifferenziert „demokratische Strukturen in der Kirche“ und die Weihe von Frauen durchsetzen will (Leitbild), eine andere Moraltheologie fordert oder die Gendersprache propagiert oder dieses und jenes Andere. Ebenso wenig kann dieses Gremium meine gesellschaftlichen und politischen Anliegen als Katholik vertreten. Die sehe ich als Mitglied der CDU, gerade unter den Katholiken Friedrich Merz und Carsten Linnemann, zum Großteil durch meine Partei abgedeckt, nicht aber durch ein buntes Sammelsurium von „Vertreter*innen“ von katholischen Organisationen und Räten, deren Auswahl und Meinungsbildung ich so gut wie gar nicht beeinflussen kann, jedenfalls in viel geringerem Maße als ich dies demokratisch in meiner Partei oder bei Parlamentswahlen immerhin zu tun vermag. Hier hat sich im Vergleich zu früheren Zeiten im Katholizismus gewiss etwas verschoben: galt früher die Loyalität zuerst eher Kirche und Katholizismus, so gilt sie heute mehr den eigenen politischen Überzeugungen und der präferierten Parteien.

Das hat wesentlich damit zu tun, dass die Zeiten, als das ZdK in Grundwertefragen, wie dem Lebensschutz oder zentralen ordnungspolitischen Fragen, noch über die Parteigrenzen hinweg dem katholischen Proprium gesellschaftspolitisch eine wirkmächtige Stimme verlieh, vorbei sind.[1] Diesbezüglich ist das Zentralkomitee mittlerweile politisch weitgehend paralysiert. Weil kaum noch eine spezifisch katholische parteipolitische Wählermacht vorhanden ist, hat der Katholizismus enorm an politscher Relevanz verloren. Was das ZdK etwa zur Agrarwende, zum Familiennachzug von Flüchtlingen, zur sozialökologischen Zukunft, zum Aufstehen gegen Rechtspopulismus, zum Ausbau des BAföG, zur Armut junger Menschen erklärt (alles 2023), interessiert Parteien und Regierungen recht wenig und kommt in den Gemeinden überhaupt nicht an. Die Aufgabe der Kirche, „auch politische Angelegenheiten einer sittlichen Beurteilung zu unterstellen, wenn die Grundrechte der menschlichen Person oder das Heil der Seelen es verlangen“ (GS 76,7), übernehmen die Bischöfe selbst, während sich das ZdK vor allem auf die Veränderung der Kirche nach eigenen Maßstäben fokussiert, wobei weit mehr als die Hälfte der Mitglieder direkt oder indirekt kirchliche Beschäftigte sind und das Motto lautet: „Ich mach mir meine Kirche, wie sie mir gefällt“.

Vor diesem Hintergrund stellen sich einige grundsätzliche Fragen:

  1. Wo werden überhaupt die Anliegen der Katholiken in der Kirche wahrgenommen, die zu rund 90 % nurmehr in loser Verbindung zu ihrer Kirche stehen, sie aber weitestgehend durch ihre Kirchensteuern finanzieren?
  2. Wo kommen die Anliegen der Katholiken zur Geltung, die sich nicht in diesem Zentralkomitee repräsentiert sehen, dieses Gremium oft gar nicht kennen, das aber für sich einen Alleinvertretungsanspruch für die Katholiken insgesamt reklamiert?
  3. Weshalb werden andere katholische Initiativen und Vereinigungen nicht kirchlich ebenso unterstützt und gefördert, wie das ZdK, das sich seit längerem mehr als eine kirchenpolitische Partei und Pressure-Group verhält zur Umwandlung der Kirche, anstatt die Katholiken synodal zu verbinden?
  4. Schließlich: Wenn sich der Räte- und Gremien-Katholizismus herkömmlicher Art zu guten Teilen überlebt hat, worauf die stark rückläufige Beteiligung in Gemeinden und Verbänden und deren Überalterung hindeuten, was könnte dann in einem synodalen Sinne mit Blick auf die zentrale Aufgabe des Apostolats an seine Stelle treten?

Das heißt, es ist höchste Zeit für eine Reform der Laienvertretung in der Kirche in Deutschland, die Pluralität und Repräsentativität in besserer Weise gewährleistet, die apostolische Tätigkeit der Kirche intensiver fördert und dabei die Verbindung zur Gemeindearbeit einerseits und zur großen Mehrheit der fernstehenden Kirchenmitglieder andererseits wieder stärker aufnimmt, die das Zentralkomitee als abgehobenes Gremium von kirchlichen Funktionsträgern seit langem verloren, vielleicht sogar nie besessen hat, aber früher durch politische Wirkmacht wettmachen konnte. Die römische Bischofssynode zur Synodalität gibt dafür gute Anregungen und Orientierungen, wenn man denn bereit ist, eingefahrene Weg zu verlassen und den eigenen Status quo aufzugeben. Aufbruch tut not, aber anders als dies der „Synodale Weg“ der kirchlichen Funktionsträger betreibt, der nur mehr des Gleichen anstrebt.


[1] Vgl. Hans Buchheim, Felix Raabe: Christliche Botschaft und Politik – Texte des Zentralkomitees der deutschen Katholiken zu Politik, Staat, Verfassung und Recht, Paderborn 3. erweiterte Aufl. 1997.


Stephan Raabe
ist als Projektleiter in Bosnien und Herzegowina tätig. Er studierte Geschichte, Kath. Theologie, Philosophie und Politik für das Schullehramt in Bonn und München, machte einen Magisterabschluss, arbeitete anschließend zehn Jahre in der Jugendseelsorge im Erzbistum Berlin, war 2002/03 Bundesgeschäftsführer des Familienbundes der Katholiken und als solcher Mitglied im ZdK, ging dann für die Konrad-Adenauer-Stiftung nach Polen und Weißrussland und leitete danach das Politische Bildungsforum der Stiftung in Brandenburg. Publizistisch setzte er sich immer wieder kritisch mit der „Weiterentwicklung“ der Kirche in Deutschland auseinander.


Foto: Imago

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