Eine Kehrtwende um 180 Grad ist ungewöhnlich. In der katholischen Kirche ist sie außergewöhnlich, da ihr Fundament darin besteht, den von den Aposteln überlieferten Glauben authentisch weiterzugeben. Gegenwärtig bahnen sich beim „Synodalen Weg“ gleich mehrere Kehrtwenden in den wichtigsten Fragen des Glaubens und der Sittenlehre an. Bisher beteiligt sich die Mehrheit der deutschen Bischöfe an dieser Kehrtwende. Einzelne Bischöfe befürchten aber bereits einen tiefgreifenden „Bruch“.
Vor gut fünf Jahren tagte die Rom die Generalversammlung der Synode auf Weltebene mit 265 stimmberechtigten Bischöfen und 120 weiteren Beratern, darunter Erzbischof Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof Dr. Heiner Koch und Bischof Dr. Franz-Josef Bode. Das Thema lautete: „Die pastoralen Herausforderungen der Familie im Rahmen der Evangelisierung“. Es ging um grundlegende Fragen der Morallehre.
Damals beschloss die Generalversammlung einzeln über die jeweiligen Absätze ihres Schlussberichtes. Der nachfolgende Text erhielt 245 Ja- und nur neun Nein-Stimmen. Er lautet: „Eine kulturelle Herausforderung, die heute von großer Bedeutung ist, geht von der „Gender“-Ideologie aus, welche den Unterschied und die natürliche Verwiesenheit von Mann und Frau leugnet. Sie stellt eine Gesellschaft ohne Geschlechterdifferenz in Aussicht und höhlt die anthropologische Grundlage der Familie aus.
Diese Ideologie fördert Erziehungspläne und eine Ausrichtung der Gesetzgebung, welche eine persönliche Identität und affektive Intimität fördern, die von der biologischen Verschiedenheit zwischen Mann und Frau radikal abgekoppelt sind. Die menschliche Identität wird einer individualistischen Wahlfreiheit ausgeliefert, die sich auch im Laufe der Zeit ändern kann.“
Vorbei mit eindeutiger Distanz zur Gender-„Ideologie“
Eindeutiger ging es nicht, sich von der Gender-„Ideologie“ zu distanzieren. In dem Beschluss der Weltsynode wurde auch die Begründung geliefert: „In der Sicht des Glaubens trägt die geschlechtliche Verschiedenheit des Menschen das Bild und Gleichnis Gottes in sich (vgl. Gen 1,26–27).“ Die Synode bekräftigte die seit Jahrtausenden bestehende von Gott gebildete Anthropologie des Menschen, die bereits im jüdischen Glauben grundgelegt und vom Christentum übernommen worden war.
Die Weltsynode arbeitete nicht nur im Plenum, sondern auch in Arbeitsgruppen. Die deutsche Sprachgruppe der Synode hielt er für sinnvoll, in Rom eine zusätzliche Erklärung abzugeben, die später auf der Homepage der deutschen Bischofskonferenz veröffentlicht wurde und dort bis heute zu finden ist.
Darin wird betont: „Nach christlichem Verständnis einer Einheit von Leib und Seele lassen sich biologische Geschlechtlichkeit („sex“) und sozio-kulturelle Geschlechtsrolle („gender“) zwar analytisch voneinander unterscheiden, aber nicht grundsätzlich oder willkürlich voneinander trennen. Alle Theorien, die das Geschlecht des Menschen als nachträgliches Konstrukt ansehen und seine willkürliche Auswechselbarkeit gesellschaftlich durchsetzen wollen, sind als Ideologien abzulehnen.“ Damit haben sich die teilnehmenden deutschen Bischöfe ausdrücklich hinter den Mehrheitsbeschluss gestellt und ihn bekräftigt.
Der deutschen Sprachgruppe gehörten auch Erzbischof Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof Dr. Heiner Koch und Bischof Dr. Franz-Josef Bode an. Jetzt beraten sie erneut im deutschen „Synodalen Weg“ über die grundlegenden Themen der Anthropologie. Allerdings haben sie entweder jetzt keinen bestimmenden Einfluss mehr oder haben ihre Meinung hat sich in dieser entscheidenden Frage der katholischen Moral- und Sittenlehre um 180 Grad geändert. Denn im Grundtext zum Themenbereich „Frauen“ heißt es bislang: „Gegen die Vorstellung, Geschlecht sei etwas, das man „hat“ oder „ist“, stehen Erkenntnisse der (empirischen wie historischen) Genderforschung: Geschlecht ist keine vorsoziale und unveränderliche oder gar gottgegebene Tatsache.“
Vier Wochen vor der dritten Synodalversammlung vom 3. bis 5. Februar waren 27 Beschlussentwürfe mit einem Gesamtumfang von 211 Seiten auf der Homepage des Synodalen Weges eingestellt. Unter den Vorlagen befinden sich sieben Texte zum Themenbereich „Sexualität und Partnerschaft“, in denen das Gegenteil dessen ausgesagt wird, was vor knapp fünf Jahren in Rom einvernehmlich beschlossen worden war.
Veränderungsklima für radikalen Kurswechsel
Die Kehrwende der deutschen Bischöfe unter Einflussnahme des Synodalen Weges zeichnet sich aber nicht allein in diesem Themengebiet ab. Sie betrifft nahezu alle wesentlichen in Deutschland kontrovers diskutierten Fragen der vergangenen Jahrzehnte. Weitere, bislang wenig bekannte Reformvorschläge sind dazu gekommen. Es lohnt sich, einen gründlichen Blick darauf zu werfen.
Wer einen radikalen Kurswechsel anstrebt, benötigt gute Argumente. Es muss ein begründetes Veränderungsklima erzeugt werden, das aussagt: Einzelne Reformen genügen nicht, vielmehr können nur grundsätzliche Schritte weiterhelfen. Im Präambeltext wird der Synodale Weg als Antwort auf den Skandal des sexuellen Missbrauchs in Deutschland dargestellt. Darin heißt es: „Wir bekennen unsere Schuld und wollen Konsequenzen ziehen. Wir arbeiten die strukturellen Ursachen sexualisierter Gewalt und deren Vertuschung in unserer Kirche auf.“ Es gibt also ein berechtigtes Anliegen von großer Tragweite.
Ist damit bereits eine grundsätzliche Veränderungsbereitschaft vorhanden? Nicht unbedingt. Im Präambeltext heißt es weiter: „Wir wollen, dass die Kirche auf den Weg der Menschen findet und nicht, dass die Kirche über die Wege der Menschen bestimmt.“ Ein auf den ersten Blick schlüssiger Satz, der aber voller Sprengstoff ist. Denn er besagt im ersten Teil, dass sich die Kirche noch nicht auf dem „Weg der Menschen (be)findet“. Darüber lässt sich vielleicht noch streiten; und ein ständiges Bemühen um die Nähe zu den Menschen muss ein zentrales Anliegen der Kirche sein. Die zweite Hälfte des Satzes bildet aber eine folgenschwere Aussage, für die im unmittelbaren Kontext keine Begründung geliefert wird: „Wir wollen … nicht, dass die Kirche über die Wege der Menschen bestimmt.“
Natürlich vertritt die katholische Kirche die Auffassung, dass jeder Mensch von Gott die Freiheit geschenkt bekommen hat, sein Leben selbst zu gestalten. Es gibt ja nichts Freiwilligeres, als sich für oder gegen den Glauben an Gott zu entscheiden. Vor allem gibt es keine gesellschaftlichen Sanktionen für Ungläubige. Im Gegenteil: Während zum Beispiel der Koran Abtrünnige mit dem gewaltsamen Tod bedroht, hält sich in Deutschland die Gefahr sozialer Ausgrenzung im Rahmen. Da gibt es natürlich, je nach Bevölkerungsstruktur, Unterschiede zwischen Hamburg und München.
Das Ende der kirchlichen Moral- und Ethiklehre?
Also, der Mensch ist in seiner Glaubensentscheidung grundsätzlich frei (DH 10, KKK 160, 166). Die Kirche bestimmt nicht über sein Leben. – Was meint dann der Beschlusstext des Synodalen Weges damit, die Kirche solle nicht über die Wege der Menschen bestimmen? Heißt es, dass sie den Gläubigen keine Vorgaben (mehr) machen soll? Also beispielsweise über die Zehn Gebote und die für jedermann eindeutigen Aussagen Jesu hinaus keine verbindlichen Aussagen über moralische und sittliche Verhaltensweisen mehr aufstellen soll? – Genau darum scheint es zu gehen. Aber nicht nur. Denn es steht außer der Auflösung der Moral- und Sittenlehre und damit der Entwertung oder zumindest teilweisen Abschaffung des Katechismus möglicherweise etwas Zusätzliches zur Disposition: die Gültigkeit der eigentlichen Glaubensfundamente. Sollen dort auch die verbindlichen Aussagen entfallen? Eine äußerst spannende Frage!
Nur der Blick in die Beschlussentwürfe des Synodalen Weges kann eine Antwort liefern. Dazu gibt der „Orientierungstext“ weitere Anhaltspunkte. Er beinhaltet die theologischen Grundlagen des Synodalen Weges. In Nr. 10 heißt es zum Beispiel: „Zu den wichtigsten „Orten“ der Theologie gehören die Heilige Schrift und die Tradition, die Zeichen der Zeit und der Glaubenssinn des Volkes Gottes, das Lehramt und die Theologie.“ Der Satz ist in sich zutreffend, steht aber an einer Stelle, an der es um die Grundlagen des Synodalen Weges geht. Es kann der Eindruck entstehen, dass hier die Theologie an die Stelle des Lehramtes gesetzt wird. Es folgen dann einige Passagen, in denen spürbare Kritik am kirchlichen Lehramt geäußert wird, nicht aber an der Theologie.
Unterschiede: Theologie und Lehramt
An einer weiteren Stelle wird das Problem noch deutlicher. In Nr. 59 heisst es: „Deshalb wird im Synodalen Weg versucht, auf differenzierte Weise theologische Argumentationen vorzulegen, die auch dem Lehramt helfen sollen, bisherige Äußerungen im Licht wissenschaftlicher Erkenntnisse und Reflexionen zu überprüfen und über eine mögliche Veränderung der Positionen nachzudenken.“
Dieser Satz trifft hinsichtlich des Auftrages der Theologie zu, aber nicht hinsichtlich des Synodalen Weges. Denn diese Passage wirkt – nicht nur den Worten nach – wie eine Instrumentalisierung des Synodalen Weges durch wortführende Vertreter der Theologie. Der Satz beantwortet auch die Frage eindeutig, wie sich der Synodale Weg selbst versteht: als Vertretung der Theologie, nicht des Lehramtes. Folgerichtig kann er sich dann aber nicht in die Aufgabe des Lehramtes transformieren, was er bisher massiv für sich beansprucht. Denn in den unterschiedlichen Foren des Synodalen Weges werden weitreichende Forderungen aufgestellt, die im Widerspruch zu Überlieferung und Lehramt der Kirche stehen.
Bekräftigt wird diese Sichtweise erneut in Nr. 63 des Orientierungstextes: „In dem hier vorliegenden Text sind theologische Kriterien benannt worden, die für die Arbeit der Foren des Synodalen Weges und die Erstellung ihrer Beschlusstexte leitend sind.“ Diese Beschlüsse liegen also auf dem Niveau der Theologie und haben mit der besonderen Verantwortung, in welcher das kirchliche Lehramt in der Nachfolge des von den Aposteln überlieferten Glaubens steht, nichts zu tun.
Hier kommt ein unüberbrückbarer Widerspruch zu dem Anspruch des Synodalen Weges zum Ausdruck. Denn bei ausreichenden Mehrheitsbeschlüssen haben alle Bischöfe die Vorgaben des Synodalen Weges unverkürzt in den jeweils zuständigen Bistümern umzusetzen. Dabei handelt es sich ohnehin um einen sehr umstrittenen Vorgang. Denn die Bischöfe wären in Konsequenz an die Mehrheitsbeschlüsse gebunden, auch wenn diese gegen ihr bischöfliches Versprechen verstoßen könnten, die Lehre der Apostel treu zu bewahren.
Heilige Schrift wird relativiert
Die Sorge um die Zukunft des kirchlichen Lehramtes äußerte der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer. In seiner Predigt am 26. September 2021 im Regensburger Dom berichtete er über den Synodalen Weg: „Vom Präsidium wurden eine Präambel und ein Orientierungstext vorgelegt, in dem die theologischen Grundlagen erörtert werden. Da wird, ich muss es so sagen, die Bibel, unsere Heilige Schrift, mit einer hinter das II. Vatikanische Konzil zurückfallenden Offenbarungstheologie relativiert. Der Text beruft sich zwar einerseits auf die historisch-kritische Exegese, aber andererseits – verhängnisvoll – auf die zeitliche und kulturelle Distanz, vor allem aber auf eine Hermeneutik der Vielfalt ohne Dogma. Damit verliert die Heilige Schrift ihren Charakter als Urkunde und Fundament unseres Glaubens.“
Die so genannte MHG-Studie, also eine wissenschaftliche Studie zum sexuellen Missbrauch, werde dagegen kritiklos als quasi-unfehlbares Dogma zum Ausgangspunkt aller Bemühungen erklärt. Dabei werde unterschlagen, dass es in der katholischen Kirche seit Jahren ein ernsthaftes und auch erfolgreiches Bemühen um Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs und um Prävention gebe. „Dass jetzt von interessierter Seite weiter so getan wird, als sei bislang eigentlich nichts geschehen, und die Besonderheiten der katholischen Kirche systemisch dafür verantwortlich gemacht werden, nährt meinen Verdacht, dass hier der sexuelle Missbrauch instrumentalisiert wird zum Versuch der Umgestaltung der katholischen Kirche nach dem Vorbild evangelischer Kirchenordnungen“, sagte Rudolf Voderholzer.
Rütteln an den drei Glaubensgrundlagen
Der katholische Glaube ruht auf drei Fundamenten: Überlieferung, Heilige Schrift und Lehramt von Papst und Bischöfen. An allen drei Glaubensgrundlagen wird derzeit gerüttelt. Um Fragwürdigkeiten des synodalen Orientierungstextes zu verstehen, ist ein Blick in den Katechismus der katholischen Kirche erforderlich. Dort heißt es in Nr. 83: „Die Überlieferung (oder Tradition), von der wir hier sprechen, kommt von den Aposteln her und gibt das weiter, was diese der Lehre und dem Beispiel Jesu entnahmen und vom Heiligen Geist vernahmen. Die erste Christengeneration hatte ja noch kein schriftliches Neues Testament, und das Neue Testament selbst bezeugt den Vorgang der lebendigen Überlieferung.
Die theologischen, disziplinären, liturgischen oder religiösen Überlieferungen (oder Traditionen), die im Laufe der Zeit in den Ortskirchen entstanden, sind etwas anderes. Sie stellen an die unterschiedlichen Orte und Zeiten angepaßte besondere Ausdrucksformen der großen Überlieferung dar. Sie können in deren Licht unter der Leitung des Lehramtes der Kirche beibehalten, abgeändert oder auch aufgegeben werden.“
Hier wird also im Katechismus ausdrücklich von zwei Überlieferungen/Traditionen unterschieden: „der Überlieferung/Tradition“, die von Jesus stammt und von den Aposteln weitergegeben wurde. Sie ist unveränderlich. Und zweitens werden regionale Überlieferungen genannt, die veränderbar sind.
Der Orientierungstext stellt dieses Hauptfundament des Glaubens völlig anders dar. Dort heißt es: „Die Tradition gibt es nicht ohne, sondern nur in den vielen Traditionen; aber damit die Tradition in ihnen und aus ihnen erkannt werden kann, bedarf es der Traditionskritik. Sie ist Teil der ständigen Neuorientierung der Kirche am Zeugnis der Heiligen Schrift angesichts der Zeichen der Zeit.“
Irreführende Behauptung
Hier wird nicht nur Verwirrung gestiftet, sondern auch eine irreführende Behauptung aufgestellt: Demnach gäbe es nicht nur eine unveränderbare, sondern viele interpretier- und veränderbare Traditionen. – Geschieht so etwas aus Nachlässigkeit oder mit Absicht? Haben das die zahlreich beteiligten Theologen und Bischöfe übersehen?
Wichtig sind auch die darauf folgenden Aussagen des Katechismus (Nr. 84 bis 85): „Das in der Heiligen Überlieferung und in der Heiligen Schrift enthaltene ’heilige Erbe’ des Glaubens ist von den Aposteln der Kirche als ganzer anvertraut worden. … Die Aufgabe aber, das geschriebene oder überlieferte Wort Gottes authentisch auszulegen, ist allein dem lebendigen Lehramt der Kirche – das heißt den Bischöfen in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri, dem Bischof von Rom – anvertraut (DV 10)…“
Der Katechismus enthält die maßgebliche Definition des katholischen Glaubens. Wer die Gültigkeit der entscheidenden Grundlagen der Kirche relativiert, kann ihre Lehre verändern. Die im Orientierungstext erwähnten „Zeichen der Zeit“ stellen übrigens „keine Offenbarung dar“, wie Kardinal Kasper bei einem Studientag im vergangenen Herbst erwähnte. Das Konzil habe ihre Bedeutung betont, aber „sie erhalten vom Evangelium her ihre Deutung“, so Kardinal Walter Kasper.
Umgestaltung von der Hierarchie zur Demokratie
Nach den bisherigen Abstimmungsergebnissen entfernt sich die katholische Kirche in Deutschland von den weltkirchlich gültigen Glaubensüberzeugungen. Auch die Mehrheit der deutschen Bischöfe beteiligt sich bislang daran – entgegen ihren bisherigen mit dem Lehramt übereinstimmenden Äußerungen. In der zweite Folge unserer Serie geht es zunächst um den Themenbereich „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“.
Der Synodale Weg rüttelt nicht nur am Verständnis von katholischer Überlieferung und Heiliger Schrift, sondern auch am dritten Fundament der katholischen Kirche, der Lehr- und Leitungsvollmacht der Bischöfe. Die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hatten im Herbst 2019 eine Satzung beschlossen und die vier Themen- und Handlungsfelder festgelegt: „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag“, „Priesterliche Existenz heute“, „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“, „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“.
Für das erste Themengebiet „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“ wurden – bis vier Wochen vor der dritten Synodalversammlung – ein „Grundtext“ sowie acht „Handlungstexte“ veröffentlicht. Die Handlungstexte haben folgende Themen:
- „Einbeziehung der Gläubigen in die Bestellung des Diözesanbischofs“
- „Synodalität nachhaltig stärken“
- „Gemeinsam beraten und entscheiden“
- „Rahmenordnung für die Diözesanfinanzen“
- „Ombudsstelle zur Prävention und Aufarbeitung von Machtmissbrauch durch Verantwortliche in der Kirche“
- „Rahmenordnung für Rechenschaftslegung“
- „Predigtordnung“
- „Rechtswegegarantie“
Der Grundtext zum Themenbereich „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“ stellt anfangs eine weit reichende Aussage in den Debattenraum des Synodalen Weges, die begründet wird mit einer großen Anzahl an Kirchenaustritten: „Eine Veränderung der kirchlichen Machtordnung ist aus Gründen gelingender Inkulturation in eine demokratisch geprägte freiheitlich-rechtsstaatliche Gesellschaft geboten.“ Die Kirche soll also demokratisch aufgebaut werden, zumindest als Zweitstruktur neben ihrem bisherigen hierarchischen Aufbau. Und: Die Kirche muss sich in die freiheitliche, demokratische Gesellschaft einfügen, nicht umgekehrt. Das klingt auf den ersten Blick modern, zeitgemäß, vielleicht selbstverständlich und alternativlos. Aber trifft es die Wirklichkeit? Welche Bereiche unseres Lebens sind – außerhalb des parlamentarischen Raumes – primär freiheitlich und demokratisch? Rangordnungen sind weit häufiger als parlamentarische Gebilde. In jeder Firma gibt es eine Rangordnung, angefangen vom Handwerksbetrieb bis zum Weltkonzern. Warum also diese einseitige Idealisierung? Zumal der Beruf des Politikers und damit des Parlamentariers hierzulande unter allen Berufsgruppen über das geringste Ansehen verfügt. Es fehlen Begründungen, es gibt nur eine Behauptung.
Was „Hierarchie“ wirklich bedeutet
Die geplante Umwandlung der katholischen Kirche von einer hierarchischen in eine demokratische Ordnung ist aber alles andere als einfach. Denn sie verstößt gegen das Gesetz, genauer das Grundgesetz der katholischen Kirche: die Beschlüsse des 2. Vatikanischen Konzils. Wer eine grundgesetzlich bestehende Ordnung planvoll beseitigen will, macht sich zum Extremisten und Verfassungsfeind. Ein harter Vorwurf, der einer intensiven Begründung bedarf. Ein Blick in die dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, gibt die Antwort.
Zunächst aber lohnt eine Begriffserklärung. Das Wort „Hierarchie“ leitet sich aus der altgriechischen Ursprungsbedeutung ab, welche nicht die Herrschaft der Hierarchen, sondern des Heiligen Geistes bezeichnet. „Die Macht geht weder vom Volk aus noch ist der Bischof Herr der Synode“, erläuterte Kardinal Walter Kasper beim Studientag der Initiative „Neuer Anfang“ im vergangenen Herbst. Hierarchie sei kein Privileg, sondern bringe vielmehr den Bischof, der für die apostolische Lehre eintrete, ins Schussfeld der Kritik. „Wer der Erste sein will, soll der Diener aller sein“, zitierte Kardinal Walter Kasper das Neue Testament. Leiten heiße nicht kommandieren, diktieren, regieren. „Leiten heißt inspirieren, motivieren, den Geist des Evangeliums exemplarisch vorleben.“ Der 1. Petrusbrief mahne: „Seid nicht Beherrscher eurer Gemeinden, sondern Vorbilder für die Herde.“
Nun lässt sich gewiss darüber streiten, ob dieses hierarchische Dienstverständnis allgemein in der Kirche gelebt wird. Falls es nicht zutrifft, muss an der Praxis angesetzt werden; Bewusstsein und Amtsverständnis müssten angepasst werden, und nicht die Struktur der Kirche!
Also das Hören auf Gottes Geist muss oberste Priorität haben. „Synodalität ist nicht einmal die Suche nach einem Mehrheitskonsens, das macht ein Parlament, wie es in der Politik der Fall ist. Nein. Es ist ein Stil, den man sich aneignen muss, dessen Hauptakteur der Heilige Geist ist, der sich vor allem im Wort Gottes ausdrückt, das man liest, über das man nachdenkt und das man gemeinsam teilt.“ Das sagte Papst Franziskus am 13. Januar 2022 in Rom.
Weg unter der Führung des Heiligen Geistes
Auch das Wort Synode hat er bereits bei seiner Rede zum 50-jährigen Bestehen der Synode, in der Apostolischen Konstitution Episcopalis communio und im Brief an die Katholiken in Deutschland erläutert: „Es handelt sich im Kern um einen synodos, einen gemeinsamen Weg unter der Führung des Heiligen Geistes.“
Kurienkardinal Kurt Koch hat in der Februar-Ausgabe 2022 des Vatikan-Magazin das Thema Synodalität aufgegriffen und hervorgehoben: „Während das demokratische Verfahren vor allem der Ermittlung von Mehrheiten dient, ist Synodalität ein geistliches Geschehen. Wir hören, wir diskutieren in Gruppen, aber vor allem anderen achten wir darauf, was der Geist uns zu sagen hat.“
Eine Synode sei deshalb „kein Parlament, wo man sich auf Verhandlungen, auf die Aushandlung von Absprachen oder Kompromissen stützt, um einen Konsens oder eine gemeinsame Vereinbarung zu erreichen. Die einzige Methode der Synode ist dagegen, sich mit apostolischem Mut, evangeliumsgemäßer Demut und vertrauensvollem Gebet dem Heiligen Geist zu öffnen, damit er es sei, der uns führt.“
Die Kirche brauche einen tiefen inneren Austausch: einen lebendigen Dialog zwischen den Hirten sowie zwischen den Hirten und den Gläubigen.“ Damit sei auch evident, dass Synodalität keinen Gegensatz zur hierarchischen Struktur der Kirche darstelle, sondern dass vielmehr Synodalität und Hierarchie sich wechselseitig fordern wie fördern.
Kardinal Walter Kasper hat es am 17. September 2021 ähnlich ausgedrückt: „Wenn wir wirklich einen Aufbruch wollen, brauchen wir nach synodaler Tradition am Ende eine einmütige Antwort, die nicht spaltet.“
Im Grundtext des Synodalen Weges zum ersten Themenbereich heißt es weiter: „Im Zentrum des Problems steht die Art und Weise, wie Macht – Handlungsmacht, Deutungsmacht, Urteilsmacht – in der Kirche verstanden, begründet, übertragen und ausgeübt wird. Es haben sich eine Theologie der Kirche, eine Spiritualität des Gehorsams und eine Praxis des Amtes entwickelt, die diese Macht einseitig an die Weihe bindet und sie für sakrosankt erklärt.“
Konzil: Bischöfe sollen Hirten sein
Diese Formulierungen belegen deutlich, dass sich die Verfasser mit dem Wesen der katholischen Kirche schwer tun. Das 2. Vatikanische Konzil hat in seiner dogmatischen Konstitution „Lumen Gentium“ erklärt: „Diese Heilige Synode lehrt und erklärt feierlich …, dass der ewige Hirt Jesus Christus die heilige Kirche gebaut hat, indem er die Apostel sandte wie er selbst gesandt war vom Vater. Er wollte, dass deren Nachfolger, das heißt die Bischöfe … Hirten sein sollten.
Damit aber der Episkopat selbst einer und ungeteilt sei, hat er den heiligen Petrus an die Spitze der übrigen Apostel gestellt und in ihm ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft eingesetzt. Diese Lehre über Einrichtung, Dauer, Gewalt und Sinn des dem Bischof von Rom zukommenden heiligen Primates sowie über dessen unfehlbares Lehramt legt die Heilige Synode abermals allen Gläubigen fest zu glauben vor “ (LG 18).
Ergänzend stellt das Konzil (LG 20) über das dreifache Amt Christi fest: „Die Bischöfe haben also das Dienstamt in der Gemeinschaft zusammen mit ihren Helfern, den Priestern und den Diakonen, übernommen. An Gottes Stelle stehen sie der Herde vor, deren Hirten sie sind, als Lehrer in der Unterweisung, als Priester im heiligen Kult, als Diener in der Leitung. Aus diesem Grunde lehrt die Heilige Synode, daß die Bischöfe aufgrund göttlicher Einsetzung an die Stelle der Apostel als Hirten der Kirche getreten sind. Wer sie hört, hört Christus, und wer sie verachtet, verachtet Christus und ihn, der Christus gesandt hat“ (vgl. Lk 10,16). Eine Gewaltenteilung im rechtsstaatlichen Sinn ist daher mit der Sendung des Bischofs oder Priesters nicht vereinbar, Christus in dreifacher Weise zu repräsentieren.
Jesus sendet also die Apostel aus, die er sich selbst ausgesucht hat. Sie sollen allen das Evangelium verkünden, und er verheisst dazu den Heiligen Geist. Drei Jahre lang lebt er mit ihnen zusammen und bereitet sie so auf das apostolische Amt vor. Sie erleben die ständigen Auseinandersetzungen mit, in die Jesus gerät. Es sind nicht die Ungläubigen, die ihm Probleme bereiten, sondern der Meinungsstreit um das richtige Gottesbild und das Verständnis seiner Offenbarung.
Nach seiner Himmelfahrt hinterlässt Jesus kein Buch mit weisen Schriften, sondern überträgt die volle Verantwortung für seine Botschaft dem Zwölferkreis, der seine Verkündigung über viele Jahre zunächst mündlich fortsetzt. Die ausgewählten, vertrauenswürdigen Apostel tragen das Evangelium mit Mut und Überzeugungskraft in weite Teile der Welt. Mit einer Ausnahme sterben sie den Bekennertod. Es sind also sehr persönliche Eigenschaften von Menschen, die für die starke Ausbreitung der Frohen Botschaft sorgen. Wäre das Christentum heute die größte Weltreligion, wenn es demokratischen Gremien anvertraut worden wäre?
Damit wird dem Bischofsamt das Genick gebrochen
Heutige Bischöfe sind keine neuen Apostel, aber sie üben als deren Nachfolger ein apostolisches Amt aus. Sie sind an das ursprüngliche Glaubensgut gebunden. Bei ihrer Weihe versprechen sie feierlich, das überlieferte Evangelium zu bezeugen und zu bewahren.
„Die Bischofsweihe nimmt die ganze Person in Anspruch. Sie übermittelt keinen zeitlich begrenzten Job, den man, wenn es brenzlig wird, gleichsam an den Nagel hängen kann“, erklärte Kardinal Walter Kasper. Das Amt der Bischöfe entstamme also nicht der „Basis“, sondern der apostolischen Sendung, die bei der Bischofsweihe durch die Handauflegung und das Gebet übertragen werde. „Rein formal hat der Synodale Weg das Bischofsamt nicht aufgegeben, er hat es aber in seinem Wesen entkernt. Aufs Ganze gesehen ist der Bischof nach dem synodalen Text nicht viel anderes als ein auf Zeit gewählter und jederzeit abwählbarer Vorsitzender eines Aufsichtsrats. Damit ist der auf das Evangelium gegründeten Kirche und dem Bischofsamt das Genick gebrochen.“
Was veranlasst den früheren Kurienkardinal zu einer solch massiven Kritik? Schauen wir uns die geplanten Modelle einzeln an:
- Bereits bei der Bestellung eines neuen Bischofs sollen die Gläubigen maßgeblich beteiligt werden.
- Ein neues, möglichst geschlechter- und generationengerecht zusammengesetztes Gremium soll bei der Vorauswahl und Entscheidung über den neuen Diözesanbischof mitbestimmen.
- Auf Bundesebene wird ein „Synodaler Rat der katholischen Kirche in Deutschland“ eingerichtet; er trifft „Grundsatzentscheidungen zu Haushaltsfragen, die nicht auf der Ebene der Diözesen entschieden werden, sowie zu pastoralen Planungs- und Zukunftsperspektiven von überdiözesaner Bedeutung“. Fünf Ratsmitglieder nehmen an den Beratungen der Deutschen Bischofskonferenz teil.
- Auf Diözesanebene werden ebenfalls synodale Räte eingerichtet. In dem neuen Gremium werden alle Fragen zu Themen von bistumsweiter Bedeutung gemeinsam beraten und entschieden. Der synodale Rat der Diözese kann Beschlussvorlagen des Bischofs modifizieren oder eigene Beschlüsse zu Entscheidungen von bistumsweiter Bedeutung fassen. Kommt ein rechtswirksamer Beschluss nicht zustande, weil der Bischof ihm nicht zustimmt, findet eine erneute Beratung statt. Wird auch hier keine Einigung erzielt, kann der Rat mit einer Zweidrittelmehrheit dem Votum des Bischofs widersprechen.
- Auf Pfarreiebene werden ebenfalls synodale Räte eingerichtet, die in analoger Weise die Pfarrer kontrollieren.
- Der synodale Rat der Pfarrei und des Bistums wird von den wahlberechtigten Gläubigen in freien, gleichen und geheimen Wahlen gewählt. Der bundesweite synodale Rat wird von der Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken bestimmt.
Das parlamentarische Prinzip ist weder mit der Synodalität noch mit dem apostolischen Amt des Bischofs vereinbar. Die Entwertung der Lehr- und Leitungsvollmacht der Bischöfe gilt als besonders kritisch. Die Bischöfe Rainer Maria Kardinal Woelki und Bischof Rudolf Voderholzer entdecken darin den „Keim der Spaltung“ und befürchten, dass der deutsche Sonderweg zu einem Bruch mit der Universalkirche führen könnte. Bereits in ihrem alternativen Statuten-Entwurf vom 26. Juli 2019 weisen sie darauf hin.
Ursprünge der neuen Sexualmoral liegen weit länger zurück
Die apostolische Sendung des Bischofs stellen auch vier Mitwirkende des Synodalen Weges in den Blickpunkt: Marianne Schlosser, Alina Oehler, Weihbischof Florian Wörner und Stadtdechant Wolfgang Picken veröffentlichten am 24. August 2021 unter der Überschrift „Vollmacht und Verantwortung“ ihre alternativen Thesen zur Kirchenreform. Das Ideal der Verbindung von Leitungsamt und Weihe könne auch unterhalb der bischöflichen Ebene nicht beliebig zur Disposition gestellt werden, betonten sie gemeinsam. Die Hirten müssten nach einem Konsens streben, der nicht menschlicher Denkweise, sondern dem gemeinsamen Gehorsam gegenüber dem Geist Christi entspringe. Der „Sensus fidei“ des Volkes Gottes müsse sich von den oft wechselhaften Strömungen der öffentlichen Meinung unterscheiden, wie auch Papst Franziskus betont habe.
Die vier Mitwirkenden bemängeln außerdem, dass die jetzt diskutierte „tiefgreifende Umgestaltung der kirchlichen Sexualmoral“ Bestandteile einer Reformagenda seien, „deren Ursprünge weit vor der Missbrauchskrise liegen“. „Eine solche Verquickung der Interessen dient nicht dem ernsten Anliegen, mit dem der Synodale Weg begonnen wurde.“
Ganz praktische Einwände äußerte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf: „Kritisch sehe ich es dann, wenn ich mir Mehrheiten im Volk Gottes suchen muss, um zum Bischof gewählt zu werden. Denn dann werden diejenigen Bischof, die unbedingt Bischof werden wollen“, erklärte er gegenüber katholisch.de. „Wenn ich darüber hinaus dann vielleicht auch noch alle vier Jahre wie ein Kanzlerkandidat durchs Land reisen und Mehrheiten suchen müsste, dann kann ich mir das für mich selbst, aber auch für das Bischofsamt allgemein nicht vorstellen. Allein schon die Wahlversprechen, die Kanzlerkandidaten machen und mehr oder weniger einhalten, finde ich für Bischöfe problematisch.“ Und er fügte hinzu: „Wie die Taufe oder die Firmung ist auch die Bischofsweihe ein Sakrament, das unauslöschlich ist und nicht nach vier Jahren verfällt.“
Der Theologe Jan-Heiner Tück kritisierte die Entwürfe des Synodalen Weges in einem Beitrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Die Reformforderungen visieren letztlich eine andere Gestalt von Kirche an, die Rückfragen aufwirft. Zur Selbstverständlichkeit wurde, dass nichts, was die katholische Kirche in Deutschland betrifft, mehr selbstverständlich ist.“ Fraglich sei, „ob sich das Prinzip der Gewaltenteilung, Maßstab im politischen Raum, eins zu eins auf die hierarchische Verfassung der katholischen Kirche übertragen lässt. Das II. Vatikanum hat gerade die Untrennbarkeit von Weihe- und Hirtengewalt gelehrt.“
Laien mit bischöflicher Leitungsautorität?
Jan-Heiner Tück fragte weiter: „Schließlich kommt das Konstrukt eines Leitungsorgans, das paritätisch aus Bischöfen und Laien besetzt sein soll, einem kühnen Umbau der Kirchenverfassung gleich. Nach welchen Kriterien wird Laien quasi bischöfliche Leitungsautorität übertragen?“ Die Bischöfe würden als Mitglieder des Bischofskollegiums der Gesamtkirche in schwere Konfliktlagen geraten, wenn der Synodale Rat als eine Art Gegenlehramt auftrete, das gezielt von universalkirchlichen Vorgaben abweiche.
Der Theologe Michael Karger befürchtete in einem Beitrag in der „Tagespost“ vom 30. September 2021, faktisch solle „die Kirchenverfassung durch ein parlamentarisches Rätesystem ersetzt werden“ und sprach von einem „geplanten verfassungsmäßigen Umsturz“. Die Methodik des Synodalen Weges sei vollständig von der marxistischen „Kritischen Theorie” abhängig und speise sich aus der „Wut gegen alles Bestehende“.
Alle, die Bestehendes verteidigen, würden als unsensibel sowie als Verteidiger überkommener Privilegien und Machtpositionen gelten. Zuletzt würden die „Machthaber“ als Komplizen der Vertuschung des Missbrauchs moralisch ins Abseits gestellt. Ihre Äußerungen seien nur noch Symptome eines falschen Bewusstseins und hätten keinesfalls Standpunkte, die aus Verantwortung vor Gott vorgetragenen würden.
Michael Karger wies auf folgende Situation hin: „Fügt sich der Bischof beziehungsweise Pfarrer nicht den Erwartungen des Synodalen Rates, kann er mit einem Misstrauensvotum zu Fall gebracht werden. Wenn der Synodale Rat mit Zwei-Drittel-Mehrheit feststellt, dass das Vertrauen nicht wiederhergestellt ist, gilt dies als Aufforderung an den Bischof, dem Papst seinen Rücktritt, respektive an den Pfarrer dem Bischof seinen Rücktritt anzubieten.“
Durch das Misstrauensvotum werde die Ernennung der Pfarrer durch den Bischof und der Bischöfe durch den Papst ausgehebelt. „Faktisch gibt es dann keinen Jurisdiktionsprimat des Papstes mehr. Einem ohnmächtigen Papst stehen dann nur noch synodenkonforme Bischöfe gegenüber.“
Mehrheitsbeschlüsse gegen Lehramt möglich
Das personale Gehorsamsversprechen des Priesters gegenüber dem Bischof und damit gegenüber dem apostolischen Glauben solle durch eine funktionale Verpflichtung auf die neue synodale Kirchenverfassung ersetzt werden, befürchtete Michael Karger in der „Tagespost“. Ein Bischof, der sich an das Lehramt gebunden sehe, könne dann mittels eines Misstrauensantrags vom Synodalen Rat abgesetzt werden. „Damit wäre dann die Lehre der Kirche faktisch durch Mehrheitsbeschluss abgelehnt, und es würde über Wahrheiten abgestimmt. Zugleich werde – entsprechend der marxistischen Religionskritik – kirchlicher Gehorsam als bloßes Machtinstrument fehlinterpretiert.
Den Spagat, einerseits von der Gesellschaft weiterhin akzeptiert zu werden und eine Rolle spielen zu dürfen und andererseits den christlichen Glauben bewahren zu wollen, versuche die Mehrheit der deutschen Bischöfe innerkirchlich mittels Liberalisierung über ein Kirchenparlament zu vollziehen. Widerstände würden als Ängstlichkeit psychologisiert, beschrieb Michael Karger.
Bischof Rudolf Voderholzer, der innerhalb und außerhalb des Synodalen Weges immer wieder durch kritische Debattenbeiträge hervortritt, sieht auch folgenden Konflikt: „Apostolizität der Kirche heißt freilich auch, dass es Verantwortung, Letztverantwortung gibt, und dass ich mich gerade auch als Bischof nicht hinter Räten oder anonymen Entscheidungsgremien verstecken darf, wenn es um zentrale Fragen des Glaubens und der Kirchengestaltung geht, sondern als Zeuge des überlieferten Glaubens dafür auch mit meiner ganzen Existenz und mit meinem Namen geradestehen muss.“ Das sagte er bei einer Predigt am 23. Januar 2021 im Regensburger Dom.
Beliebtheit ist nicht das Wichtigste
Die deutlichste Kritik am Synodalen Weg kam aus dem Ausland. Samuel J. Aquila, Erzbischof von Denver, schrieb einen offenen Brief an die katholischen Bischöfe. Die Kirche müsse der Versuchung widerstehen, ihre Lehre an den Vorlieben des Volkes anzupassen (Jer 5,30-31). Ihr müsse bewusst bleiben, „dass ihre Botschaft der Umkehr und des Heils nicht von allen geschätzt wird. Wir müssen bereit sein, missverstanden, verspottet, verunglimpft zu werden.“ Auch Paulus warne, „die Wahrheit zu verzerren“, um Anhänger zu gewinnen. Die Autorität der Apostel und ihrer Nachfolger komme von Jesus Christus.
Bischof Samuel J. Aquila ist überrascht über „die Freimütigkeit einiger Bischöfe, die radikale Veränderungen in der Lehre und Praxis der Kirche fordern.“ „Dies sind nur Symptome der tieferen Pathologien des Grundtextes und der theologischen Haltung des Synodalen Weges. Er schlägt in der Tat wirklich radikale Änderungen der Struktur der Kirche und ihres Verständnisses ihrer Sendung vor.“
Der US-Bischof sieht eine ausschnitthafte und tendenziöse Darstellung des Ursprungs und der Art des ordinierten Amtes, eine selektive und irreführende Interpretation der Konzilsdokumente, unhaltbare Ansichten über das Wesen der Kirche, ihrer Beziehung zur Welt und ihre Begründung in der göttlichen Offenbarung. „Das Ergebnis ist eine Vision von der Kirche, die Gefahr läuft, den Einzigen aufzugeben, der Worte des ewigen Lebens hat.“
Anpassung statt Leidensbereitschaft
Außerdem sieht er Schwächen in der Unterscheidung zwischen dem Priestertum der Getauften und dem Amtspriestertum. Der Erzbischof aus Denver erblickt darin eine Methode, die Leitung der Kirche zu demokratisieren und die Möglichkeit zu erwägen, Frauen zum Priestertum zuzulassen.
„Das Zweite Vatikanische Konzil hat in Lumen Gentium die hierarchische Konstitution der Kirche in der offensichtlichen Absicht Jesu Christi und des Heiligen Geistes selbst begründet. Es liegt daher nicht in der Zuständigkeit der Kirche, in Deutschland oder anderswo, sie grundlegend zu verändern“, erklärte Erzbischof Samuel J. Aquila.
Weiter kritisierte er: „Eine aufmerksame Lektüre des Grundtextes in seiner Gesamtheit macht es schwierig, die Schlussfolgerung zu vermeiden, dass die Synodalversammlung hofft, eine Kirche herbeizuführen, die, weit davon entfernt, die Verachtung der Welt für ihre Treue zu Christus zu erleiden, und die in erster Linie von der Welt beeinflusst und von ihr bequem als eine anerkannte Institution unter anderen akzeptiert wird. Die Kirche scheint nach Ansicht der Versammlung „dem Anspruch des Evangeliums und den Standards einer pluralen, offenen Gesellschaft in einem demokratischen Rechtsstaat“ gleichermaßen verpflichtet zu sein.“ Für die Nachfolger der Apostel gelte jedoch die Aufgabe, „nur das lehren, was sie auch empfangen haben“. Die wahrheitsgetreue Weitergabe der göttlichen Offenbarung sei also unmissverständlich an das apostolische Amt gebunden.
Fehltritt: „Abschaffung des Priesteramtes“
Interessant ist beim Synodalen Weg die Einordnung der Beschlussvorlage „Predigtordnung“ in die Hauptkategorie „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“. Die Frage, ob Laien bei einer Eucharistiefeier predigen dürfen, wird offenbar als Machtfrage verstanden. Dabei ist Macht keine Kategorie des Evangeliums, sondern allenfalls sind es Demut und Dienst.
Das mag veraltet klingen. Aber es bezeugt die Eigenart der Botschaft Jesu, die im Evangelium bezeugt wird: „Da rief Jesus die Jünger zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein“ (Mt 20, 25-27).
In dem Beschlussentwurf zur „Predigtordnung“ heißt es: „In Wort-Gottes-Feiern wird der Predigtdienst regelmäßig von nicht-geweihten Gläubigen übernommen, die zu diesem Dienst befähigt und beauftragt sind. Die Homilie, die amtliche Verkündigung in der Eucharistiefeier, sieht das Kirchenrecht „dem Priester oder dem Diakon vorbehalten“ (can. 767 § 1 CIC). Der Synodale Weg hält es laut Beschlussentwurf für geboten, auch die Qualifikationen und Begabungen derjenigen Getauften und Gefirmten zu nutzen, die nicht das Weihesakrament (Ordo) empfangen haben“.
Die deutschen Bischöfe sollen eine Erlaubnis (Indult) beim Heiligen Stuhl erwirken, die heute geltende Predigtordnung so zu ändern, dass auch in Eucharistiefeiern an Sonn- und Festtagen der Predigtdienst durch theologisch wie geistlich qualifizierte Gläubige übernommen werden kann, die vom Bischof beauftragt sind.
Laien können immer Glauben bezeugen
Laien können immer und überall – auch bei liturgischen Feiern wie Sonn- und Festtagsgottesdiensten – ihren Glauben bezeugen, zum Beispiel am Arbeitsplatz, im politischen Diskurs und im Freundes- und Bekanntenkreis. Das bekennende Zeugnis scheint allerdings weitgehend aus der Mode gekommen zu sein. Laien können ihre eigenen Kinder im Glauben unterrichten, ebenso nach Absprache Kindergottesdienste gestalten, sich an der Kommunionvorbereitung beteiligen und Firmunterricht erteilen. Es gibt fast unendliche Möglichkeiten, den eigenen Glauben weiterzugeben. Wie intensiv dies hierzulande genutzt wird, ist eine andere Frage. Vergleiche mit anderen Ländern innerhalb der Weltkirche können dazu anregend sein. Laien sind auch als Vorbeter regelmäßig in Eucharistiefeiern tätig, sie gestalten Andachten und leiten sogar Wort-Gottes-Feiern. Auch sonntags geschieht dies, wenn ein Priester oder Diakon nicht zur Verfügung steht. Dann können Laien auch predigen.
Es geht bei diesem Antrag allein um die Frage, ob auch Pastoral- oder Gemeindereferenten an Sonn- und Feiertagen zusätzlich bei einer Eucharistiefeier predigen dürfen. Der Antrag klingt ein wenig larmoyant, etwa in dem Sinn: Die Kirche schließt ohne wichtigen Grund Menschen aus.
Es gibt aber einen Grund: Die offizielle Verkündigung des Wortes Gottes ist eine der Hauptaufgaben der Priester und Diakone, die nicht nur dafür ausgebildet sind, sondern dafür eine Weihe erhalten haben. Und wenn sie schon anwesend sind, ist es vorrangig ihre Aufgabe.
Im letzten Satz des Antragstextes wird darauf hingewiesen, die gewünschte „Ordnung muss gewährleisten, dass keine Konkurrenz zwischen Priestern, Diakonen und anderen mit dem Predigtdienst Beauftragten entsteht“. Damit liegt bereits eine Begründung gegen das Begehren vor, weil es entstehende Probleme aufzeigt. Und die bestehende Regelung schafft Klarheit und Ordnung.
Auf der „Amazonas-Synode“ hat sich die Welt-Bischofssynode mit dem Thema befasst; in anderen Erdteilen ist es in abgelegenen Gegenden weit schwieriger, einen Priester zu finden. Papst Franziskus hat zwar die Arbeit der Laienkatecheten gestärkt, die er als Südamerikaner sehr schätzt. Der Essener Weihbischof Franz Grave berichtete zum Beispiel im Kolpingmagazin über die Arbeit der „Delegados de la Palabra“ in Mittel- und Südamerika und beschrieb dabei die Antwort eines Laienkatecheten auf die Anfrage einer mitreisenden Journalistin, „was er dafür bekomme“. In dem Bericht heißt es: „Da stutzte der Mann und verstand die Frage nicht. Als der Übersetzer die Frage deutlicher formuliert hatte, antwortete der Delegado, dass er kein Geld bekäme und auch nichts annehmen würde, schließlich sei das, was er tue, ein großes Geschenk. Dieses Beispiel macht deutlich, dass der Glaube ein Geschenk ist. Diese Vorstellung ist hierzulande wenig verbreitet“, berichtete das Kolpingmagazin.
Brauchen wir das Priesteramt?
Um „Priesterliche Existenz heute“ geht es im zweiten Themenbereich des Synodalen Weges. Besondere Aufmerksamkeit hat ein Beschluss der letzten Synodalversammlung erzeugt, der mit knapper Mehrheit beschlossen wurde und wörtlich so lautete: „Mit den eingebrachten Änderungsanträgen zum Priesteramt wurde beantragt: Das Forum soll sich mit der Frage auseinandersetzen, ob es das Priesteramt überhaupt braucht. Die Antragskommission empfiehlt, diesen Änderungsantrag anzunehmen.“ Dieser Zusatzantrag kam offenbar nicht zufällig. Wie CNA damals berichtete, stellten offizielle Teilnehmer der Synodalversammlung die Frage, ob die Kirche überhaupt das sakramentale Priestertum brauche. Begründet wurde diese Anfrage mit dem Hinweis, dass Laien dadurch von einer „Partizipation“ ausgeschlossen seien, während die „Machtstrukturen“ der Priester innerhalb der Kirche verfestigt würden.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und Co-Präsident der Synodalen Versammlung, Bischof Georg Bätzing, versuchte bei der anschließenden Pressekonferenz das Thema „abzuräumen“, wie er es formulierte, „weil in einigen Medien aufgeschlagen ist, die Synodalversammlung habe darüber abgestimmt, einen Antrag aufzunehmen, das Priesteramt abzuschaffen.“ Warum versucht er etwas zu dementieren, was genau so stattgefunden hatte?
Bischof Georg Bätzing erläuterte: „Bei dem Antrag ging es beileibe nicht um die Abschaffung des Priesteramtes. Denn es kann keine katholische Kirche ohne Priesteramt geben, und es wird sie nicht geben.“ Damit hat er das Thema nicht abgeräumt, sondern vielmehr begründet, wie unsinnig Antrag und Beschluss waren. Dass dies nachträglich nicht rückgängig zu machen war, haben viele nicht verstanden. Die meisten Medienvertreter haben das Thema tatsächlich „abräumen“ lassen und den peinlichen Fehltritt verschwiegen.
Ernst nehmen, was verhandelt wird
Martin Rothweiler hat bei katholisch.de kommentiert: „Hier geht es ans Eingemachte, an das Selbstverständnis von Kirche und Priestertum. Man kann diese Infragestellung des Priestertums nicht einfach als Fehlinterpretation abräumen, wie Bischof Georg Bätzing es auf der abschließenden Pressekonferenz versucht hat. Einen solchen Antrag stellt man nicht, wenn es nur darum ginge, die Bedeutung des Priesteramts inmitten des Volkes Gottes zu stärken. Der Antragskommission und den Synodalen muss man wenigstens noch zutrauen dürfen, einen Antrag so zu formulieren und zur Entscheidung zu stellen, wie er gemeint ist. Katholiken, ob Teilnehmer oder Beobachter, müssen schon noch ernst nehmen dürfen, was auf dem Synodalen Weg verhandelt wird. Und das bereitet zunehmend große Sorge.“
Neben einem Grundtext stehen im zweiten Themenbereich drei Anträge zur Debatte:
- „Versprechen der Ehelosigkeit im Dienst des Priesters“
- „Prävention und Umgang mit Tätern“
- „Persönlichkeitsbildung und Professionalisierung“
Die Diskussion über den Zölibat gibt es bereits seit Jahrzehnten. In dem Anfang Januar vorliegenden Antragtext heißt es: „Wir schätzen das gewachsene Zeugnis der priesterlichen Ehelosigkeit. Gleichzeitig hat uns die Missbrauchskrise gelehrt, dass der verpflichtende Zölibat dazu führen kann, überproportional viele Männer anzuziehen, die sich ihrer Sexualität, ihrer sexuellen Identität und Orientierung unsicher sind und die Auseinandersetzung damit vermeiden wollen. Der regressiv-unreife Typus als dritte Gruppe von Beschuldigten sexueller Übergriffe weist diese Merkmale auf. Daraus zieht die MHG-Studie den Schluss, dass die Verpflichtung zum Zölibat – nicht der Zölibat an sich – durch diese und andere Konstellationen sexuellen Missbrauch begünstigen kann.“ Ein kühne Behauptung, die wenig belegt ist. Gibt es außer der MHG-Studie weitere Quellen für diese folgenschwere Einschätzung? Immerhin beschreibt die MHG-Studie gleichzeitig, dass unter 38.156 Klerikern ein Anteil von 4,4 % des sexuellen Missbrauchs beschuldigt wurde. Aber 100 Prozent lebten – soweit nachvollziehbar – zölibatär. Das spricht für keine große Evidenz. Folglich heißt es in der MHG-Studie: „Allerdings sind weder Homosexualität noch Zölibat eo ipso Ursachen für sexuellen Missbrauch von Minderjährigen.“
Anteil homosexueller Täter überproportional
Wichtig ist der Hinweis der MHG-Studie, dass die „hohe Zahl männlicher Betroffener ein Indiz dafür ist, dass im klerikalen Kontext der Anteil homosexueller Angehöriger dieses Typus wahrscheinlich höher liegt als außerhalb der Kirche“. Die Evidenz spricht dafür, dass Homosexualität eine höhere Ursächlichkeit für pädophilen Missbrauch hat als der Zölibat. Darauf geht der Antrag des Synodalen Weges nicht ein. Im Gegenteil: Dazu mehr im vierten Themenbereich (Sexualität etc.).
Im Antrag „Versprechen der Ehelosigkeit im Dienst des Priesters“ werden folgende Beschlüsse vorgelegt:
- Stärkung des Bewusstsein der Gläubigen für den Wert der evangelischen Räte und damit des zölibatären Lebens für die Kirche insgesamt
- Aufhebung des Pflichtzölibats als Forderung an die Weltkirche
- Falls dem nicht entsprochen wird: weitere Entpflichtungen wie z.B. Priesterweihe von verheirateten Diakonen, Pastoralreferenten und Ehrenamtlichen („viri probati“).
- Entpflichtung von Priestern, die heiraten, von der Verpflichtung, dann ihr Amt aufzugeben.
Das Reform-Manifest der Initiative „Neuer Anfang“ erklärt dazu: „Der Dienst der Kirche an der Welt ist Laien und Priestern gemeinsam und ohne Unterschied in den Zielen und der Würde anvertraut. Trotzdem sollten Laien tun, was nur Laien tun können und Priester den Dienst leisten, wozu sie durch die Kirche berufen und durch die Weihe befähigt wurden. Der Synodale Weg verdunkelt diese spezifische Berufung des Priesters, indem er den Priester theologisch und strategisch marginalisiert und systematisch versucht, theologisch qualifizierte Laien ohne Weihe funktional in Priesterersatz‐Positionen hineinzuheben. Wir halten das für durchsichtigen Lobbyismus und wenden uns sowohl gegen die Laikalisierung des Priesters wie auch gegen die Klerikalisierung von Laien.“
Generalverdacht, Priesteranwärter seien unreifer?
Ein weiterer Antrag unter dem Titel „Prävention und Umgang mit Tätern“ befasst sich mit Präventionsarbeit in der Priesterausbildung und strengeren Regeln mit Priestern, „denen zwar kein strafrechtlich relevantes Verhalten nachgewiesen werden konnte, die jedoch ein grenzwertiges Verhalten zeigen“. Im dritten Antrag des Themenbereiches geht es um „Persönlichkeitsbildung und Professionalisierung“. Es wird auf einen Hinweis der MHG-Studie Bezug genommen, dass sexualisierte Gewalt oft in engem Zusammenhang mit einer unreifen und gestörten Persönlichkeit der Täter stehe.
Dass es mehr Bildungsangebote zur Persönlichkeitsbildung geben soll, wird einleuchten und niemand für anstößig halten. Ein Generalverdacht, Priesteranwärter seien unreifer als andere Menschen, oder gar eine Pathologisierung wären dagegen unangebracht.
Warum in diesem Zusammenhang Modelle für ein Leben als „Priester im Zivilberuf“ entwickelt werden sollen, erschließt sich angesichts des zunehmenden Priestermangels
nicht auf den ersten Blick. Zumal es das Lebensmodell eines „Arbeiterpriesters“ bereits seit 70 Jahren gibt, wahrscheinlich ohne vorherigen Beschluss am grünen Tisch.
Die Kirche in Deutschland auf dem Weg zur wohltätigen NGO?
Deutsche Bischöfe sehen einen „Keim der Spaltung“ und befürchten einen „drohenden Bruch mit der Universalkirche“ bei den bisher in dieser Serie behandelten Themen. Vom 3. bis 5. Februar tagt in Frankfurt die dritte Versammlung. Der Synodale Weg rüttelt im bisherigen Verlauf an den Fundamenten des katholischen Glaubens: Die vom 2. Vatikanischen Konzil hervorgehobenen Grundlagen der katholischen Identität werden relativiert. Wie sieht es mit der Bereitschaft aus, das päpstliche Lehramt zu achten?
Am 15. März 2021 hat die römische Glaubenskongregation ein Machtwort gesprochen – und klargestellt, dass eine Segnung von gleichgeschlechtlichen Beziehungen nicht möglich ist. Die Kirche verfüge „weder über die Vollmacht, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts zu segnen, noch kann sie über diese Vollmacht verfügen“, so das Schreiben des Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Luis Ladaria, das zugleich Papst Franziskus gutgeheißen hatte.
Wie ging die katholische Kirche in Deutschland mit dieser lehramtlichen Entscheidung um? Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, reagierte mit einer Presseerklärung, in der es hieß: „Der Synodale Weg, den die Deutschen Bischofskonferenz mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken auf den Weg gebracht hat, ist deshalb bestrebt, gerade das Thema gelingender Beziehungen in einer umfassenden Weise zu diskutieren, die auch die Notwendigkeit und die Grenzen kirchlicher Lehrentwicklung bedenkt. Die von der Glaubenskongregation heute vorgebrachten Gesichtspunkte müssen und werden selbstverständlich in diese Gespräche Eingang finden.“
Erzbischof von Denver, Samuel J. Aquila, hat diese Reaktion erstaunt. Warum? Er sieht darin eine völlig unangemessene Antwort. Denn nach Lehre der Kirche hat Gott das Glaubensgut längst geoffenbart und die Apostel beauftragt, dass es „für alle Zeiten unversehrt erhalten bleibt und allen Geschlechtern weitergegeben wird“. Dies hat das 2. Vatikanische Konzil als oberstes Lehramt der Kirche festgehalten (DV 7). Die Erwartung des US-Erzbischofs: „Das Glaubensgut wird vom Lehramt treu und endgültig interpretiert“, schrieb Erzbischof Samuel J. Aquila. Er reagierte enttäuscht darauf, dass er „die Rolle des Lehramtes der Kirche als eine Rolle der Dialogmoderation vorstellt.“ Die gemeinsame Antwort von Glaubenskongregation und Papst als eine gleichberechtigte Meinung von vielen beim Synodalen Weg?
Lehramt nur eine „Meinungsäußerung“
Sein Eindruck: „Die Entscheidung der Glaubenskongregation, die Ausdruck des ordentlichen päpstlichen Lehramtes ist, fügt somit nur ‚Geschichtspunkte‘ hinzu, die in die Erwägung der Versammlung eingehen werden.“ Der US-Bischof geht über eine solche Reaktion nicht achselzuckend hinweg, sondern weist hin auf die „Verantwortung der Bischöfe in Gemeinschaft mit dem Papst, allein autoritativ zu lehren“. Er begründet das mit der Haltung des Apostels Paulus, wonach Bischöfe nur das lehren dürfen, was sie auch empfangen haben (vgl. 1 Kor 15,3). „Wie ihr Herr müssen sie sagen können: Meine Lehre stammt nicht von mir, sondern von dem, der mich gesandt hat“ (Joh 7,16).“
In Deutschland ist diese Reaktion gar nicht aufgefallen, zumindest nicht skandalisiert worden. Im Gegenteil: Der US-Bischof entdeckt in dem Grundtext des synodalen Themenbereiches „Macht“ ein noch „beunruhigenderes Bekenntnis zu einem expliziten, radikalen Relativismus der Lehre“. Der Grundtext behauptet, es gebe „nicht die eine Zentralperspektive, nicht die eine Wahrheit der religiösen, sittlichen und politischen Weltbewährung und nicht die eine Denkform, die den Anspruch auf Letztautorität erheben kann. Auch in der Kirche können legitime Anschauungen und Lebensentwürfe sogar bei Kernüberzeugungen miteinander konkurrieren. Ja, sie können sogar zugleich den jeweils theologisch gerechtfertigten Anspruch auf Wahrheit, Richtigkeit, Verständlichkeit und Redlichkeit erheben und trotzdem in der Aussage oder in der Sprache widersprüchlich zueinander sein.“ Der Erzbischof aus Denver empfindet dieses Bekenntnis zum Un-Glauben als „bemerkenswert“ und „absurd“.
Synodaler Weg: höhere Verbindlichkeit als ein Konzil?
„Trotz Lippenbekenntnissen zur Autorität der Schrift und der Tradition ist es offensichtlich, dass der Interpretationsansatz der Synodalversammlung formbar genug ist, um ihnen jeden wirklich entscheidenden Inhalt zu nehmen.“ Erzbischof Samuel J. Aquila weist dann auf einen Widerspruch hin, hier kurz sinngemäß zusammengefasst wird: Einerseits behauptet der Synodale Weg, es lasse sich nichts verbindlich über die göttliche Offenbarung aussagen, andererseits könne aber der Synodale Weg verbindliche Entscheidungen für die Kirche zu treffen. „Am Ende lässt uns die Synodenversammlung fragen: Hat Gott zu seinem Volk gesprochen oder hat er es nicht getan?“
Für den US-Bischof gibt es keinerlei Anlass zum Zweifel: „Gott hat wirklich zu seinem Volk gesprochen.“ Durch den Mensch gewordenen Gottessohn. „Diese Offenbarung wurde zuverlässig – unversehrt (Dei Verbum Nr. 7, 9) – in Schrift und Tradition weitergegeben. Gott hat für diese glaubwürdige Bewahrung des Evangeliums gesorgt“, so die Antwort des katholischen Erzbischofs aus Denver.
Hier spricht Erzbischof Samuel J. Aquila einen zentralen Punkt an: Das Zweite Vatikanische Konzil hält unmissverständlich daran fest, dass die Weitergabe der göttlichen Offenbarung durch die Sukzession der Bischöfe von den Aposteln her gewährleistet ist. Von der Synodalversammlung werde aber die treue Weitergabe als Zweck des päpstlichen Lehramtes in Frage gestellt.
Der US-Bischof erinnert deshalb an eine Ansprache von Papst Franziskus kurz nach seiner Wahl am 14. März 2013: „Wir können vieles aufbauen, aber wenn wir nicht Jesus Christus bekennen, geht die Sache nicht. Wir werden eine wohltätige NGO, aber nicht die Kirche, die Braut Christi. – Wenn wir ohne das Kreuz gehen, wenn wir ohne das Kreuz aufbauen und Christus ohne Kreuz bekennen, sind wir nicht Jünger des Herrn: Wir sind weltlich, wir sind Bischöfe, Priester, Kardinäle, Päpste, aber nicht Jünger des Herrn.“
Verhältnis der Kirche in Deutschland zum Lehramt
Um das Verhältnis der Kirche in Deutschland zum Lehramt der Kirche geht es – zumindest im Ergebnis – auch beim dritten Themenbereich der Synodalen Weges. Er steht unter der Überschrift „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“. Zu Beginn des Grundtextes heißt es: „Geschlechtergerechtigkeit als Grundlage aller künftigen Handlungsweisen in der Römisch-katholischen Kirche einzufordern, ist der Leitgedanke der folgenden Ausführungen.“
Betroffenheitsrhetorik ist gegenwärtig ein beliebtes Stilmittel, um Emotionalität auszulösen und Unterstützung zu aktivieren. Sie wird auch an einigen Stellen des Grundtextes spürbar. So heißt es dort zum Beispiel: „Dem eigenen Empfinden nach von der amtlichen Christusrepräsentation ausgeschlossen zu sein, betrachten gegenwärtig viele Frauen als skandalös.“ Ein völliges Gleichheitsapostulat steht gegenwärtig hinter vielen kontroversen Debatten. Und da niemand gerne andere Leute ausschließen will, wird diesem soziologischen Argument gerne zugestimmt. Mit Theologie hat dies nichts zu tun.
Dorothea Schmidt, Teilnehmerin des Synodalen Weges und Autorin des Buches „Pippi-Langstrumpf-Kirche. Meine Erfahrungen auf dem Synodalen Weg“, erklärte: „Gleiche Rechte, gleiche Würde. – Würde hat Gott in jeden Menschen schon längst eingeschrieben. Die kommt und geht nicht mit Ämtern, Aufgaben und sonst etwas. Sie ist da! Ich hätte als Professor nicht mehr Würde als eine Putzfrau. Kann natürlich sein, dass die Putzfrau ihre Aufgabe würdevoller verrichtet. Aber die synodale Mehrheit koppelt Würde an eine (selbst definierte) Gleichberechtigung und lässt sich davon auch nicht abbringen: So, als müssten wir Würde erst machen.“
Schlechtes Gewissen bereitet den Nährboden
Auch ein schlechtes Gewissen bereitet den Nährboden für Veränderungen. Wie lässt sich mit Argumenten widerlegen, wenn im Grundtext von einem „Gefahrenpotential in Lehre und System der Römisch-katholischen Kirche“ gesprochen wird? „Missbrauch geschieht in spezifischen Macht- und Geschlechterkonstellationen“, heißt es dort. „In Seelsorgebeziehungen besteht ein komplexes Macht- und Abhängigkeitsverhältnis, Mädchen und Frauen begegnen vorwiegend männlichen Seelsorgern… der Beichtstuhl wurde für nicht wenige Mädchen und Frauen zum Ort des Grauens“. Für Missbrauchsopfer könne allein die Teilnahme an der liturgischen Feier „erneut traumatisierend“ wirken. Es kann solche Fälle geben. Muss deshalb die 2000 Jahre alte Lehre der katholischen Kirche umgeworfen werden? Darf die Empathie mit den Opfern als Werkzeug gegen die kirchlichen Lehraussagen angewandt werden?
Die Frage der Priesterweihe für Frauen beschäftigt die katholische Kirche schon länger – obwohl bei einer 2000-jährigen Geschichte 50 oder gar 100 Jahre nicht unbedingt einen langen Zeitraum bilden. Bereits Edith Stein befasste sich mit dieser Frage, wobei von Befürworterinnen des Frauenpriestertums ein verkürztes Zitat der Heiligen kursiert, das angeblich ihre Zustimmung beweist.
Eher trifft das Gegenteil zu: Zum Weiheamt für Frauen – hauptsächlich hinsichtlich einer Diakonenweihe – äußert sie sich vorsichtig: „Dogmatisch scheint mir nichts im Wege zu stehen…“ An dieser Stelle wird dann das Zitat abgebrochen. Anschließend sagt die zitierte Heilige: „Dagegen spricht die gesamte Tradition von den Urzeiten bis heute, für mein Gefühl aber noch mehr als dies die geheimnisvolle Tatsache, die ich schon früher betonte: dass Christus als Menschensohn … ein Mann war – das scheint mir darauf hinzuweisen, dass er zu seinen amtlichen Stellvertretern auf Erden nur Männer einsetzen wollte. Wie er aber einer Frau sich so nahe verbunden hat wie keinem andern Wesen auf Erden…“
Weihe von Frauen: prompte Reaktion
Als Anfang der 1970-er Jahre mit anglikanischen Bischöfen erstmals Kirchen mit sakramentalem Amtsverständnis sich dazu berechtigt hielten, von einer fast 2000-jährigen Tradition abzuweichen, Frauen zum Diakonat zu weihen und auch die Weihe zum Presbyterat in Erwägung zogen und damit den ökumenischen Konsens mit der katholischen ebenso wie mit den orthodoxen Kirchen aufkündigten, reagierte sofort das römische Lehramt. Papst Pauls VI. schrieb einen Brief an den Erzbischof von Canterbury. Im Jahr 1976 folgte das Schreiben der Glaubenskongregation „Inter insigniores“.
Darauf folgte das Apostolischen Schreiben „Ordinatio sacerdotalis“ vom 22. Mai 1994. Darin erklärt Papst Johannes Paul II. unter Berufung auf „Inter insigniores“ und die gesamte Lehrtradition der Kirche sowie auf die eigene Autorität, „dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.“
Nun wissen wir durch mehrere Beispiele, dass wichtige – auch geweihte – Katholiken in Deutschland einen Spruch des obersten Lehramtes eher als eine Meinung unter vielen betrachten – und mit ihr nicht wie mit einer Anweisung aus der obersten Konzernleitung umgehen. Sie geben so unabsichtlich Zeugnis davon, wie harmlos und wenig angsteinflößend oder schrecklich das häufig gescholtene „Regiment“ der römischen Kirche in Wirklichkeit empfunden wird.
Maria ist bedeutender als Bischöfe
Das Reform-Manifest des „Arbeitskreises christliche Anthropologie“ wirft mit wenigen Worten die Argumentation der Romkritiker über den Haufen: „Dem Beispiel Jesu folgend, muss das Charisma von Frauen in der Kirche noch tiefer erkannt werden. Es ist aber abwegig, die Zuweisung des priesterlichen Dienstamtes an Männer als Diskriminierung von Frauen zu deuten. Frauen dürfen in der Kirche nicht Menschen zweiter Klasse sein. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass Frauen auf allen Ebenen in der Kirche die gleichen Rechte und Pflichten wie Männer haben und selbstverständlich auch an leitender Stelle handeln können. Der Synodale Weg setzte sich dafür ein, – leider setzt er sich jedoch auch über eine altkirchliche, durch Konzilien gedeckte und von allen Päpsten der Neuzeit mitgetragene bindende Lehraussage aus Ordinatio sacerdotalis hinweg, „die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft“, dass nämlich „die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.“ Diese finale Lehräußerung ist keine Diskriminierung von Frauen. Dass der Priester, der Christus symbolisch repräsentiert, Mann sein muss, ist stimmig. Frauen sind auf eigene Weise Abbild Gottes.“
Dazu sagte Papst Franziskus: „Tatsächlich ist eine Frau, Maria, bedeutender als die Bischöfe.“ Dass er die Praxis der Frauenordination für schismatisch hält, hat Papst Franziskus deutlich gemacht. Seine Aussage bezog sich auf die Altkatholiken, die den Entscheidungen des I. Vatikanums nicht gefolgt seien. Das führte ins Schisma, denn, so der Papst: „Heute ordinieren sie Frauen.“
Kirche ist „Stiftung des Herrn“
Die Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz argumentiert mit John Henry Newman: „Solange die apostolische Kirche, die auf Petrus gegründet wurde, als Stiftung des Herrn geglaubt wird, gibt sie den Ausschlag. Das entbindet nicht von einer inhaltlichen Vertiefung und Plausibilisierung der päpstlichen Entscheidungen. Aber doch entbindet es von einem Wiederholen immer derselben Argumente, die schon mehrfach begründet abgewiesen wurden.“ Beim Thema Geschlechtergerechtigkeit orientiert sich der Grundtext lieber an „Sozialwissenschaften, Kulturwissenschaften und Humanwissenschaften“ als am Glaubenserbe der Kirche.
Zum Thema Gendergerechtigkeit: Noch vor gut fünf Jahren hatten die deutschen (Erz-)Bischöfe Kardinal Reinhard Marx, Heiner Koch und Franz-Josef Bode während der Bischofssynode in Rom zum Thema „Familie“ erklärt: „Alle Theorien, die das Geschlecht des Menschen als nachträgliches Konstrukt ansehen und seine willkürliche Auswechselbarkeit gesellschaftlich durchsetzen wollen, sind als Ideologien abzulehnen.“ Jetzt heißt es im Beschlussentwurf des Synodalen Weges: „Gegen die Vorstellung, Geschlecht sei etwas, das man „hat“ oder „ist“, stehen Erkenntnisse der (empirischen wie historischen) Genderforschung: Geschlecht ist keine vorsoziale und unveränderliche oder gar gottgegebene Tatsache.“ – Falls dem Antrag zugestimmt wird, wonach es nach bisheriger Tendenz aussieht: Wenn das keine Wende um 180 Grad bedeutet?
Der Abfall vom christlichen Ethos wird größer
Die vielfach mit Ehrungen ausgezeichnete Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz zieht angesichts der gegenwärtigen Entwicklung eine nüchterne Bilanz: „Der Abfall vom christlichen Ethos wird groß und größer; das Evangelium verdämmert zu einer fernen Sage; das Gewissen wird zum einzigen permissiven Lehramt.“
Im Themenbereich „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ geht es um „Leitung (von) Pfarreien und Gemeinden“. Der Beschlusstext schlägt vor:
- dass pastorale Koordinator*innen oder Mitarbeiter*innen den Pfarrer in pastoralen und administrativen Leitungsaufgaben unterstützen und dabei mit dem Pastoralteam sowie den gewählten Gremien eng zusammenarbeiten;
- Einsatz der hauptamtlichen Pastoralteams, in denen pastorale Mitarbeiter*innen an den Leitungsaufgaben des Pfarrers beteiligt sind;
- Einsatz von Verwaltungsleiter*innen in Pfarreien oder größeren pastoralen Räumen;
- Etablierung von Leitungsmodellen mit Diakonen und Lai*innen, die „an der Ausübung der Hirtensorge beteiligt“ werden.
Falsche Formulierung
Der Entwurf weist darauf hin: „In Amazonien leiten Frauen – Laien wie Ordensfrauen – ganze Kirchengemeinden.“ Das ist nicht richtig formuliert. Die seit dem 20. Juli 2020 gültige Instruktion der Kongregation für den Klerus enthält mit päpstlicher Zustimmung Regelungen zur Beteiligung von Laien in der Pfarrei. Ausdrücklich wird der Pfarrer als der „eigene Hirte der ihm übertragenen Pfarrei“ bezeichnet; Beschneidungen seiner Rechte durch Gremien sind nicht vorgesehen. Seine Ernennung gilt unbegrenzt.
Der Pfarrer soll der Pfarrei dienen, nicht umgekehrt. Die Mitarbeit von Laien, „denen der Weltcharakter in besonderer Weise eigen ist“, wird ausdrücklich erwähnt. „Es ist notwendig, dass heute alle Laien einen großzügigen Einsatz für den Dienst an der missionarischen Sendung leisten vor allem durch das Zeugnis des täglichen Lebens … und besonders durch die Übernahme ihnen entsprechender Verpflichtungen im Dienst an der Pfarrgemeinde.“
Nur wenn es wegen Priestermangels nicht anders möglich ist, kann der Bischof auch auf andere Weise für den Hirtendienst in einer Gemeinde Sorge tragen und einen Diakon, einen Gottgeweihten oder einen Laien oder auch eine Gemeinschaft von Personen (Orden) „an der Ausübung der Hirtensorge einer Pfarrei beteiligen“. Diese „Mitarbeitenden“ werden durch einen Priester, der „Moderator der Hirtensorge“ ist, koordiniert und geleitet. Jeder Mitarbeitende kann nur die Aufgaben übernehmen, zu denen er durch seinen Stand berechtigt ist. Titel, die zu einer Verwechslung oder Gleichstellung mit einem Pfarrer führen können, sind nicht erlaubt.
Pastoralräte in jeder Pfarre sind jetzt Pflicht
Der Bischof kann den Diakonen, Ordensleuten oder Laien unter der Leitung und der Verantwortung des Pfarrers einige Dienste in amtlicher Weise übertragen. Dann dürfen auch Laien Wortgottesdienste an Sonn- und Feiertagen halten, Taufen und Beerdigungen durchführen sowie bei der Eheschließung assistieren. Voraussetzung ist, dass Priester und Diakone fehlen.
Die Instruktion der Klerus-Kongregation enthält eine wichtige Neuerung. Während es bisher eine freiwillige Option war, einen Pastoralrat in einer Pfarrei einzurichten, gilt dafür jetzt eine nahezu zwingende Regelung. „Die Hauptaufgabe des pfarrlichen Pastoralrates besteht darin, in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Diözese praktische Lösungen für die pastoralen und karitativen Initiativen der Pfarrei zu suchen und zu beurteilen. Der Pastoralrat hat nur beratendes Stimmrecht. Der Pfarrer muss seine Vorschläge wohlwollend im Hinblick auf ihre Umsetzung prüfen. Er soll außerdem aufmerksam die Anregungen des Pastoralrates bedenken, vor allem wenn sie einvernehmlich nach gemeinsamer Beratung dargelegt worden sind. Damit der Dienst des Pastoralrates wirksam und fruchtbar ist, gilt es zwei Extreme zu vermeiden: zum einen dass der Pfarrer sich darauf beschränkt, dem Pastoralrat bereits getroffene Entscheidungen vorzulegen, vorausgehend nicht in geschuldeter Weise informiert oder den Rat nur pro forma zusammenruft; andererseits dass der Pfarrer nur Mitglied des Rates und seiner Rolle als Hirte und Leiter der Gemeinde beraubt ist.“
„Die Empörung ist das Feuer, auf dem die Suppe gekocht wird“
„Wir bekennen unsere Schuld und wollen Konsequenzen ziehen. Wir arbeiten die strukturellen Ursachen sexualisierter Gewalt und deren Vertuschung in unserer Kirche auf.“ So lautet der vierte Satz im Präambeltext des Synodalen Weges, dessen dritte Vollversammlung vom 3. bis 5. Februar in Frankfurt stattfindet. Wer die vorliegenden Dokumente durchsieht, wird nur einseitige Wege finden.
Die Themenblöcke (Synodalforen genannt) lauten:
- Synodalforum I: „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag“
- Synodalforum II: „Priesterliche Existenz heute“
- Synodalforum III: „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“
- Synodalforum IV: „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“
Auf die Ursachen des Missbrauchs wird in den (bis Anfang Januar) insgesamt 27 vorliegenden Beschlussentwürfen auf direkte Weise selten eingegangen. Welcher Zusammenhang einer Reform der Predigtordnung oder die Einrichtung eines Synodalen Rates auf Bundesebene, was die Auswahl und Entscheidung über die Besetzung der Diözesen mit neue Bischöfen, was die Zulassung von Segensfeiern von gleichgeschlechtlichen Paaren oder „Lehramtliche Aussagen zu ehelicher Liebe“ mit dem klerikalen Missbrauch an Kindern besteht, muss sich der Leser selber erschließen, eine Begründung möglicher Zusammenhänge bleibt aus.
Der Grundtext zum 4. Themenbereich (Sexualität etc.) macht eine Ausnahme. Im zweiten und dritten Satz heißt es: „Zwar ist die Sexuallehre der Kirche für die furchtbaren Akte sexualisierter Gewalt nicht unmittelbar ursächlich. Gleichwohl bildet sie einen normativen Hintergrund, der solche Taten offensichtlich hat begünstigen können.“
Sexuallehre für Verbrechen verantwortlich?
Obwohl der damit verbundene Vorwurf folgenschwer wirkt, ist die Begründung bereits beendet. Bildet die Sexuallehre der Kirche wirklich einen normativen Hintergrund für Verbrechen? Klingt das nicht absurd? – Der massive Vorwurf steht im Raum, und der Leser findet allenfalls durch eigene Recherche zu dem Ergebnis, ob und wie das möglich ist.
Kann das wirklich zutreffen? Wäre hier nicht eine intensive Darstellung der vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse, das Abwägen von Für und Wider sinnvoll und zu erwarten? „Die Empörung über den Missbrauch ist das Feuer, auf dem die Suppe des synodalen Weges gekocht wird.“ Das sagte Bischof Rudolf Voderholzer bei der Vesper am 23. Januar 2022 im Regensburger Dom. Wer die Diskrepanz zwischen dem auslösenden Thema und den vorgelegten Beschlussvorschlägen betrachtet, kann die Aussage des Regensburger Oberhirten gut verstehen. Vom „Missbrauch des Missbrauchs“ war bereits im vergangenen Herbst mehrfach die Rede. Auch der Arbeitskreis christlicher Anthropologie hatte davon gesprochen, ebenso Peter Bringmann-Henselder; er ist der Sprecher im Betroffenenbeirat des Erzbistums Köln.
Der kirchlichen Sexuallehre wird allenfalls vorgeworfen, dass sie zu unbequemen Dingen wie Selbstbeherrschung, Verzicht und Keuschheit mahnt. Und jetzt wird sie für Verbrechen mitverantwortlich gemacht?
Auf Seite 235 der „MHG-Studie“ (Forschungsprojekt „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“) findet sich zu dieser unerwarteten Behauptung ein Hinweis. Die Forscher der MHG-Studie haben das Thema nicht selbst untersucht. Sie berichten nur über Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Literatur. Darin werden vordringlich andere Faktoren genannt: emotionale und sexuelle Unreife, stark ausgeprägter Narzissmus, Ausleben eines subjektiven Machtgefühls. Erst dann folgt der entscheidende Satz: Weitere Autoren nennen die Stagnation der kirchlichen Sexuallehre als mittelbare Ursache für die Missbrauchstaten. „Die lustfeindliche und rigide kirchliche Sexualmoral habe eine Tabuisierung von Körperlichkeit und Sexualität zur Folge, wodurch mögliche Missbrauchstaten gefördert würden“, zitiert die MHG-Studie. Das klingt eher nach einer Theorie, die sich erhärten lassen würde, falls Missbrauch im kirchlich-religiösen Umfeld häufiger vorkommen würde als in Sportvereinen, Schulen und anderen nicht-kirchlichen Bereichen. Dafür gibt es keine Hinweise.
Anderes Gutachten, andere Schlussfolgerungen
Ein anderes Gutachten kommt zu anderen Schlüssen. Drei Institute für Forensische Psychiatrie der Universität Duisburg-Essen, Charité-Universitätsmedizin Berlin und Universität Ulm haben empirisch fundierte Daten über die Persönlichkeit der beschuldigten Priester, die fraglichen Tathandlungen sowie eventuelle biografische Tatzusammenhänge erfasst und in Bezug gesetzt zu allgemein bei sexuellen Missbrauchshandlungen bekannten Befunden. Es handelt sich um drei bundesweit renommierte forensisch-psychiatrische Zentren, deren Leiter regelmäßig Gutachten für Strafprozesse erstellen. in ihrem Gutachten heißt es: „Bisher liegen keine empirischen Befunde vor, die belegen könnten, dass ein gewollter oder ungewollter Verzicht auf Sexualität und/oder Partnerschaft das Risiko für Sexualdelikte erhöht.“
Weitere Feststellungen: „Man mag dem Zölibat kritisch gegenüberstehen, aber eine Koppelung der Debatten um sexuellem Missbrauch durch Geistliche und dem Zölibat entbehrt jeglicher wissenschaftlichen Grundlage.“ – „Die Verantwortung für sexuelle Missbrauchshandlungen ist bei den Tätern zu suchen und kann nicht auf die Institution katholische Kirche übertragen werden, wie es in der derzeitigen medialen Berichterstattung häufig der Fall ist.“ Vielleicht war diese Bemerkung die Ursache dafür, dass im Synodalen Weg nur die anklagende Sichtweise zum Ausdruck gebracht wurde und nicht die entlastende.
Das forensischer Gutachten enthält noch weitere wichtige Informationen über die Ursachen des sexuellen Kindesmissbrauchs durch Kleriker: „Wesentliches Ergebnis der Untersuchung war, dass eine spezielle Störung im Bereich der Sexualität, also das, was man in der Psychiatrie eine Pädophilie nennt, nur in Ausnahmefällen vorlag. Die Ursachen für diese Taten waren oft eher berufliche Krisen, Gefühle der Einsamkeit, soziale Isolation oder eine Nähe-Distanz-Problematik.“
Jeder dritte Missbrauchstäter homosexuell
Weitere Erkenntnis über die untersuchten Missbrauchstäter: „Jeder dritte Geistliche berichtete über eine homosexuelle Orientierung.“ Das ist deshalb bemerkenswert, weil der Anteil homosexueller Menschen in der Bevölkerung bei ein bis zwei Prozent eingeschätzt wird. Die besondere Ausrichtung der Themen im Synodalen Weg, der sich speziell der Missbrauchsaufbereitung verschrieben hat, erstaunt deshalb. Die Fragen von Einsamkeit und sozialer Isolation der Priester, die als primär auslösend genannt wurden, kommen in den 27 vorliegenden Texten jedenfalls nur ein Mal vor. Das erstaunt auch deshalb, weil die MHG-Studie ausdrücklich angemahnt hat: „Daraus ergibt sich insbesondere die Folgerung, dass aus dem Kirchenberuf regelmäßig resultierende Belastungen (Umgang mit Leid, soziale Distanz, Einsamkeit) sowohl im Kontext der Vorbereitung auf den Kirchenberuf als auch im Kontext von Begleitung und Supervision stärker in den Blick zu nehmen sind.“
Der Grundtext zum vierten Themenbereich stellt fest: „Die Synodalversammlung ist sich bewusst, dass viele der vorgeschlagenen Neuakzentuierungen wesentlich in die Lehrkompetenz des Bischofs von Rom fallen und deshalb nicht von der Kirche in Deutschland vorgenommen werden können. … Sie bittet den Papst eindringlich, sie als ortskirchlichen Ausdruck der Mitverantwortung aller Getauften und Gefirmten für das Wohl der einen Kirche Christi zu prüfen und aufzugreifen.“
Diese beiden Sätze klingen zunächst einleuchtend. Dennoch ist zu fragen: Woraus besteht ortskirchliche und woraus weltkirchliche Verantwortung?
Ist es nicht primär Verantwortung der Ortskirche zu fragen: Warum geht in Deutschland seit Jahrzehnten das kirchliche Leben ununterbrochen zurück? Welche Ursachen werden dafür ausgemacht? Welche Schritte wurden unternommen, um diesen Trend zu brechen? Wie wurden geistliche Aufbrüche, die es in dieser Zeit in Deutschland gegeben hat, begleitet und gefördert?
Ist es sinnvoller, diese Themen auszusparen und an deren Stelle bevorzugt weltkirchliche Themen zu beraten? Wäre es nicht klüger, die jeweiligen Themen in den jeweils zuständigen Ebenen zu beraten? Etwas salopp mit einem Vergleich ausgedrückt: Es kommt kein Landtag auf die Idee, Themen der Außenpolitik zu beraten, um anschließend Vorschläge an den Bundestag zu übermitteln.
Beispiel für lokales Handeln
Oder um es mit einem Beispiel zu illustrieren: Auf Malta liegt der sonntägliche Gottesdienstbesuch über 50 Prozent. Trotzdem hat der Bischof von Gozo, Mario Grech, unter den 30.000 Bewohnern einen Aufruf gestartet. 500 Freiwillige haben sich daraufhin gemeldet, die er zehn Wochen lang vorbereitete. In der Fastenzeit besuchten die Freiwilligen alle Familien der Insel. Sie hatten die Aufgabe, ihren eigenen Glauben zu bekennen und zur Teilnahme an den Gottesdiensten in der Karwoche einzuladen. Innerhalb von drei Wochen wurde das Ziel erreicht. „Die Resonanz war spürbar“, versicherte der Bischof dem Kolpingmagazin. „Mir kommt es darauf an, dass sich kleine, lebendige Gruppen bilden, in denen die Menschen miteinander die Bibel teilen und sich intensiv der Person und Botschaft von Jesus Christus widmen. Dann verschwindet die Oberflächlichkeit, dann folgen Taten der Liebe.“ Die Evangelisierung müsse der Katechese vorausgehen: „Wir teilen dabei mit, was uns Jesus persönlich bedeutet.“
Heute ist Mario Grech Generalsekretär der vom Papst ausgerufenen Weltsynode.
Der Theologe Johannes Brantl hat sich in einem am 10. November 2021 veröffentlichten Essay kritisch mit den Synodenentwürfen befasst: „Die entscheidende Frage konzentriert sich letztlich darauf, wie eine Weiterentwicklung in der kirchlichen Lehre und Praxis so gestaltet werden kann, dass sie einerseits dem modernen Denken über Liebe und Sexualität Rechnung trägt und andererseits aber auch das eigene Profil, das sich an den maßgeblichen Quellen von Heilige Schrift und Tradition orientiert, selbstbewusst bewahrt. … Nur sollte das Anliegen einer Weiterentwicklung der Sexuallehre sich nicht an gesamtgesellschaftlichen Erwartungen und Plausibilitäten, partikularen Interessen einzelner Gruppen oder Opportunitätsfragen orientieren, sondern vielmehr bei den für Kirche und Theologie maßgeblichen Quellen von Heilige Schrift und Tradition ansetzen und das eigene Profil durchaus selbstbewusst inmitten der gegenwärtigen Pluralität von Vorstellungen eines gelingenden Lebens stark zu machen.“
Es geht konsequent um eine andere Lehre
Diese Erwartung wird offenbar nicht erfüllt. Im Grundtext des Themenbereiches Sexualität heißt es: „Zu viele gläubige Menschen und Paare empfinden dagegen einen nicht mehr zu überbrückenden Abstand zwischen den Deutungen und Normierungen der kirchlichen Sexuallehre einerseits und ihren eigenen sexuellen Erfahrungen andererseits.“ Die Diskrepanz ist gewiss ein Problem, aber der Beschlussentwurf beschreibt nicht unterschiedliche Wege oder Abwägungen, dieser Tatsache entgegenzuwirken, sondern deutet nur in eine Richtung.
Weiter beschreibt der Grundtext: „Im Bereich der Sexualität gelingt eine normative Bewertung nur, wenn die Erkenntnisse der Human- und Sozialwissenschaften die Sache, um die es geht, nämlich die Sexualität des Menschen, ausreichend fundieren. Erst darauf aufbauend gewinnt jede normative Beurteilung – auch die aus dem Glauben – eine ausreichende Basis.“ Hier wird die Richtung deutlich: Auch für gläubige Menschen haben Aussagen der Glaubenslehre nur dann eine Bedeutung, wenn sie den allgemein gültigen Erkenntnissen der Human- und Sozialwissenschaften entsprechen.
Das klingt zunächst harmlos, ist aber folgenschwer. Denn die Dimension „Glauben“ schließt auch Antworten ein, die von anderen Standpunkten aus nicht geteilt werden. Die kirchliche Sexualethik lebt von Voraussetzungen, die sie nicht selbst gegeben hat. Faktisch funktioniert diese Voraussetzung nicht mehr, wenn die neue kirchliche Sexuallehre nur aus Beurteilungen besteht, die nicht primär-spezifisch christlich, sondern mainstream-konform sind.
Und so beschreibt der Grundtext die neue Moral:
- Die Einvernehmlichkeit der Partner:innen in Sexualität und Partnerschaft ist unabdingbar.
- Zur Würde jeder menschlichen Person gehört das Recht auf freie Zustimmung zu allen personalen Gestaltungsformen sexueller Beziehungen und nicht zuletzt zur Wahl des Partners/der Partnerin sowie das Recht, Nein zu erzwungenen oder aufgenötigten sexuellen Handlungen zu sagen.
Prostitution „einvernehmlich“ oder „zwangsweise“?
Weiter beschreibt der Grundtext: „Schon von daher sind alle sexuellen Beziehungen und Praktiken etwa im Bereich der Zwangsprostitution, des sexuellen Missbrauchs, der sexualisierten Gewalt und des weiteren Ausnutzens von Abhängigkeit und Machtasymmetrien abzulehnen. Der Maßstab der Menschenwürde verbietet, sich selbst oder einen anderen Menschen zum bloßen Instrument der Befriedigung eigener Begierden oder fremder Interessen zu machen. Praktiken der sexualisierten Gewalt, des Missbrauchs und des Ausnutzens von Abhängigkeiten und Machtasymmetrien verstoßen in grundlegender Weise gegen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung.“
Sexualmoral wird also sehr abstrakt: „Der Maßstab der Menschenwürde verbietet, sich selbst oder einen anderen Menschen zum bloßen Instrument der Befriedigung eigener Begierden oder fremder Interessen zu machen.“ Was heißt das konkret? Bei Onanie macht sich die Person selbst zum bloßen Instrument der Befriedigung; sie wäre eindeutig abzulehnen. An anderer Stelle wird aber ausdrücklich gefordert, sie nicht mehr moralisch abzulehnen. Das passt nicht zusammen!
Wer sich auf Prostitution einlässt, macht einen anderen Menschen zum Instrument eigener Befriedigung. Zuvor wird lediglich Zwangsprostitution abgelehnt. Woran ist erkennbar, ob Prostitution „einvernehmlich“ oder „zwangsweise“ angeboten wird?
Vielleicht gibt der folgende Satz die Antwort: „Freilich reicht das gegenseitige Einverständnis allein nicht aus. An seine Seite tritt der christliche Primat der Liebe. Erst sie lässt die Menschen erfahren, dass sie in den leiblichen Berührungen und Zärtlichkeiten um ihrer selbst willen gemeint und bejaht sind. Liebe will sich anderen mitteilen und Anteil vermitteln.“ Anschließend wird eingeräumt, dass der Eros auch eine ichbezogene Komponente hat – eine eher zurückhaltende Formulierung, weil Begierde und Triebbefriedigung ausgeklammert werden.
Gewissen ohne Regeln, die von vorneherein gelten?
Die Verfasser des Synodentextes nehmen also nicht mehr Maßstab am Evangelium und dem gesamten Glaubensgut der Kirche, sondern am „natürlichen Sittengesetz“, das so definiert wird: „Darunter kann – knapp gefasst – ein im Herzen jedes Menschen gegenwärtiges und durch die wahre Vernunft einsichtiges Wissen verstanden werden, welches es ermöglicht, zwischen Gut und Böse, Wahrheit und Lüge zu unterscheiden.“ Es lege dem Menschen als sittlichem Subjekt „keine Regeln von vorneherein auf“.
Wie sich dieser neue, unspezifische Maßstab auswirkt, verdeutlichen die vorgeschlagenen Voten des Grundtextes:
- Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und Achtung der sexuellen Identität.
- Verbot von Konversionstherapien.
- Die christlich gelebte Ehe ist ein angemessener, ja bevorzugter Ort, alle Dimensionen der Fruchtbarkeit zu integrieren.
- Es ist die Aufgabe der Sexualpädagogik wie christlicher Bildung und Erziehung insgesamt, die lebensdienliche, also achtsame und würdevolle Gestaltung sexueller Lust über die ganze Spanne des menschlichen Lebens zu fördern, für ihre beglückenden Momente zu sensibilisieren und sie so vor einer trivialisierenden Verflachung zu schützen.
- Wie jede Form sexueller Beziehung und Praxis ist auch die selbststimulierende Sexualität (Masturbation) ambivalent. Für alle Menschen kann die selbststimulierte lustvolle Erfahrung des eigenen Körpers ein wichtiger Baustein der Annahme ihrer selbst sein.
- Lebenspartnerschaften zwischen geschiedenen und zivil Wiederverheirateten sind nur sehr bedingt eine Frage der Sexualmoral.
- Ob und wie von einer Zweitehe betroffene Personen am kirchlichen Leben teilhaben können, ist je nach Situation einzeln zu würdigen.
- Segenshandlungen für gleichgeschlechtliche Paare sind in der Kirche umstritten. Deshalb können und müssen für andere Lebensformen als die Ehe – trotz der abschlägigen Beurteilung der Glaubenskrongregation vom 15.3.21 – eigenständige Rituale und Segenshandlungen gefunden werden.
- Dies gilt auch für Menschen, die nach dem Scheitern einer Ehe eine neue Partnerschaft eingehen.
- Wir sehen Sexualität als Gestaltungsaufgabe jedes Menschen.
Soweit die Forderungen des Grundtextes, der insgesamt eine Länge von 29 Seiten aufweist. Darin kommt das Wort „Lust“ 22 Mal vor, die Wörter Selbstbeherrschung und Keuschheit dagegen nicht.
Hinzu kommen noch Anträge zu folgenden Themen:
„Lehramtliche Neubewertung von Homosexualität“
„Segensfeiern für Paare, die sich lieben“
„Lehramtliche Aussagen zu ehelicher Liebe“
„Grundordnung des kirchlichen Dienstes“.
Das Manifest des Arbeitskreises christliche Anthropologie stellt u.a. folgende Aussagen dagegen:
Das Sakrament der Ehe ist der Bund einer Frau und eines Mannes mit Gott und das unvergleichliche Heilszeichen für die Treue Gottes zu seinem Volk; dieses Zeichen darf niemals in eine Reihe gestellt werden mit rein menschlichen Verbindungen welcher Art auch immer. Statt Wege der Heilung und Weisung für Wachstum im guten Leben zu bieten, geht es nur um Anpassung an den kulturellen Mainstream. Im Konzept einer „neuen Sexualmoral“ soll die „Alleingeltung der Ehe“ durch ihre „Höchstgeltung“ ersetzt werden. Dadurch verkommt das Ehesakrament aber zu einem lebensfernen Ideal, das nur noch von einer fragwürdigen Elite angestrebt wird.
Unterschiede zwischen Ehesakrament und „Ehe für alle“
Keinem Menschen darf der Segen Gottes vorenthalten werden. Die Kirche muss aber jeden Anschein vermeiden, als würde sie einen dem Ehesakrament vergleichbaren Segen zur „Ehe für alle“ und zu gleichgeschlechtlichem Sex geben.
Der sexuelle Missbrauch ist der Mühlstein um den Hals der Kirche. Amtsträger in der Kirche sind zu messen an der Transparenz, mit der sie Vergehen in der Vergangenheit aufarbeiten und Prävention für die Zukunft betreiben. Wir wenden uns aber gegen den Missbrauch mit dem Missbrauch. Bis heute wurde der Tatsache nicht Rechnung getragen, dass ca. 80 Prozent der Übergriffe im „katholischen“ Raum gleichgeschlechtlicher Natur sind.
Kirchliche Lehre zu Liebe und Sexualität hat nicht das Ziel, Menschen durch Vorschriften einzuschränken, sondern ihnen aufzuzeigen, was eigentlich Liebe ist und wie sie fähig werden, sie zu leben. Es wäre Selbstbetrug zu meinen, der Mensch könne sich wirklich entfalten, wenn er die Schöpfungsordnung ignoriert oder ihr zuwider lebt. Etwas Liebe zu nennen, das zeitlich begrenzt, an Bedingungen geknüpft, nicht ausschließlich auf eine Person des anderen Geschlechts bezogen oder dem neuen Leben verschlossen ist, wäre ein verarmter Begriff und kann deswegen nie als gleichwertig anerkannt werden. Aufgabe der Kirche ist es, die Liebe hochzuhalten, Menschen den Weg zu ihr zu weisen, sie vorzuleben und zu lehren.
Die Geschlechtlichkeit des Menschen kommt dann zur wahren Entfaltung, „wenn sie in die Beziehung von Person zu Person, in die vollständige und zeitlich unbegrenzte wechselseitige Hingabe von Mann und Frau eingegliedert ist.“ (KKK 2337) Diese höchste Form der Hingabe ist zwar in der Ehe kein Automatismus, aber nur in ihr besteht die Möglichkeit dazu. Nur in der Ehe können sich Mann und Frau so lieben, wie Christus seine Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat.
Die Moraltheologie hat, wie die Theologie insgesamt die Aufgabe, dem Lehramt der Kirche zuzuarbeiten, indem sie den überlieferten Glauben immer mehr herausarbeitet und ihn für die jeweilige Zeit und ihre geistigen Strömungen verständlich formuliert. Ihre Aufgabe ist es nicht, neue Prinzipien und darauf basierend neue Lehrsätze in die Theologie einzuführen, die das Lehramt dann zu approbieren hat, sondern sie soll umgekehrt dem Lehramt helfen, den Glauben in seiner ganzen Fülle und Radikalität zu bewahren.
Keine Weiterentwicklung, sondern andere Lehre
Katharina Westerhorstmann, Johannes Brantl, Herwig Gössl und Stefan Oster haben bereits im Mai 2020 einen alternativen Vorschlag in die Diskussion des Synodalen Weges eingebracht; er wurde kaum berücksichtigt. Danach erklärten sie: „Der fortlaufende Grundtextentwurf macht nun also deutlich, dass es bei seinem vorgelegten Versuch der ‚Weiterentwicklung’ der kirchlichen Lehre de facto um ein anderes als das bisher weitgehend synchron und diachron geteilte christliche Menschenbild geht. Eine Bejahung dieser neuen Lehre würde nach Einschätzung der oben genannten Verfasser der Eingabe zur Folge haben, dass es konsequent auch um eine andere Lehre von der Erlösung durch Christus ginge, ebenso wie folgerichtig dann auch um eine andere Lehre von der Gnade, von der Kirche.“
Die folgende Aussage, die ein inzwischen verstorbener Bischof bei einer Vollversammlung der deutschen Bischöfe im Jahr 2000 gemacht hat, verdeutlich die eingetretene Kehrwende. Er passt überhaupt nicht zur neuen Sexualmoral: „Keuschheit besagt, dass der Mensch seine geschlechtlichen Kräfte für die größere menschliche Liebe zum Ehegatten in Dienst zu nehmen weiß. Unbeherrschte Sexualität brennt und plündert den Menschen aus, sie macht ihn zur Ruine und erniedrigt den Anderen. Die Keuschheit bewahrt den Menschen in seiner seelischen und körperlichen Integrität, so dass er dem Anderen zum Geschenk wird. Der keusche Mensch ist derjenige, der nicht mehr vom Trieb determiniert ist, sondern von der Gnade Gottes befreit, alle Kräfte seines Seins für Andere einzusetzen weiß.“
Jugendkommission dachte ganz anders
Ein Jahr zuvor hatte sich die Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz an die Verantwortlichen in der kirchlichen Jugendarbeit zu Fragen der Sexualität und der Sexualpädagogik zu Wort gemeldet und dabei die bislang gültige Sexualethik vertreten. Darin werden Ideale beschrieben und Kritik an gesellschaftlichen Fehlentwicklungen geübt. Dort heißt es: „Jesus Christus zeigt uns, dass Frau und Mann zu ganzheitlicher Liebe und lebenslanger Treue befähigt sind. Ihre Liebe gewinnt in der Ehe bleibende Gestalt, drückt sich in der Bereitschaft zu neuem Leben und in der Sorge für die Kinder aus. … Der Glaube will den Weg zu einem gelingenden Leben frei machen. … Wir nehmen Maß am christlichen Gottes- und Menschenbild:
Andererseits wird das ganze Leben zunehmend sexualisiert: Sexualität wird zur Ware auf dem Erlebnismarkt, der sich in der Werbung vielfältig widerspiegelt. Das schnelle Erlebnis soll mühsame und auch enttäuschende Erfahrungen der Beziehungsarbeit in einer Partnerschaft kompensieren. So entsteht das Scheinbild einer Sexualität ohne personale Beziehung und deren Störanfälligkeit.
Durch die pausenlose Darstellung der Sexualität und das öffentliche Gespräch können Jugendliche unter einen Konformitäts- und Anpassungsdruck geraten. Der Schein einer Sexualität ohne Risiko wird dadurch verstärkt, dass sichere Verhütungsmethoden als selbstverständlich vorausgesetzt werden und Abtreibung vielfach als letzter Ausweg akzeptiert wird.
Wir nehmen wahr, dass Partnerbeziehungen von der großen Mehrheit der Jugendlichen mit personal orientierten Wertvorstellungen wie Treue, Vertrauen, Ehrlichkeit, gegenseitiger Akzeptanz, Zärtlichkeit und Wahrhaftigkeit verbunden werden. Das Misslingen von Beziehungen verursacht Leiden. … Junge Menschen sind noch voller Unsicherheit. Es fehlt ihnen an Erfahrungen und verlässlichen Urteilen. Sie suchen nach Normen und stellen sie zugleich wieder in Frage.“
Sexualität kann missbraucht werden
Die deutschen Bischöfe wiesen auf gesellschaftliche Wandlungen hin: „Aus einer gesellschaftserhaltenden Institution wird ein ‚Liebesbündnis auf Zeit’: Voreheliche Lebensgemeinschaften werden als selbstverständlich angesehen. Auch im Blick auf homosexuelle Beziehungen sind Veränderungen festzustellen. Wir nehmen wahr, dass gerade auch Jugendliche durch die öffentlich vorgestellten Freiheiten im Bereich der Sexualität überfordert werden. Sie sind in der Gefahr, sich mehr zuzutrauen, als sie verantworten können, und Enttäuschungen ausgesetzt. … Wir freuen uns über ein neu wachsendes Verständnis für Enthaltsamkeit und über die Bereitschaft, Sexualität im vollen Sinn für die Liebe in einer ehelichen Bindung aufzubewahren. … Gott hat die Sexualität auf die Ehe hin geschaffen, und im Raum der Ehe behält sie ihre eigene Würde. Unter dieser Rücksicht muss bei vorehelichen und außerehelichen Lebensgemeinschaften nach den Motiven gefragt werden.“
Die Kehrseite ist in unserer realen Welt nicht zu übersehen. Sexualität kann missbraucht werden zu Machtausübung und Demütigung, sie kann zur Sucht werden, die Probleme zu vergessen, aber nicht zu lösen hilft. Auch wenn Sexualität instrumentalisiert oder nur für bestimmte Zwecke funktionalisiert wird, erfolgt eine Manipulation, die die menschliche Entfaltung behindert. Im Evangelium erfahren wir, wie Jesus Menschen von Krankheiten und Leiden heilt. Er befreit sie aus Abwertungen und Unterdrückungen. Er mahnt uns: Menschen dürfen nicht verzweckt werden. Entschieden tritt er für die Würde der Frau ein. Er zeigt, dass Gott den beziehungsfähigen Menschen will.
Das biblische Bild der Sexualität, das wir in der Kirche vermitteln, wird durch einzelne Regeln und Normen bestimmt. Sie wollen in ihrem Gesamt dazu beitragen, dass ein Menschenleben sich entsprechend entwickeln kann und dass besonders die Schwachen geschützt werden.
Wir laden dazu ein, die Normen zu Sexualität und Ehe, zu Elternschaft und Empfängnisverhütung, zur vorehelichen Sexualität, zur Homosexualität, zur Selbstbefriedigung im Kontext der biblischen Weisungen und Einladungen zu sehen und sie in einer verständnisvollen Sicht aufzunehmen.
Im Bemühen um eine geglückte und menschliche Sexualität stellen wir uns der Aufgabe, die christliche Alternative eines von Gott ins Dasein gerufenen und erlösten Menschenlebens zu entdecken. Beherrschung und Verzicht, auch Triebverzicht, gehören dazu. Die Fähigkeit zur Enthaltsamkeit ist Bestandteil wirklicher Liebe.
Die „hörende Kirche“ reagiert mit Buh-Rufen und „roten Karten“
Wie kam es nun zum „Synodalen Weg“ in Deutschland? Auf der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) im März 2019 in Lingen wurde das Projekt beschlossen. Der damalige DBK-Vorsitzende Kardinal Reinhard Marx berichtete in der Abschluss-Pressekonferenz der Lingener Vollversammlung über den Beschluss, „einen verbindlichen Synodalen Weg als Kirche in Deutschland zu gehen, der eine strukturierte Debatte ermöglicht und in einem verabredeten Zeitraum stattfindet, und zwar gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Wir werden Formate für offene Debatten schaffen und uns an Verfahren binden, die eine verantwortliche Teilhabe von Frauen und Männern aus unseren Bistümern ermöglichen. Wir wollen eine hörende Kirche sein“.
Synodaler Weg: Missbilligung des kirchlichen Rechtes
Für dieses Projekt wählten die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) einen Sonderweg. Im Herbst 2019 beschlossen beide Gremien als Organisatoren des Synodalen Weges eine Satzung. Sie bestimmt über die Zusammensetzung: Der Versammlung gehören 68 Bischöfe, 121 Laien sowie 40 Priester und Diakone an. Ihre Beschlüsse erfordern eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder, die eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz enthält.
Zur Umsetzung bestimmt die Satzung: „Beschlüsse der Synodalversammlung entfalten von sich aus keine Rechtswirkung. Die Vollmacht der Bischofskonferenz und der einzelnen Diözesanbischöfe, im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit Rechtsnormen zu erlassen und ihr Lehramt auszuüben, bleibt durch die Beschlüsse unberührt.“
Dieser Teil der Satzung ist brisant. Warum tagt mit großem Auswand eine Versammlung mehrere Jahre, obwohl ihre Beschlüsse keine „Rechtswirkung“ entfalten? Der anschließende Satz gibt dazu teilweise eine Antwort. Natürlich kennen die Initiatoren das Kirchenrecht; auch wenn sie es vielfach ignorieren – in diesem Fall halten sie sich – formal – an die gültigen Bestimmungen. Denn im Gesetzesbuch der katholischen Kirche (CIC) heißt es: „Dem Diözesanbischof kommt in der ihm anvertrauten Diözese alle ordentliche, eigenberechtigte und unmittelbare Gewalt zu, die zur Ausübung seines Hirtendienstes erforderlich ist; ausgenommen ist, was von Rechts wegen oder aufgrund einer Anordnung des Papstes der höchsten oder einer anderen kirchlichen Autorität vorbehalten ist“ (Can. 381). In der Satzung des Synodalen Weges wird diese kirchenrechtliche Bestimmung beachtet, aber auf Dauer in wesentlichen Zügen abgeschafft. Dies erfolgt über eine freiwillige Selbstverpflichtung der Diözesanbischöfe, die Beschlüsse des Synodalen Weges in ihrem Bistum umzusetzen. Sie schränken ihre vom Kirchenrecht vorgesehene Vollmacht wesentlich ein zugunsten der Mehrheitsbeschlüsse von Gremien.
Interview verrät Druck auf Bischöfe
Bei einem Interview im Deutschlandfunk hat der amtierende ZdK-Präsident Thomas Sternberg auf die Frage nach der Umsetzung am 19. November 2021 geantwortet: „Das Kirchenrecht ist so angelegt, dass tatsächlich Bischöfe das letzte Wort haben, wobei wir eine Regelung eingeführt haben, und da haben wir es so gemacht, dass im Grunde genommen bei solchen Mehrheitsabschlüssen und Mehrheitsbestimmungen, wenn dann ein Bischof in einem kleinen Bistum eine Regelung nicht umsetzt, dann gibt es schon einen erheblichen Druck und das wird auch nicht ganz ohne Folgen bleiben. Außerdem: Selbst wenn das in ein paar Bistümern passierte, so etwas kann sich dann auch biologisch regeln.“
Im Ergebnis bedeutet diese Haltung: Formal hält man sich im Synodalen Weg an dieser Stelle an das Kirchenrecht, versucht es aber soweit wie möglich zu umgehen und baut „erheblichen Druck“ auf die Bischöfe auf, um das geltende Kirchenrecht umgehen zu können. Im äußersten Fall rechnet man damit, dass wenigstens der Nachfolger sich beugt.
Papst mischt sich ein und schreibt Brief
Es ist verständlich, dass ein solches Vorhaben in Deutschland Aufmerksamkeit im Vatikan ausgelöst hat. Bereits nachdem die deutschen Bischöfe den Beschluss zur Durchführung des Synodalen Weges im Frühjahr 2019 gefasst hatten, nahm sich Papst Franziskus – nach eigenen Worten – einen Monat Zeit, um einen Brief „An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“ zu verfassen. Diese Reaktion war außergewöhnlich, vielleicht historisch. Papst Franziskus findet in seinem Brief viele gute Worte, aber er trägt auch seine Sorgen vor. So beschreibt Papst Franziskus: „Heute indes stelle ich gemeinsam mit euch schmerzlich die zunehmende Erosion und den Verfall des Glaubens fest mit all dem, was dies nicht nur auf geistlicher, sondern auch auf sozialer und kultureller Ebene einschließt. … Um dieser Situation zu begegnen, haben Eure Bischöfe einen synodalen Weg vorgeschlagen.“
Der Papst erinnert an den Besuch der Deutschen Bischöfe im Vatikan am 20. November 2015 und an Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils. „Meinerseits habe ich meine Betrachtungen zum Thema Synodalität anlässlich der Feier des 50-jährigen Bestehens der Bischofssynode dargelegt“, schreibt er und weist auf die Apostolische Konstitution „Episcopalis communio“ vom 15. September 2018 hin. „Es handelt sich im Kern um einen synodos, einen gemeinsamen Weg unter der Führung des Heiligen Geistes“, schreibt der Papst. „Das aber bedeutet, sich gemeinsam auf den Weg zu begeben mit der ganzen Kirche unter dem Licht des Heiligen Geistes, unter seiner Führung und seinem Aufrütteln, um das Hinhören zu lernen und den immer neuen Horizont zu erkennen, den er uns schenken möchte. Denn die Synodalität setzt die Einwirkung des Heiligen Geistes voraus und bedarf ihrer.“ Ob diese Worte des Papstes auf offene Ohren stoßen, wird noch zu beleuchten sein.
Im Vatikan wird offenbar geahnt, was sich da in Deutschland anbahnt, und so versucht Papst Franziskus, mögliche Fehlentwicklungen anzusprechen. Er warnt in seinem Brief vor „subtilen Versuchungen“ und bittet, Vorsicht walten zu lassen. Man solle nicht an „vorgefassten Schemata und Mechanismen festhalten, die in einer Entfremdung oder einer Beschränkung unserer Mission enden“. Und er warnte: „Wenn wir uns dieser Versuchungen nicht bewusst sind, enden wir leicht in einer komplizierten Reihe von Argumentationen, Analysen und Lösungen mit keiner anderen Wirkung, als uns von der wirklichen und täglichen Begegnung mit dem treuen Volk und dem Herrn fernzuhalten.“
Gleichzeitig warnte er auch vor Passivität und Resignation. Vielmehr bedeute die gegenwärtige Situation „eine Einladung, sich dem zu stellen, was in uns und in unseren Gemeinden abgestorben ist, was der Evangelisierung und der Heimsuchung durch den Herrn bedarf. Das aber verlangt Mut, denn, wessen wir bedürfen, ist viel mehr als ein struktureller, organisatorischer oder funktionaler Wandel.“
Vertrauen auf Verwaltung setzen?
Weiter schreibt der Papst: „Eine der ersten und größten Versuchungen im kirchlichen Bereich besteht darin zu glauben, dass die Lösungen der derzeitigen und zukünftigen Probleme ausschließlich auf dem Wege der Reform von Strukturen, Organisationen und Verwaltung zu erreichen sei, dass diese aber schlussendlich in keiner Weise die vitalen Punkte berühren, die eigentlich der Aufmerksamkeit bedürfen. Es handelt sich um eine Art neuen Pelagianismus, der dazu führt, unser Vertrauen auf die Verwaltung zu setzen, auf den perfekten Apparat.“
Unter Pelagianismus wird im Christentum die Lehre verstanden, dass die menschliche Natur nicht durch die Erbsünde verdorben worden sei, sondern schließlich, als von Gott geschaffen, gut sein müsse, wenn man nicht unterstellen wolle, ein Teil der Schöpfung Gottes sei böse. Im Kern lehrt die nach ihrem Begründer Pelagius benannte Doktrin also, es sei grundsätzlich möglich, ohne Sünde zu sein. Zugespitzt handelt es sich um eine Lehre der Selbsterlösungsmöglichkeit und -fähigkeit des Menschen.
Papst Franziskus schreibt weiter in einem Brief an die Katholiken in Deutschland: „Die Grundlage dieser Versuchung ist der Gedanke, die beste Antwort angesichts der vielen Probleme und Mängel bestehe in einem Reorganisieren der Dinge, in Veränderungen und in einem ‚Zurechtflicken’, um so das kirchliche Leben zu ordnen und glätten.”
Der Papst hat eine andere Empfehlung: „Ein wahrer Wandlungsprozess beantwortet, stellt aber zugleich auch Anforderungen, die unserem Christ-Sein und der ureigenen Dynamik der Evangelisierung der Kirche entspringen; ein solcher Prozess verlangt eine pastorale Bekehrung. Wir werden aufgefordert, eine Haltung einzunehmen, die darauf abzielt, das Evangelium zu leben und transparent zu machen.“
Der Papst formuliert zurückhaltend und höflich, nie aufdringlich und vorwurfsvoll. Aber sein Brief steckt voller Hinweise und Empfehlungen. Und es ist keine fromme Floskel, wenn er auch darauf hinweist: „Wir bedürfen des Gebetes, der Buße und der Anbetung.“ Und er verspricht: „Ich möchte euch zur Seite stehen und euch begleiten.“
Papst wird ignoriert
Die freundlichen Worte des Papstes sind nicht angemessen aufgegriffen worden. Kein einziges synodales Beratungsdokument erwähnt den vom Papst beschriebenen Glaubensverfall. Ein Antrag, den vom Papst besonders hervorgehobenen Evangelisierungsbedarf als fünftes Thema in die Beratungen des Synodalen Weges einzufügen, wurde abgelehnt.
Der Papst hat daraufhin zwar eher in Andeutungen, aber doch erkennbar genug reagiert: „Manchmal bin ich sehr traurig, wenn ich eine Gemeinschaft sehe, die guten Willens ist, aber in die falsche Richtung geht, weil sie glaubt, der Kirche mit Versammlungen zu helfen, als wäre sie eine politische Partei. Aber, die Mehrheit, die Minderheit, was halten Sie von diesem, jenem, dem anderen … Und das ist wie eine Synode, ein synodaler Weg, den wir einschlagen müssen …. Ich frage mich: Wo ist der Heilige Geist dort? Wo ist das Gebet? Wo gibt es Gemeinschaftsliebe? Wo ist die Eucharistie?“ Ohne diese „vier Koordinaten“, warnte der Papst am 25 November, 2020, „wird die Kirche zu einer menschlichen Gesellschaft, zu einer politischen Partei“. Weiter sagte Franziskus: „Die Kirche ist kein Markt; die Kirche ist keine Gruppe von Unternehmern, die dieses neue Unternehmen vorantreiben. Die Kirche ist das Werk des Heiligen Geistes, den Jesus uns gesandt hat, um uns zu versammeln.“
Synoden sind Versammlungen von Bischöfen. Auf weltkirchlicher Ebene hat Papst Paul VI. sie am Schluss des Konzils ins Leben gerufen. Seitdem gab es 18 Vollversammlungen mit jeweils 137 bis 253 teilnehmenden Bischöfen sowie weiteren Gästen, darunter zahlreichen beratenden Laien. 2018 bekräftigte Papst Franziskus: „Die Bischofssynode, die in gewisser Weise ein Abbild des ökumenischen Konzils darstellt und dessen Geist und Methode widerspiegelt, besteht aus Bischöfen.“
Das Format der Synode wurde auch für Teilkirchen und einzelne Bistümer weiter entwickelt. Das kirchliche Gesetzbuch, der „Codex Iuris Canonici“ (CIC), regelt seit der Neufassung im Jahr 1983 auch die Rechte und Pflichten von Diözesansynoden. In Canon 460 heißt es dazu: „Die Diözesansynode ist eine Versammlung von ausgewählten Priestern und anderen Gläubigen der Teilkirche, die zum Wohl der ganzen Diözesangemeinschaft dem Diözesanbischof nach Maßgabe der folgenden Canones hilfreiche Unterstützung gewähren.“ Neben dem Klerus ist die gleichberechtigte Teilnahme von Laien vorgesehen, die vom Pastoralrat zu wählen sind.
Abweichungen machen das Vorgehen ungültig
Das hat einen einfachen Grund: Eine Diözesansynode regelt keine Angelegenheiten der Glaubens- und Sittenlehre, die dem bischöflichen Lehramt vorbehalten sind. Mit dem Konzil wurde der Auftrag der Laien hervorgehoben, durch ihren Dienst die Welt im christlichen Geist zu verwandeln. Das Konzil betonte: „Den Laien ist der Weltcharakter in besonderer Weise eigen … Sache der Laien ist es, Kraft der ihnen eigenen Berufung in der Verwaltung und in der Gott gemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen“ (Lumen Gentium Nr. 31). Mit der „Weltgestaltung“ ist das Apostolat zum Beispiel in Arbeitswelt, Familie, Gesellschaft und Politik gemeint. Am bekanntesten ist der Satz in der Konzilskonstitution Lumen Gentium (33): „Die Laien sind besonders dazu berufen, die Kirche an jenen Stellen und in den Verhältnissen anwesend und wirksam zu machen, wo die Kirche nur durch sie das Salz der Erde werden kann.“
Nachdem der Synodale Weg in Deutschland eine Abweichung von den weltkirchlichen Regeln für Synoden erkennen ließ, hat der Vatikan in einem Brief an die deutschen Bischöfe, datiert am 4. September 2019, deren Pläne für einen verbindlichen „Synodalen Weg“ in Deutschland als „ekklesiologisch ungültig“ bezeichnet. In einem an Erzbischof Kardinal Reinhard Marx adressierten Brief schrieb Kardinal Marc Ouellet, Leiter der Bischofskongregation des Vatikans, dass die Pläne für eine Plenarversammlung den Erwartungen des Briefs von Papst Franziskus vom Juni entsprechen müssten. Wie zu erwarten war, betonte Kardinal Marc Ouellet, dass eine Synode in Deutschland nicht die universale Lehre oder Disziplin der Kirche ändern könne.
„Prozess eigener Art“ weicht Regeln aus
Ein außerdem vom Präsidenten des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte unterzeichnete Gutachten besagt, dass die Vorhaben der deutschen Bischöfe gegen kirchenrechtliche Vorschriften verstoßen und darauf abzielen, die universalen Vorschriften und die Lehre der Kirche zu ändern. Erzbischof Filippo Iannone, Präsident des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte, stellte bei seiner juristischen Überprüfung der Entwürfe fest, dass die deutschen Bischöfe vier Schwerpunktthemen behandeln wollen: „Macht, Partizipation und Gewaltenteilung“, „Sexualmoral“, „Priesterliche Lebensform“, „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“.
„Es ist leicht zu erkennen, dass diese Themen nicht nur die Kirche in Deutschland betreffen, sondern auch die universale Kirche und – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nicht Gegenstand der Überlegungen oder Entscheidungen einer Partikularkirche sein können.“ Das römische Schreiben betont: Die Synodalität in der Kirche sei nicht gleichbedeutend mit Demokratie oder Mehrheitsentscheidungen, so Erzbischof Filippo Iannone.
Erzbischof Reinhard Kardinal Marx erklärte daraufhin, der Synodale Weg sei „ein Prozess eigener Art“ und könne daher nicht an den kirchenrechtlichen Vorgaben für Partikularkonzilien gemessen werden. Aber darf eine Ortskirche das weltweit gültige Kirchenrecht missachten und sinngemäß erklären, dass man sich selbst davon befreie?
Eine theologische Begründung als Erwiderung für die aus Rom vorgebrachten Einwände lieferte die Kirche in Deutschland nicht. Vielmehr wird auf der Homepage des Synodalen Weges hervorgehoben: „Der Synodale Weg ist kein (kirchenrechtlich) definiertes Format, sondern eigener Art (sui generis). … Die Verbindlichkeit der Erkenntnisse eines solchen Weges verantworten alle diejenigen, die offiziell an ihm beteiligt sind. Die Verbindlichkeit in der Umsetzung kommt je nach Thema dem Apostolischen Stuhl und/oder dem Ortsbischof zu. … Warum keine Synode: Eine Synode ist ein vom Kirchenrecht her klar definiertes Format, in dem von der Themensetzung bis zur Zusammensetzung der Teilnehmenden und deren Kompetenzen alles geregelt ist. Eine Synode bedarf der Zustimmung durch den Heiligen Stuhl, die oft erst nach einem längerfristigen Verfahren erteilt werden kann. Das verlangsamt das notwendige Tempo bei der Behandlung der anstehenden Fragen.“
Der Synodale Weg gibt damit offen zu, dass er das Kirchenrecht missachtet und es bevorzugt, den für alle weltweit geltenden Regeln auszuweichen. Für den vorgetragenen Grund, nämlich das verzögerte Tempo, gibt es weder Veranlassung noch Begründung.
Das war vor 50 Jahren anders: Damals veranstaltete die katholische Kirche in Deutschland bereits eine Synode zum Umsetzung der Beschlüsse des 2. Vatikanischen Konzils. Weil es noch keine kirchenrechtlichen Regelungen gab, stimmten die deutschen Bischöfe alle wichtigen Regelungen – auch die Beteiligung der Laien – mit dem Vatikan ab. Papst Paul VI. erteilte der deutschen Synode am 3. Januar 1971 seinen apostolischen Segen. Bei der gegenwärtig stattfindenden Veranstaltung ist ungewiss, ob und wie die Deutschen den Vatikan überhaupt offiziell in Kenntnis gesetzt haben. Das Schreiben von Kardinal Marc Ouellet aus dem Vatikan gibt Anlass zu Zweifeln, dass dies überhaupt erfolgt ist.
Papst unzufrieden mit deutscher Reaktion
Ein Dissens zwischen dem Vatikan und der Mehrheit in der deutschen Bischofskonferenz wurde also von Anfang an deutlich. „Warum hat der Synodale Weg den Brief von Papst Franziskus nicht ernster genommen und, wie es sich für eine Synode gehört, die kritischen Fragen im Licht des Evangeliums betrachtet?“ Das fragte kritisch Kardinal Walter Kasper, der emeritierte Präsident des Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen, im Interview mit dem „Passauer Bistumsblatt“. Der Synodale Weg gebe „in der Öffentlichkeit wahrlich kein gutes Bild. Ich mache mir große Sorgen, bin jedoch mit einem abschließenden Gesamturteil vorsichtig“.
Ob der Synodale Weg ihm den Schlaf raube, wollte Ende August 2021 ein Journalist von Papst Franziskus wissen. Als Antwort verwies der Heilige Vater auf seinen Brief „An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“: „Ich habe einen Monat lang daran gearbeitet, und ihn persönlich auf Spanisch geschrieben, der dann ins Deutsche übersetzt wurde“ (CNA, 13. September 2019). Er habe in den vielen Bischöfen, mit denen er gesprochen habe, „keinen schlechten Willen“ feststellen können. Aber „sie berücksichtigen nicht einige Dinge, die ich in dem Brief anspreche.“ Diese Worte des Papstes sind eindeutig.
Deutliche Kritik äußerte auch der ehemalige deutsche Kurienkardinal Paul Josef Cordes. Hier „verschwimmt der Rang der Glaubensdimension“, so Kardinal Cordes in einem umfangreichen Aufsatz. Nach Ansicht des Kardinals unterwirft das deutsche Synodenstatut die Glaubenswahrheiten der Abstimmung der synodalen Zusammenkunft und unterlasse den Hinweis auf die Entscheidungen des höchsten kirchlichen Lehramts.
Die höfliche, aber unüberhörbare Sorge und Kritik aus dem Vatikan setzte sich fort. So erinnerte Papst Franziskus an die vom Konzil festgehaltene Aufgabenteilung: „Das Konzil ist das Lehramt der Kirche. Entweder ist man bei der Kirche und folgt daher dem Konzil, und wenn man dem Konzil nicht folgt oder es auf seine eigene Weise interpretiert, wie man will, ist man nicht bei der Kirche. In diesem Punkt müssen wir anspruchsvoll und streng sein“, sagte Papst Franziskus am 30. Januar 2021 bei einer Audienz mit Katechisten in Rom.
Aufhorchen lässt das Grußwort des Apostolischen Nuntius am 23. Februar 2021: Zum Auftakt der Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischofskonferenz rief der Apostolische Nuntius als Vertreter des Papstes in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterovic, die versammelten Bischöfe dazu auf, die „lebendige Tradition der Kirche“ zu wahren und wies auf die „Sorge des Papstes um das rechte Verständnis von Synodalität“ hin. „Auch die katholische Kirche in Deutschland befindet sich in einer Krise“, betonte Eterovic in seinem Grußwort. Ebenso in seinem Grußwort zum Auftakt der Herbstvollversammlung der deutschen Bischofskonferenz ermahnte der Nuntius am 20. September 2021 die deutschen Bischöfe, fest verbunden in der Einheit der katholischen Kirche zu bleiben.
Teilnehmerin berichtet über ihre Qualifizierung
Über die Qualifizierung einzelner Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Synodalen Weges berichtete das Online-Portal katholisch.de. Es interviewte eine 22-jährige Sozialarbeit-Studentin, die nach ihrer Mitarbeit befragt wurde und u.a. antwortete: „Ich fand es ehrlich gesagt ziemlich schwierig, mich inhaltlich darauf vorzubereiten. Es war mir nicht möglich, alle Texte, die eingereicht wurden, zu lesen. Es waren sehr viele und sehr lange Texte und der Synodale Weg ist nicht mein Hauptberuf. Ich war im Praxissemester, habe nebenbei gearbeitet und einen Umzug gestemmt. Daher konnte ich die Texte nur überfliegen und ich habe auf die Expertise von vielen Menschen gehofft und mich mit anderen ausgetauscht und Expertisen eingeholt. … Gerade bei den Kommentierungen hatte ich nicht die Zeit und nicht die Muße dazu, mitzukommentieren. Und ich glaube, das ging vielen anderen auch so. Das liegt nicht daran, dass wir nicht willig gewesen wären, sondern einfach daran, dass das quasi unsere Freizeit ist, die wir hier gerade hergeben und im normalen Alltag nicht so viel Zeit dafür ist.“
Diese Äußerung zeigt, welche unterschiedliche Voraussetzungen die Teilnehmenden mitbringen, deren Versammlung für sich beansprucht, über weltweit gültige Lehraussagen der katholischen Kirche mitbestimmen oder sie zumindest beeinflussen zu können.
Ob die realisierte Gesprächskultur beim Synodalen Weg den vom Papst aufgezeigten Erfordernissen entspricht, muss aufgrund vorhandener Schilderungen aus dem Teilnehmerkreis angezweifelt werden.
Buh-Rufe und „Rote Karten“
„Ich habe oft den Eindruck, es geht auf dem Synodalen Weg mehr um Machtpolitk, Interessen und Tagesordnungsmanagement als um Geschwisterlichkeit und Geistlichkeit und das Hören auf den Geist Gottes“, schilderte die Teilnehmerin Dorothea Schmidt. „De facto signalisieren manche Teilnehmer mit in die Luft fliegenden roten oder grünen Karten vom BDKJ, durch Applaus oder Buh‐Rufe, was sie von Wortbeiträgen halten.“ Dass die Ziele des Synodalen Weges längst festgezurrt waren, habe sie bereits zu Beginn der Veranstaltungen festgestellt: „Jeder Widerspruch dazu sowie Beiträge unter Berufung auf die göttliche Offenbarung wurden im Keim erstickt, Einwände wurden abgelehnt.“ Schon bei der ersten Synodalversammlung sei den konservativen Teilnehmern das Wort gekappt und seien kritische Wortmeldungen „unter den synodalen Tisch“ gefallen. „Das kann natürlich passieren, aber seltsam war es.“
Sie habe manchmal den Eindruck, man wolle solche Stimmen am liebsten aus dem Diskurs werfen. „Als ich in einem Wortbeitrag über die Ergänzung und Polarität von Mann und Frau sowie zur katholischen Sexualethik sprach – da rauften sich die Matadore die Haare, schüttelten sich vor Entsetzen und rangen vor Empörung um Fassung.“ Alternativtexte seien mit dem Argument vom Tisch gewischt worden, dass das „zu viel kleinteiliges Arbeiten“ bedeutet hätte. Kritische Äußerungen zur Mehrheitsmeinung wurden teils als „törichte Bemerkungen“ bezeichnet. Dorothea Schmidt empfand dies als Framing, „in der Schule würde man Mobbing sagen.“ Ihre Erlebnisse hat sie in einem Buch beschrieben: „Pippi-Langstrumpf-Kirche. Meine Erfahrungen auf dem Synodalen Weg.“ Es ist bereits in zweiter Auflage erschienen.
Gegenbewegungen als Reaktionen
Es gibt weitere Reaktionen: Das Bistum Regensburg hat zum Beispiel eine Homepage eingerichtet, um Alternativtexte, Kommentare und vatikanische Stellungnahmen zu den Beschlussentwürfen des Synodalen Weges zu veröffentlichen und Presseberichte zur Verfügung zu stellen. „Wir wissen uns im Einklang mit den römischen Stellungnahmen“, schreibt Rudolf Voderholzer, Bischof von Regensburg, in der Einführung, und teilt mit: „Wir gehen den Synodalen Weg mit, kommen aber mehr und mehr zu der Überzeugung, dass er in den bisher gefahrenen Gleisen nicht ans Ziel führen kann. … So gut es ging, wurden die hier vorgelegten Argumente in den Prozess des Synodalen Weges eingebracht. Aufgrund der dort herrschenden Mehrheitsverhältnisse wurden und werden sie aber bislang nicht berücksichtigt.“
Eine weitere Gegenbewegung geht vom „Arbeitskreis christlicher Anthropologie“ und der damit verbundenen Initiative „Neuer Anfang“ aus, auf deren Homepage bereits 6.000 Unterschriften gesammelt wurden. Sie wurden dem Papst am 5. Januar 2022 überreicht. Diese Initiative hat ein Reform-Manifest veröffentlicht, das neun Thesen aufstellt:
- Legitim sind Forderungen in der Kirche nur dann, wenn sie aus dem Evangelium begründet, in den Glauben aller eingebettet und von der universalen katholischen Kirche mitgetragen werden.
- Die Kirche bedarf einer Reform an Haupt und Gliedern, aber jede echte Reform in der Kirche beginnt mit Bekehrung und spiritueller Erneuerung. Die Kirche gewann noch nie Salz und Licht zurück durch Reduzierung der Ansprüche und strukturelle Anpassung an die Welt.
- Wir sind Teil der „einen, heiligen, apostolischen und katholischen Kirche“. „Dass alle eins sind“, ist Jesu letzter Wunsch. Wir leiden schon heute genug unter den Spaltungen des Leibes Christi und wollen nicht noch einmal eine deutsche Sonderkirche.
- In der Kirche geht alle Macht vom Herrn aus. Macht in der Kirche ist immer nur geliehene Macht, und sie kann nur in demütigem Dienst an den Menschen bestehen. Ihre Ausübung muss legitim und transparent sein; falschen Machtgebrauch von Hirten aber mit der Herrschaft der Büros zu beantworten, ist kein Weg für die Kirche.
- Dem Beispiel Jesu folgend, muss das Charisma von Frauen in der Kirche noch tiefer erkannt werden. Es ist aber abwegig, die Zuweisung des priesterlichen Dienstamtes an Männer als Diskriminierung von Frauen zu deuten.
- Das Sakrament der Ehe ist der Bund einer Frau und eines Mannes mit Gott und das unvergleichliche Heilszeichen für die Treue Gottes zu seinem Volk; dieses Zeichen darf niemals in eine Reihe gestellt werden mit rein menschlichen Verbindungen welcher Art auch immer.
- Keinem Menschen darf der Segen Gottes vorenthalten werden. Die Kirche muss aber jeden Anschein vermeiden, als würde sie einen dem Ehesakrament vergleichbaren Segen zur „Ehe für alle“ und zu gleichgeschlechtlichem Sex geben.
- Der Dienst der Kirche an der Welt ist Laien und Priestern gemeinsam und ohne Unterschied in den Zielen und der Würde anvertraut. Trotzdem sollten Laien tun, was nur Laien tun können und Priester den Dienst leisten, wozu sie durch die Kirche berufen und durch die Weihe befähigt wurden.
- Der sexuelle Missbrauch ist der Mühlstein um den Hals der Kirche. Amtsträger in der Kirche sind zu messen an der Transparenz, mit der sie Vergehen in der Vergangenheit aufarbeiten und Prävention für die Zukunft betreiben. Wir wenden uns aber gegen den Missbrauch mit dem Missbrauch.
Von Martin Grünewald
Der Text erschien erstmalig als 6-teilige Serie bei Catholic News Agency.