Über päpstliche Bombenentschärfungen und die Kunst des Zuhörens. Wie geht es einem jungen Redakteur in Rom während der Weltsynode? Interview mit dem EWTN-Mitarbeiter Rudolf Gehrig aus dem synodalen Rom.

Lieber Rudolf, seit etwa anderthalb Jahren lebst du in Rom. Hast du dich als Deutscher bereits italienisch akklimatisiert?

Ja und nein. Die Hitze und die Bürokratie machen mir stellenweise schon noch zu schaffen. Aber das fantastische Essen, die historisch aufgeladene Atmosphäre der Stadt und die Möglichkeit, jederzeit mit Warnblinkanlage in zweiter Reihe parken zu können, machen alles wieder wett. (lacht)

Seit Anfang Oktober tagt die Weltsynode im Vatikan. Viele hat überrascht, dass nach den Eröffnungsriten erst einmal die Vorhänge über das Synodengeschehen fielen. Ist Rom dennoch anders als zu normalen Zeiten?

Man merkt schon, dass die Stadt rund um den Vatikan wieder etwas „voller“ geworden ist. Da kann es schon passieren, dass man in der Mittagspause noch häufiger der katholischen Prominenz über den Weg läuft als zu normalen Zeiten. Und wann kriegt man schon die Gelegenheit, Bischof Bätzing und Bischof Oster in trauter Mitbrüderlichkeit durch Rom schlendern zu sehen?

Wie kommst du als EWTN-Redakteur in Rom an Informationen?

Bei dieser Synode ist es natürlich nicht ganz so einfach, da dem Heiligen Vater wichtig ist, dass Diskretion gewahrt wird, um einen vertrauensvollen Austausch unter den Teilnehmern zu gewährleisten. Das gilt es zu respektieren. Ganz generell ist es bei meiner Arbeit in Rom aber so, dass wir immer im engen Austausch mit dem Pressebüro des Heiligen Stuhls sind. Ich muss viel herumtelefonieren, Emails schreiben und wende mich vor allem auch sehr gerne an die erfahreneren Kollegen, die schon lange hier sind und über ganz andere Kanäle verfügen als Neuankömmlinge wie ich. Um an die ganz heißen Informationen zu kommen, ist der persönliche Draht zu jenen Leuten wichtig, die etwas zu sagen haben. Da trifft man sich dann ganz klassisch in der Bar auf einen Kaffee oder am Abend zur Pasta mit Ochsenschwanz und kommt so an seine Hintergrund-Informationen.

Spielen die Terroranschläge und die Kriegsgefahr im Nahen Osten eine erkenn­bare Rolle im „synodalen“ Rom?

Bereits einen Tag nach den entsetzlichen Terrorangriffen hatte Papst Franziskus beim Angelusgebet der unschuldigen Opfer gedacht. Am Mittwoch bei der Generalaudienz hat er mit Nachdruck die Freilassung der Geiseln gefordert. Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, hat nun außerdem dazu aufgerufen, den kommenden Dienstag, den 17. Oktober, als einen Tag des Fastens, des Gebets und des Gottesdienstes für den Frieden im Nahen Osten zu nutzen. Die Betroffenheit über die furchtbaren Ereignisse im Heiligen Land ist groß.

Der Begriff einer Synode über Synodalität erschien mir immer etwas redundant. Als würde da etwas veranstaltet, dessen Ziel die Beschäftigung mit sich selbst ist. Wie passt das zur Warnung des Papstes vor der Selbstbezüglichkeit der Kirche?

Wir sollten jetzt nicht den Fehler machen und diese Synode mit dem „Synodalen Weg“ in Deutschland verwechseln. Papst Franziskus hat immer wieder betont, dass die Synode kein Parlament ist. Bei einer Pressekonferenz im Juni hat auch Kardinal Jean-Claude Hollerich unterstrichen, dass der deutsche „Synodale Weg“ keinesfalls ein Vorbild für die Weltsynode sei. Die Gefahr, nur um sich selbst zu kreisen und das Ganze in eine reine „Laber-Veranstaltung“ ausarten zu lassen, ist natürlich vorhanden. Auf der anderen Seite ist diese Synode auch eine große Chance. Die Kirche befindet sich vor allem hier in Europa schon seit Jahren in einer schweren Krise. Vielleicht ist es an der Zeit einmal innezuhalten und sich auch untereinander zu fragen: Wer sind wir eigentlich? Ist das, was wir tun, noch im Sinne des Erfinders, also im Sinne Jesu?

Wie wird die deutsche Beteiligung an der Synode wahrgenommen? Professor Söding strotzt ja geradezu vor Selbstbewusstsein. Hat die Welt auf die Deutschen gewartet?

Natürlich kann man „die Deutschen“ nicht in einen Topf werfen. Ich nehme aber durchaus die Vorbehalte wahr, die aus den verschiedenen Ecken der Weltkirche den Deutschen entgegengebracht werden. Die Hauptverantwortlichen der Weltsynode wurden im Vorfeld nicht müde zu betonen und zu beschwichtigen, dass die Synode über Synodalität sich vom deutschen „Synodalen Weg“ unterscheiden wird. Es besteht durchaus ein gewisser Unwillen, wenn einige – nicht alle! – Deutsche versuchen, die kirchenpolitischen Grabenkämpfe und Forderungen, wie wir sie vom „Synodalen Weg“ kennen, nun auf der Weltbühne austragen wollen und dadurch der von Franziskus geforderte Primat der Evangelisierung in Vergessenheit gerät. Man darf nicht vergessen, dass Ende Juli, kurz, bevor die Synode losging, eine Abordnung der deutschen Bischofskonferenz extra nach Rom beordert wurde, um mit hochrangigen Kurienmitarbeitern drei Stunden lang hinter verschlossenen Türen über die theologischen Differenzen zu diskutieren. Hier machte schnell das Wort von einer „Operation Bombenentschärfung“ die Runde. All das zeigt: Papst Franziskus will zwar, dass auf der Synode offen diskutiert wird, er will aber auch vermeiden, dass sie von politischen Aktivisten innerhalb der Kirche vereinnahmt wird.

Wenn dir auf der Synode zwei Minuten Redezeit eingeräumt würden, was würdest du sagen?

Wenn ich in der Synode zu Wort käme, gehe ich mal davon aus, dass vor mir schon die ganzen klugen Theologen etwas gesagt haben. Also wäre es vermutlich besser zu schweigen. Oder aber ich könnte es machen wie Kardinal Reinhard Marx im September 2022 beim „Synodalen Weg“ in Frankfurt und die eine Frage stellen, die bereits Jesus nach seiner Auferstehung umtrieb: „Gibt es auch etwas zu essen?“ (Joh 21,5) (lacht). Aber Spaß beiseite. Jesus Christus muss in den Mittelpunkt. Sonst nix.

Die Synode wird von einigen geschmäht. Was ist deine liebste Verschwörungstheorie zur Synode?

Ich habe bereits bei früheren Synoden die Verschwörungstheorie gehört, dass deutsche Geistliche beim Betreten des römischen Bodens plötzlich entdecken, dass sie auch Hemden mit Priesterkragen im Kleiderschrank haben (lacht). Das ist natürlich eine infame Unterstellung, die der Großteil des deutschen Klerus mit aller Schärfe von sich weisen würde.

Das Interview führte Peter Esser


Peter Esser
ist 1962 am Niederrhein geboren, arbeitet als Cartoonist und Illustrator und begeistert sich für die Werke von J. R. R. Tolkien. Link: http://www.peteresser.de/

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