Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hat sich erstmals ein „Leitbild“ gegeben und beansprucht neuerdings, „demokratisch organisiert“ zu sein. Das ist nicht nur neu, sondern anmaßend und irreführend. Von der Weltsynode hat es offenbar nichts gelernt.

Von Martin Grünewald

Was ist demokratisch? Zumindest eine solche Herrschaftsorganisation, deren Repräsentanten aus allgemeinen, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen sind. Ist demnach das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) demokratisch organisiert? Bisher hat es das nicht von sich behauptet. In Statut und Geschäftsordnung des ZdK kommt das Wort „demokratisch“ jedenfalls nicht vor. Ebenso bisher nicht auf der ZdK-Homepage auf der Seite zu „Aufgaben und Selbstverständnis des ZdK“. Das hat sich jetzt seit dem 22. November 2024 geändert: Das ZdK hat an diesem Tag erstmals ein „Leitbild“ beschlossen und behauptet darin, es sei „demokratisch organisiert“. Stimmt das?

Der Drang zur demokratischen Legitimation

Kirchenpolitisch drängt das ZdK neuerdings in diese Richtung. Auch im neuen Leitbild heißt es: „Als ZdK stehen wir ein für Geschlechtergerechtigkeit und demokratische Strukturen in der Kirche.“ Da muss es selbst diesem Anspruch genügen, sonst wäre es unglaubwürdig. Da Statut und Geschäftsordnung des ZdK nicht geändert wurden, kann diese Frage anhand der strukturbildenden Rechtsvorschriften beantwortet werden. Wichtigste Frage: Ist es aus allgemeinen, freien und geheimen Wahlen hervorgegangen? 

 

Im Statut, das von allen Selbstaussagen die verbindlichste Wirkung aufweist, ist die Rede davon, dass das ZdK Anregungen gibt, mitwirkt an den kirchlichen Entscheidungen auf überdiözesaner Ebene und die Deutsche Bischofskonferenz in Fragen des gesellschaftlichen, staatlichen und kirchlichen Lebens berät. Ebenso, dass es gemeinsame Initiativen und Veranstaltungen der deutschen Katholiken, wie die Deutschen Katholikentage, vorbereitet und durchführt. Von demokratischen Methoden oder Aufgaben ist allerdings nicht die Rede.

Das ist auch nicht überraschend: Kirchenrechtlich ist Derartiges nicht vorgesehen. Konzil, Würzburger Synode und Statut schreiben den Beratungscharakter des ZdK fest. Das Statut macht den synodalen, aber nicht parlamentarisch-demokratischen Charakter durch die Zusammensetzung deutlich: Dem ZdK gehören 87 Persönlichkeiten aus den Diözesanräten an, 52 Persönlichkeiten aus den katholischen Verbänden, acht Persönlichkeiten aus Geistlichen Gemeinschaften und Bewegungen sowie aus den Säkularinstituten, ebenso 45 Persönlichkeiten aus dem öffentlichen und kirchlichen Leben als weitere Mitglieder, auch ehemalige Mitglieder, die noch Funktionen ausüben. Im Statut wird von einem „Erwerb der Mitgliedschaft“ gesprochen, weil das Verfahren vielfältig und nicht wirklich demokratisch ist. So werden die 45 Persönlichkeiten aus dem öffentlichen und kirchlichen Leben durch die anderen Mitglieder der ZdK-Vollversammlung „gewählt. Ein anderer Teil besteht aus Mitgliedern durch „Bestellung. Eine Quote sorgt für Ausgewogenheit unter den Geschlechtern. Aus allgemeinen, freien, gleichen und geheimen Wahlen ist es also nicht hervorgegangen.

Kein Entscheidungs-, sondern ein Beratungsgremium

Die demokratietheoretische Legitimation der ZdK-Mitgliedschaft hat schon allein deshalb keine Basis, weil es sich –  wie es das Konzil bestimmt hat – nicht um ein Entscheidungs-, sondern ein Beratungsgremium handelt. Der ordentliche Tagungszyklus ist laut Statut halbjährlich. 

Die bundesdeutsche Würzburger Synode hat nach dem Konzil in den Jahren 1971 bis 1975 das Wesen des Laienapostolats bereits in großer Tiefe dargestellt. Der Beschluss hält gleich am Anfang fest: „Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Kirche betont als brüderliche Gemeinschaft gesehen. Damit alle an der Sendung der Kirche teilhaben können, schenkt der Geist Gottes die Gaben oder Charismen, die zum Aufbau der Kirche und zur Erfüllung ihrer Heilssendung erforderlich sind (1 Kor 12). Jeder Christ hat ein ihm eigenes Charisma, das im Allgemeinen mit seinen natürlichen Fähigkeiten, mit seinem Beruf und seinen Lebensumständen im Zusammenhang steht (1 Kor 7,7.17.20.24). Dazu gehört die selbstlose Bereitschaft, Kirche als lebendige brüderliche Gemeinschaft zu verwirklichen und Dienste in ihr zu übernehmen (LG 12).“ 

Dem Laienapostolat hat das Zweite Vatikanische Konzil ein eigenes Dekret gewidmet. Es trägt den Titel „Apostolicam actuositatem“ (AA). Darin (Nr. 26) betont das Konzil: „In den Diözesen sollen nach Möglichkeit beratende Gremien eingerichtet werden. … Solche Gremien sollten, soweit wie möglich, auch auf pfarrlicher, zwischenpfarrlicher und interdiözesaner Ebene, aber auch im nationalen und internationalen Bereich geschaffen werden.“ Das Apostolat der Laien müsse „in rechter Weise in das Apostolat der Gesamtkirche eingeordnet sein. Weiter heißt es: „Es ist die Aufgabe der Hierarchie, das Apostolat der Laien zu fördern, Grundsätze und geistliche Hilfen zu geben, seine Ausübung auf das kirchliche Gemeinwohl hinzuordnen und darüber zu wachen, dass Lehre und Ordnung gewahrt bleiben.“

Synodale statt parlamentarische Struktur

Das Konzilsdekret AA enthält in Nr. 26 die Soll-Forderung, „beratende Gremien“ einzurichten: „Unbeschadet des je eigenen Charakters und der Autonomie der verschiedenen Vereinigungen und Werke der Laien werden diese Beratungskörper deren gegenseitiger Koordinierung dienen können.“ 

Von einem „Organ“ ist keine Rede, im Gegenteil: Die Formulierung des Konzils betont die Autonomie und Verschiedenheit der einzelnen Laieninitiativen und legt ihnen Koordinierung nahe – mehr nicht. Von einem Laienparlament oder gar einer obersten Laienregierung, die Kommandofunktion ausübt oder zu weitreichenden Direktiven bevollmächtigt wäre, kann nicht die Rede sein. Vom Aufbau her hat das ZdK nach wie vor keine parlamentarische, sondern eine synodale Struktur. Das hat sich auch nicht über Nacht durch eine neue Formulierung im Leitbild geändert. Das ZdK maßt sich vielmehr etwas an, was ihm weder zusteht noch von der Wirklichkeit abgedeckt wird. 

Das neue Leitbild formuliert außerdem: „Aus unserem Glauben leiten wir den Auftrag ab, Kirche, Gesellschaft und Politik aktiv mitzugestalten.“ Das ist eine Aufgabe für das Laienapostolat insgesamt und kein Spezialauftrag für das ZdK.

„Nicht über oder gleichrangig zur Bischofskonferenz“

Irrtümlich formuliert und allenfalls aus einem unrealistischen Wunschdenken bestehend ist auch eine weitere Formulierung des neuen ZdK-Leitbildes: „Synodalität realisiert sich in unserem gemeinsamen Beraten und Entscheiden mit den Bischöfen als Prinzip des kirchlichen Miteinanders.“ Gemeinsames Entscheiden der Laien mit den Bischöfen in deren ureigenen Aufgaben und Zuständigkeiten ist und bleibt eine Wunschvorstellung oder Anmaßung. Bereits in der Gemeinsamen Presseerklärung des Heiligen Stuhls und der Deutschen Bischofskonferenz vom 28. Juni 2024 wurde festgestellt, dass es sich beim Synodalen Ausschuss um ein „temporäres Arbeitsgremium“ handelt. Außerdem wurde einvernehmlich festgestellt: Ein „nationales synodales Gremium“ wird „nicht über oder gleichrangig zur Bischofskonferenz“ bestehen. 

Im Abschlussdokument der Weltkirche zur Synodalität vom 26. Oktober 2024 ist von synodaler Methodik die Rede. Dazu gehört aber keineswegs die Idee, dass Laien die Bischöfe in den ihnen lehrmäßig zustehenden Aufgabenfeldern in parlamentarischen Mehrheitsentscheidungen überstimmen können. Derartige Wünsche und Bestrebungen mögen in das Denken deutscher Laien gehören; auf Weltebene werden ganz andere Akzente gesetzt.

 

Bereits zuvor hatte Papst Franziskus unmissverständlich deutlich gemacht: „Ohne diesen Geist des Gebets gibt es keine Synodalität … Die Synode ist kein Parlament!“ Was weltkirchlich offenbar Konsens findet, wird in Deutschland bis heute von manchen nicht verstanden.

Der Vizepräsident des deutschen ZdK, Thomas Söding, hat an der Weltsynode teilgenommen. Ist es ihm nicht gelungen, den deutschen Laien im ZdK die Maßstäbe und Orientierungen der Weltsynode zu vermitteln und sie vom deutschen Sonderweg abzubringen?


Martin Grünewald
Der Journalist war 36 Jahre lang Chefredakteur des Kolpingblattes/Kolpingmagazins in Köln und schreibt heute für die internationale Nachrichtenagentur CNA. Weitere Infos unter: www.freundschaftmitgott.de

Bild: Adobe Stock

 

 

 

Melden Sie sich für unseren Newsletter an