Ein skandalöses sexuelles Bildungskonzept für katholische Schulen und ein Erzbischof, der abtaucht. Bernhard Meuser skizziert den Sachverhalt.
„Männlich, weiblich, divers“, das „Rahmenkonzept für sexuelle Bildung an den katholischen Schulen im Erzbistum Hamburg“ steht, trotz scharfer Proteste, noch immer auf der Homepage der Erzdiözese Hamburg. Das ist so schlimm wie nützlich. Jeder Laie kann
a) sehen, wes Geistes Kind das Papier ist,
b) was Schülern, Eltern, Schulleitern und Lehrern da zugemutet wird,
c) wie inkompatibel es mit dem christlichen Menschenbild und der Identität der Kirche ist und
d) mit welchem bürokratischen Nachdruck hier alle Beteiligten unter Druck gesetzt werden.
Das Papier liest sich, als sei es in einer woken Kaderschmiede und unter der Aufsicht von Gay- und Genderlobbyisten entstanden. Erfreulich offen wird der Guru hinter dem Konzept erwähnt; es „… stützt sich dabei unter anderem auf den Sexualwissenschaftler Uwe Sielert…“ Sielert, Sielert, Sielert, – immer wieder wird auf Sielert Bezug genommen.
Meisterschüler eines pädokriminellen Missbrauchstäters
Nun muss man wissen, wer Uwe Sielert (* 1949) ist. Das „Institut für Sexualpädagogik“, der linkshegemoniale Monopolist in Sachen Sexualaufklärung, dem wir alle Tendenzen der Elternenteignung in deren Kernaufgabe Sexualerziehung verdanken, verortet den Mann, dem sich die Hamburger Kirchenleute nun als Guru verschreiben:
„Die Sexualpädagogik in der BRD ist von Helmut Kentler und Uwe Sielert geprägt worden.“
Uwe Sielert ist der Meisterschüler des pädokriminellen Missbrauchstäters Helmut Kentler. In Sielert steckt Kentler wie die eine Matroschka-Puppe in der anderen. Bein vom Bein, Fleisch vom Fleisch! Sielert hat sich weder von seinem „väterliche(n) Freund“ (so Sielert-Weggefährte Frank Herrath) losgesagt, noch von dessen Lehre, die linear in bestürzenden Missbrauch führte, – ein Zusammenhang, den mittlerweile eine ganze Reihe von Studien belegen. Wer sich die „Sexualpädagogik der Vielfalt“ näher anschaut – beispielsweise im Kohlhammer-Buch „Ahrbeck/Felder, Wege und Irrwege der Sexualpädagogik“ – wird nie wieder behaupten können, er habe nichts gewusst. Seit Kentler/Sielert ist die Rede von „Sexueller Bildung“. Bildung ist Staatsaufgabe. So werden unsere Kinder nun an den Eltern vorbei „gebildet“ – in „reproduktiver Gesundheit“ und anderen nützlichen Bildungsinhalten.
Erschrockene Eltern hatten Anfang Juni, unmittelbar nach der Präsentation, die Presse mobilisiert, dazu an den Projektverantwortlichen, Dr. Haep, geschrieben; sie hatten ihr Unverständnis zum Ausdruck gebracht und schlüssige Argumente vorgetragen, ohne freilich besonderen Widerhall zu finden. Sie initiierten sogar eine Unterschriftenaktion, die aber die komplexe Materie und die Brisanz der Vorgänge nicht in die breitere Öffentlichkeit vermitteln konnte. Die Eltern wählten leider den falschen Ansatz. Verantwortlich ist weder ein Ressortleiter wie Dr. Haep, noch ein Verwaltungschef wie Generalvikar Geißler, sondern allein der Erzbischof: Dr. Stefan Heße. Der Sache ist zudem nicht mit einer „Überarbeitung“ gedient, sondern nur mit dem Ersatz der gesamten Vorlage. Wo katholisch draufsteht, muss auch katholisch drin sein (und nicht das dunkle Kentler/Sielert-Gebräu). Mit anderen Worten: Man hätte den Erzbischof bei seiner Verantwortung packen müssen.
Es war keine Panne. Es war Absicht.
Nach einer Messe kam es auch zu einem Direktkontakt von Eltern mit Heße, die ihm eine Kopie des Briefes an Dr. Haep überreichten. Er habe, heißt es „jedem von uns anwesenden Eltern freundlich zugehört.“ Der Oberhirte bekundete sein Interesse an den Sorgen der Eltern und seinen aufrichtigen Lesewillen. Man könne sich ja im August mal treffen. Aber er werde jetzt erst einmal in Urlaub fahren.
Mögen die guten Eltern in ihrem Vertrauen nicht enttäuscht werden. Sie gingen wohl davon aus, ihr Bischof könne nicht recht überrissen haben, was seine untergeordneten Dienststellen da ins Werk setzten. Mehr spricht für die Annahme, dass zwischen den Erzbischof und seine ausführenden Organe kein Blatt passt. Wer kirchliche Apparate kennt, weiß, dass Papiere dieser Brisanz niemals an die Öffentlichkeit kommen, ohne dass der Bischof wünscht, sieht und segnet. Es war keine Panne. Es war Absicht. Das „Rahmenkonzept“ ist die Kapitulation vor dem sexualpädagogischen Mainstream, dazu die klammheimliche Umsetzung der verstiegenen Ideen von Sexualmoral, wie sie in Forum VI auf dem Synodalen Weg entwickelt, postwendend vom Vatikan verworfen und von Papst Franziskus disziplinarisch untersagt wurden. Erzbischof Heße war involviert. Öffentlichkeitsstrategie: Runterhängen! Es als normalen Verwaltungsakt maskieren! Den Bischof nicht in Erscheinung treten lassen! Von Bildung, Missbrauchsprävention und Pädagogik sprechen, niemals von Theologie!
Wäre es mit rechten Dingen zugegangen, so hätte der Erzbischof das unsägliche Dokument umgehend aus dem Verkehr gezogen. Um es einmal in gebotener Drastik zu sagen: Er hätte es dem Mann, der es scheinbar harmlos der Öffentlichkeit vorstellte – dem Hamburger Generalvikar – rechts und links um die Ohren gehauen. Er hätte die zuständigen Mitarbeiter umgehend einbestellt, um ihnen ein Privatissimum in christlicher Anthropologie und katholischer Sexualmoral angedeihen zu lassen. Es geschah nicht. Das gibt uns Rätsel zur Person des Erzbischofs auf, der sich nicht nur in Urlaub, sondern auch in ein Dilemma begibt: Entweder ist er „Komparse“ oder er hat vor der strukturellen Gewalt seines Apparates kapituliert und sein Gewissen an Dritte abgetreten. Das hat Heße in Köln schon einmal getan, als ihm in elf Fällen von Vertuschung schwere Pflichtverletzungen vorgeworfen wurden; er trat sein Gewissen an einen Kardinal ab, der die Kirche nicht beschmutzt sehen wollte und deshalb eine Geheimakte „Brüder im Nebel“ führte.
Verfolgen wir die andere, nicht weniger fatale Spur: Das „Rahmenkonzept“ ist keine Karambolage mit dem eigenen Gewissen, sondern eine bischöfliche Überzeugungstat. Es ist „sein“ Konzept, – das Konzept des Erzbischofs. Er hat es sich zu eigen gemacht. Nur versteckt er sich hinter seinen Mitarbeitern, weil er genau weiß, dass er sich auf Kollisionskurs mit Lehre und Praxis der Kirche befände, würde er sich allzu stark identifizieren.
Wie Hunde vor dem Laden: Wir müssen draußen bleiben!
Dr. Martin Brüske und der Autor wollten Dr. Heße auf die eklatanten Widersprüche ansprechen. Schließlich ist „Hamburg“ überall: in Limburg, Essen, Fulda, Trier … Wo nicht? Zudem hatten uns Diözesane dringend um Hilfe gebeten. Der „Neue Anfang“ sichtete das Rahmenkonzept noch einmal und überprüfte vor allem die Kompatibilität der Annahmen mit geltenden Dokumenten des kirchlichen Lehramtes. Das Urteil: grotesk! Also schrieben wir Dr. Heße am 4. Juli 2025:
„Anders als Ihr Generalvikar („Das Rahmenkonzept stellt dabei keine neue Theologie vor, sondern versteht sich letztlich als pädagogisches Konzept“) sind wir der Auffassung, dass hier die theologische Substanz kirchlicher Lehre von Liebe, Ehe und Sexualität berührt, verfälscht und durch ideologische Konzepte überblendet wird, zumal darin Elternrechte verletzt und Kinder nicht beschützt, sondern neuen Gefahren ausgesetzt werden. Weil in der Kirche zu viel übereinander und zu wenig miteinander gesprochen wird, möchten wir in konkreten Dialog mit Ihnen treten. Wir möchten wissen, wo Sie stehen. Es sollte nicht sein, dass Gläubige mit der Annahme leben, der Erzbischof von Hamburg habe den Boden kirchlicher Lehre, wie er zuletzt in ´Dignitas infinita´ und ´Fiducia supplicans´ bekräftigt wurde, verlassen. Wir ersuchen freundlich um einen Gesprächstermin.“
Dr. Stefan Heße hatte keinen Gesprächsbedarf, ließ uns aber durch seine Assistentin dankend mitteilen:
„Das Rahmenkonzept versteht sich als pädagogische Handreichung für den schulischen Kontext. Ziel ist es, den Schulen Unterstützung zu geben.“
Das ist kommunikativer Kitsch. In süßem Kirchenton, wird uns die Tür vor der Nase zugeschlagen. Natürlich „dankt“ uns der Erzbischof nicht. Er ist genervt, hält uns für lästige Störer, die man administrativ abwimmeln kann. Wir stellen den rein pädagogischen Charakter des Dokuments explizit infrage, liefern Argumente (und hätten sie dem Erzbischof in 60 cm Entfernung unter die Lesebrille gehalten); er aber lässt uns dekretieren, es handle sich um eine „pädagogische Handreichung“. Diesen oberlehrerhaften Umgang mit Kritik sortieren wir in die Kategorie Neoklerikalismus ein.
Bischof, wo stehst Du?
Nun war abzusehen, dass eine persönliche Begegnung nicht konfliktfrei abgelaufen wäre. Katholiken haben das Recht, einen Bischof zu fragen: Wo stehst Du? Wie ernst nimmst du deinen Amtseid und deinen Auftrag, „unter der Autorität des Papstes … zu lehren, zu heiligen und zu leiten“ (Dominus Christus 11), wo du päpstliche Weisung ignorierst? Wie ernst nimmst du Can. 386 und 387 CIC, wo Du verpflichtet wirst, „die Glaubenswahrheiten, die gläubig anzunehmen und die im sittlichen Leben anzuwenden sind, den Gläubigen darzulegen und zu verdeutlichen“, wo Du Deine Administration gerade häretisch ins Kraut schießen lässt? Wo bremst du, die dabei sind, einen ideologischen Rahmen zu schaffen, in dem Kinder neuen Missbrauchsrisiken ausgesetzt werden und es in ethischer Hinsicht nicht mehr möglich ist, dass „die ganze christliche Glaubenslehre allen überliefert wird“? Wo ist deine apostolische Leidenschaft, „die Unversehrtheit und Einheit der Glaubenslehre … mit allen Mitteln“ und „in fester Haltung zu schützen“? Wann trittst Du als Person hinter deinem desorientierten Team hervor?
Immer häufiger erleben gläubige Katholiken die Mutlosigkeit von Bischöfen, die Kälte professioneller Religionsverwaltung und die strukturelle Gewalt der Apparate. Sie erfahren Ausgrenzung, werden routiniert abgebügelt oder salbungsvoll eingeseift. Dafür gehen für den längst entzauberten woken Universalismus noch immer Kirchentüren auf, als sei es das Neueste von der Wissenschaft. Manche Bischöfe müssen sich über ihren rapiden Vertrauensverlust im Volk Gottes nicht wundern. Gläubige haben das schlichte Interesse an einem unzweideutig katholischen Bekenntnis. Sie wollen sich nicht fragen müssen, ob ihr Hirte sein Gewissen an Dritte abgetreten hat oder ob er am Ende schon in die woke-katholische Kirche emigriert ist.
Bernhard Meuser
Jahrgang 1953, ist Theologe, Publizist und renommierter Autor zahlreicher Bestseller (u.a. „Christ sein für Einsteiger“, „Beten, eine Sehnsucht“, „Sternstunden“). Er war Initiator und Mitautor des 2011 erschienenen Jugendkatechismus „Youcat“. In seinem Buch „Freie Liebe – Über neue Sexualmoral“ (Fontis Verlag 2020), formuliert er Ecksteine für eine wirklich erneuerte Sexualmoral. Bernhard Meuser ist Mitherausgeber des Buches “Urworte des Evangeliums”.
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