Ist ein Austritt aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts unter Wahrung des katholischen Glaubens möglich? Diese Frage beschäftigt viele glaubenstreue Katholiken sehr. Neuer Anfang hatte um Rückmeldungen gebeten, welche Erfahrungen vor Ort gemacht werden in den Gemeinden und wie Sie alle damit umgehen, wenn Entscheidungen des Synodalen Weges umgesetzt werden, auch wenn sie gegen Lehre oder auch gegen Entscheidungen aus Rom gerichtet sind. Folgende Zuschrift zeigt beispielhaft, in welchen inneren Konflikten die Katholiken in ihren Gemeinden stehen:
„Liebes Team von Neuer Anfang,
vielleicht ist es Fügung, vielleicht etwas anderes: Ich war gerade dabei, eine E-Mail an mein hiesiges Standesamt zu schreiben mit der Bitte, meinen Austritt aus der Körperschaft vorzubereiten. Ich würde dann in Kürze persönlich vorbeikommen, um die Formalie zu besiegeln.
Da stieß ich auf den aktuellen Artikel „Das deutsche Kirchensteuer-Dilemma“ vom 03. Mai mit der Empfehlung, „keine übereilten Entscheidungen zu treffen und abzuwarten, was tatsächlich passiert.“ Deshalb habe ich vom Klick auf „Senden“ noch Abstand genommen. Würde ich in einer größeren Stadt wohnen und nicht in einem Dorf mit 2000 Einwohnern, in dem jeder jeden kennt, wäre die Entscheidung längst gefallen. Der Pfarrer, mit dem bereits ein ausführliches Gespräch stattfand, hat grundsätzlich Verständnis, scheint aber selbst insgeheim zu spüren, dass hier jemand gegen seinen eigenen Bischof rebelliert, was ihn vor Schwierigkeiten stellen könnte. Wie auch immer: Gerne dürfen Sie mein bereits vorbereitetes Schreiben als Beispiel veröffentlichen.“
Wir dokumentieren hier exemplarisch das bereits vorbereitete Schreiben des Lesers, es war nur ein Klick zum „Senden“ – ein Klick vom „Papierkorb“ entfernt. Wie wird sich der glaubenstreue, gewissensgebeutelte Katholik entscheiden?
„Sehr geehrtes Pfarrbüro,
nach reiflicher Prüfung meines Gewissens vor Gott habe ich mich dazu entschieden, aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts auszutreten und werde diese Entscheidung beim Standesamt amtlich machen. Die Schritte, die mich zu dieser Entscheidung geführt haben, haben keineswegs mit einem Abfall vom katholischen Glauben zu tun. Sie sind gewissermaßen sogar eine Bekräftigung desselben. Um dieses möglicherweise aufkommende Missverständnis aufzuklären, möchte ich meine Beweggründe im Folgenden darlegen:
„Zunächst ist es die Kirche, die glaubt und so meinen Glauben trägt, nährt und stützt.“ So lehrt es die katholische Kirche gemäß Nr. 168 im Katechismus. Dieser Glaube an das heilige Erlösungswerk Jesu Christi bildet den Stützpfeiler meines Lebens. Aus der Kraft der heiligen Sakramente, die unser Herr und Heiland Jesus Christus den Menschen für ewige Zeiten hinterlassen hat, schöpfe ich Kraft für die vielfältigen Herausforderungen des Alltags. Da der Glaube kein Stückwerk ist, das man sich nach Belieben zusammensetzen kann, ist es wichtig, sich mit der Weltkirche vereint zu wissen – in Einheit mit dem gläubigen Gottesvolk, den Priestern, Bischöfen, bis hin zum Papst.
Längst haben kirchliche Strukturdebatten in Deutschland einen breiten Raum eingenommen und das Antlitz Christi verdunkelt. Diese Debatten werden längst nicht nur von weltlichen Medien bestimmt, sondern sie entspringen gehäuft den kirchlichen Institutionen. Längst ist es völlig legitim, öffentliche kirchliche Ämter zu bekleiden und darin offensiv die Grundpfeiler des katholischen Glaubens zu bekämpfen, das Priestertum in Frage zu stellen oder Forderungen aufzustellen, die sich voll und ganz den christlichen Überzeugungen gegenüberstehen. Der vor wenigen Monaten unter Mitwirkung der kirchlichen Apparate eingeschlagene „Synodale Weg“ droht nun vollends die Einheit der Kirche zu sprengen, indem er falsche Lehren in die Überlieferung speist und das Licht des Glaubens dadurch bis zur Unkenntlichkeit auszulöschen droht.
Walter Kardinal Brandmüller hat in einem bemerkenswerten Beitrag vom 20. April 2023 mögliche Konsequenzen aus der aktuellen Lage der Kirche wie folgt zusammengefasst:
Gar mancher stellt sich nun die Frage, wie es denn weitergehen solle. Eine nüchterne Bestandsaufnahme eröffnet keine rosigen Aussichten. Denn das kirchliche „Establishment“ hat nur so lange Überlebenschancen, wie die Kirchensteuer fließt. (…) Wann schlägt die Stunde für den deutschen Katholizismus? Dieser Augenblick würde auch dann kommen, wenn die Bereitschaft der treuen Katholiken, den ganzen Bischofskonferenz–Zentralkomitee-Verbände-Apparat zu finanzieren, endgültig erschöpft wäre.
(…) Tatsächlich bedeutet das, dass bei fortdauerndem Versagen der Institutionen gegenüber der eigentlichen Sendung der Kirche es an den Gläubigen liegen könnte, dem Spuk ein geräuschloses Ende zu bereiten. Kirchenaustritt der Getreuen also? „Austritt“ aus dem Kirchensteuersystem ist wahrlich kein Abfall vom Glauben, auch wenn die Bischofskonferenz schon seit Jahr und Tag darauf insistiert, dass der „Kirchenaustritt“ die Exkommunikation nach sich ziehe – mit all ihren Folgen. Hat sie hiermit ihr Konto nicht beträchtlich überzogen?
Wie dem nun auch sei: Wie einst Israel, so steht auch der Kirche, den Christen, in einer zunehmend atheistischen und amoralischen Welt der Abschied von den Fleischtöpfen Ägyptens und der – wer weiß wie lange – Weg durch die Wüste bevor. Darauf gilt es – endlich – sich gefasst zu machen, und entsprechende Folgerungen daraus zu ziehen. (…) Wo immer der Glaube authentisch verkündet und gelebt, wo Liturgie ehrfürchtig und gewissenhaft gefeiert und christliche Bruderliebe gelebt wird – dahin fließen die Gaben der Gläubigen – ohne fundraising-Management. Ist das nicht ein Modell für die „kleine Herde“ der Zukunft? Was einmal möglich war – und außerhalb der „Kirchensteuer-Oase“auch heute noch gelingt, mögen die deutschen Katholiken beherzigen, wenn, anders als der nie versiegende Ölkrug des Propheten Elias, die Quelle der Kirchensteuer nicht mehr sprudeln wird. (Walter Kardinal Brandmüller)
So die Worte Seiner Eminenz. Da diese „Stunde für den deutschen Katholizismus“ unumkehrbar heranrückt, ja sogar bereits angebrochen scheint, habe ich meinen Austritt aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts als einzigen Ausweg gewählt, der mit meinem Gewissen vereinbar schien. Er ist das Ergebnis einen intensiven Ringens um eine gute Lösung, um den eigenen Überzeugungen treu zu bleiben. Es muss schließlich möglich sein, im Leib Christi zu verbleiben und aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts auszutreten.
Zur Klärung dieser Frage sei auf den Päpstlichen Rat für die Gesetzestexte, Prot. N. 10279/2006 vom 13. März 2006 verwiesen. Die im Folgenden zitierte amtliche Bekanntmachung wurde approbiert von Papst Benedikt XVI., der sie an alle Präsidenten der Bischofskonferenzen angeordnet hat.
ACTUS FORMALIS DEFECTIONIS AB ECCLESIA CATHOLICA
(…)
- Der Abfall von der katholischen Kirche muss, damit er sich gültig als wirklicher actus formalis defectionis ab Ecclesia darstellen kann, auch hinsichtlich der in den zitierten Canones vorgesehenen Ausnahmen, konkretisiert werden in:
- einer inneren Entscheidung, die katholische Kirche zu verlassen;
- der Ausführung und äußeren Bekundung dieser Entscheidung;
- der Annahme dieser Entscheidung von Seiten der kirchlichen Autorität.
- Der Inhalt des Willensaktes muss bestehen im Zerbrechen jener Bande der Gemeinschaft – Glaube, Sakramente, pastorale Leitung –, die es den Gläubigen ermöglichen, in der Kirche das Leben der Gnade zu empfangen. Das bedeutet, dass ein derartiger formaler Akt des Abfalls nicht nur rechtlich-administrativen Charakter hat (das Verlassen der Kirche im meldeamtlichen Sinn mit den entsprechenden zivilrechtlichen Konsequenzen), sondern dass er sich als wirkliche Trennung von den konstitutiven Elementen des Lebens der Kirche darstellt: Er setzt also einen Akt der Apostasie, Häresie oder des Schisma voraus. (…)
- Es wird überdies verlangt, dass der Akt von dem Betroffenen schriftlich vor der zuständigen kirchlich katholischen Autorität bekundet wird: vor dem Ordinarius oder dem eigenen Pfarrer, dem allein das Urteil darüber zusteht, ob wirklich ein Willensakt des in Nr. 2 beschriebenen Inhalts vorliegt oder nicht. Daher wird der actus formalis defectionis ab Ecclesia catholica mit den entsprechenden kirchenrechtlichen Sanktionen (vgl. c. 1364 § 1) nur vom Vorhandensein der beiden Elemente konstituiert, nämlich vom theologischen Profil des inneren Aktes und von seiner Bekundung in der festgelegten Weise.
Ich bekräftige, dass mein erklärter Austritt aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts lediglich zivilrechtlichen Charakter hat. Eine innere Entscheidung, die katholische Kirche zu verlassen, liegt nicht vor.
Um die Kirche weiterhin materiell zu unterstützen, werde ich auch künftig einen Beitrag für pastorale Zwecke entrichten. Darüber hinaus werde ich mich wie gewohnt für die Pfarrei und ihre vielfältigen Projekte engagieren und den Herrn und Heiland Jesus Christus darum bitten, er möge auch künftigem Wirken seinen Segen nicht verwehren.
Hochachtungsvoll am Fest des hl. Bruders Konrad von Parzham, 21.04.2023
(Der Name des Einsenders liegt der Redaktion vor)