Als Fastenserie posten wir jeden Freitag die Auslegung des Sonntagsevangeliums durch Dr. Martin Brüske.

Von der Bewährung zur Verklärung.
Zum Evangelium des zweiten Fastensonntags C Lk 9, 28-36

Sehen und Hören, Herrlichkeit und Passion – darum geht es am zweiten Fastensonntag. Offenbar wird, wer Jesus ist: Seine innere Herrlichkeit bricht durch. Gesetz und Propheten bezeugen ihn. Der Vater wird gegenwärtig. Doch dann bleibt Jesus allein zurück: Sein Wort zählt. Sein Weg durch die Passion zur endgültigen Herrlichkeit ist auch unser Weg.

Zwischen Taufe, Versuchung und Passion

Jesus betet. Drei Jünger schlafen. Liebe Leserinnen und Leser, merken Sie etwas? … Richtig! In unserem Evangelium von der Verklärung Jesu wird etwas vorweggenommen, das sich beim Auftakt von Jesu Leidensgeschichte im Garten Gethsemane wiederholt. Im Evangelium vom zweiten Fastensonntag sind die Herrlichkeit und die Passion Jesu ganz eng verbunden. Und gerade in dieser Verbindung ist Jesus der Sohn, der Mensch geworden ist, zu unserem Heil. Was in seiner Taufe erstmals offenbar wird, was sich in der Versuchungsgeschichte, die wir letzten Sonntag gehört haben, im vertrauenden Gehorsam bewährt, das wird jetzt in göttlichem Glanz offenbar: seine Sohnschaft. Für einen Moment bricht seine Herrlichkeit durch, seine Zugehörigkeit zum Vater, seine himmlische Existenz. Sie blitzt auf für einen kurzen Augenblick – um sofort wieder in die Verborgenheit zurückgenommen zu werden. Denn erst muss Jesus den Weg nach Jerusalem gehen. Dort muss er durch die Passion hindurch, muss sich der göttliche Heilsplan erfüllen, der ihn durch sein Sterben am Kreuz und durch seine Auferstehung zur bleibenden Erhöhung in Herrlichkeit führt. Wie es Gesetz und Propheten angekündigt haben, so ist die Verklärung eingebettet zwischen Taufe und Versuchung, Passion, Auferstehung und Erhöhung. Kurz danach wird Jesus den von Lukas ausführlich beschriebenen Weg nach Jerusalem beginnen. Zuvor hat Jesus gefragt: Wer bin ich für euch? Petrus hat ihn da als den Messias, den Gesalbten, bekannt. Nach dem Messiasbekenntnis hat dann Jesus aber sofort begonnen, sein Leiden anzukündigen und in die Kreuzesnachfolge, in die Nachfolge des Leidenden zu rufen. Die Jünger aber verstehen ihn nicht. Lukas betont dieses Unverständnis mit geradezu heftigem Nachdruck im unmittelbar auf die Verklärung folgenden Abschnitt, wenn Jesus den über die Größe Gottes begeisterten Jüngern erneut das Leiden des Menschensohns ankündigt: „Sie aber verstanden dieses Wort nicht, und es war vor ihnen verborgen, sodass sie es nicht begriffen. Und sie fürchteten sich ihn nach diesem Wort zu fragen.“(Lk 8, 45). Und im Grunde wird das bis Pfingsten so bleiben.

Auf dem Berg eine Nacht voller Glanz

In meiner inneren Bildwelt war für mich lange Zeit selbstverständlich, dass die Verklärung am hellen Tag stattfindet. Schaut man jedoch genau hin, finden sich gleich mehrere Indizien dafür, dass es sich wahrscheinlich eher um eine Nachtszene handelt: Jesus betet bevorzugt in der Nacht (und auch auf Bergen). Der Schlaf der Jünger, der hier nicht kritisiert wird, ist nach einem anstrengenden Aufstieg, der am Ziel bald in die Dunkelheit übergeht, völlig natürlich motiviert. Und schließlich verlassen Jesus und seine Jünger den Berg ausdrücklich erst am nächsten Tag. Das alles ist nicht zwingend, aber die nächtliche Stunde legt sich doch nahe. Jedenfalls ist bei einer nächtlichen Szenerie der Ausbruch des göttlichen Glanzes aus Jesus um so überwältigender. Überhaupt die Szenerie! Jesus und seine drei Begleiter – wieder einmal Petrus, Johannes und Jakobus, die Söhne des Zebedäus: erstberufene Zeugen, so etwas wie ein engster Kreis der Zeugenschaft – besteigen einen Berg, der nicht näher benannt wird. Die Tradition hat ihn als den Tabor identifiziert. Manche denken eher noch an den viel höheren und mächtigeren Hermon. Berge sind aber auch biblisch Orte der Gottesbegegnung! So erinnert der Berg der Verklärung auch an den Gottesberg des Sinai / Horeb, den Moses ebenfalls mit drei namentlich genannten Begleitern (und 70 Ältesten) betritt, um aus der Ferne anzubeten. Auch auf ihn lässt sich Gottes Herrlichkeit im Wolkendunkel nieder. In dieses Wolkendunkel muss Moses – dann allerdings allein – hinein, um das Zehnwort vom Sinai, die sogenannten „zehn Gebote“ als den Kern der Tora zu empfangen. Auf die soll Israel hören. Und als Moses vom Berg zurückkehrt, leuchtet sein Angesicht … 

Im Lichtglanz „seiner Herrlichkeit“ Gottes Königsherrschaft schauen

Die Verklärung widerfährt Jesus nicht aus Zufall. Der Abschnitt zuvor sprach am Ende vom Kommen des Menschensohnes „in seiner Herrlichkeit“. Dann aber kündigte Jesus an, dass einige der Umstehenden den Tod nicht schmecken werden, bis sie Gottes königliche Herrschaft, das „Reich Gottes“, sehen. Man hat geglaubt, darin eine „Naherwartung“ seiner Wiederkunft zu entdecken. In dieser Naherwartung aber habe sich Jesus über die Zukunft getäuscht. Nun möchte ich diese theologische Diskussion, die einen der Schlüssel zur jüngeren Theologiegeschichte bildet, hier nicht führen. Ich glaube, dass sie auf falschen Prämissen beruht. Sie führt uns aber viel zu weit weg. Es ist auch gar nicht nötig, sie zu führen. Denn Lukas stellt in seinem Evangelium einen völlig eindeutigen Zusammenhang her. Für ihn ist die Verklärung die Schau von Gottes Königsherrschaft. Schon der Auftakt der Verklärung: „Und es geschah nach diesen Worten, etwa acht Tage…“ stellt ja den Zusammenhang her. Aber viel wichtiger noch ist eine andere Verbindung: Sowohl im Blick auf den kommenden Menschensohn als auch im Schauen des verklärten Jesus ist ausdrücklich von seiner Herrlichkeit die Rede. Die Einheitsübersetzung macht diesen wichtigen, inhaltsreichen Akzent zugunsten nur vermeintlich besserer Verständlichkeit unsichtbar, wenn sie „in strahlendem Licht“ übersetzt. Schade! Griechisch heißt es aber eindeutig: ten doxan autou. Sein Lichtglanz, seine Herrlichkeit! Moses Gesicht leuchtete, weil er der Herrlichkeit Gottes begegnet war. Sie hinterließ sozusagen wahrnehmbare Spuren. Jesus und der Menschensohn (der zuvor geheimnisvoll für sich genannt wird, der aber natürlich kein anderer als Jesus ist) jedoch offenbaren ihre Herrlichkeit als ihre eigene. Also als eine, die ihnen ursprünglich zukommt und damit ihren göttlichen Ursprung zeigt! Denn Herrlichkeit: Das ist die Seinsweise, in der Gott offenbar ist. Schwere und Lichtglanz stecken in dem hebräischen Wort im Hintergrund. Wenn man so will: Das überwältigende Seinsgewicht des göttlichen Lichtglanzes, seine Wucht. Wem Gott Anteil an sich schenkt, dem schenkt er Teilhabe an diesem Lichtglanz. Deshalb sind Mose und Elia in unserem Evangelium auch „in Herrlichkeit“ – in diesem absolut lebendig machenden Glanz der himmlischen Sphäre. Denn dieser Glanz ist Leben in seiner dichtesten Form. Darin wurden Mose und Elia aufgenommen. Aber hier ist ausdrücklich nicht von „ihrer“ Herrlichkeit die Rede. Im Lichtglanz der Herrlichkeit dürfen die Jünger also für einen Augenblick die vollendete Königsherrschaft Gottes schauen. Sie ist identisch mit der verborgenen Herrlichkeit Jesu. Darin erfahren die Jünger, wer Jesus wirklich ist. Begreifen werden sie das erst an und nach Pfingsten. Schon der Gottesglanz sprengt alles, was wir kennen. Der Gottesglanz jedoch, der unlöslich mit dem Leiden Jesu in Jerusalem verbunden ist, kann nur im Heiligen Geist erfasst werden.

Elia, Moses und der Ausgang in Jerusalem

Jesus betet. Drei Jünger schlafen. Dann passiert es. Jesu Gesicht beginnt zu leuchten, von seinem Gewand geht gleißendes Licht aus. Licht, von innen: Seine Herrlichkeit! Geheimnisvoll treten zwei Gestalten hinzu: Mose und Elia, selbst himmlisch-herrlich leuchtend. Es entspinnt sich ein himmlisches Kolloquium über den „Ausgang“, den „Exodus“, der sich in Jerusalem (wo sonst?) „erfüllen“ soll. Gemeint ist nicht anderes, als der Tod am Kreuz, den Jesus auf Golgotha sterben soll. Der Exodus ist hier der Lebensausgang. Aber dabei bleibt es nicht. Der Exodus ist auch der Ausgang durch den Tod in Auferstehung, Erhöhung, Herrlichkeit. Aber ohne die Hingabe am Kreuz, die unser Heil erwirkt, wäre Gottes Plan nicht erfüllt. Der Weg zur Herrlichkeit führt durch das geheimnisvolle, göttliche „es muss sein“ der Passion. Den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus wird der geheimnisvolle Fremde, der kein anderer ist als der auferstandene Jesus, die Schrift, Gesetz und Propheten auslegen und sie so in den geheimnisvollen Liebesplan des Heils einführen: „Und er sprach zu ihnen: O ihr Toren, zu trägen Herzens, all dem zu glauben, was die Propheten geredet haben! Musste nicht der Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen? Und er fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in allen Schriften von ihm gesagt war. (Lk 24, 25-27).“

Und wir?

Die schlafenden Jünger erwachen. Sie bemerken den Lichtglanz, das himmlische Kolloquium. Sie hören noch vom Ausgang in Jerusalem und von der Erfüllung. Es brennt sich ein, aber natürlich – wer will es ihnen verdenken – verstehen sie nichts. Dann spüren sie, dass das Kolloquium sich dem Ende zuneigt. Sie spüren: Wenn Moses und Elia gehen, wird auch der Himmel sich wieder verschließen. Für die Schlaftrunkenen ist der Lichtglanz aber überwältigend schön. Der Moment soll bleiben. Alle Seligkeit liegt doch darin. Deshalb will Petrus, wie immer aktiv, drei Hütten bauen. Wohl eine Anspielung auf das Laubhüttenfest, die nicht ganz leicht zu deuten ist. Sukkot ist jedenfalls ein Dank- und Freudenfest: Erntedank. Vielleicht ist der Hintergrund in Sacharja 14 zu suchen. Dort ist vom Sukkot der Endzeit die Rede. Aber diese Ernte ist noch nicht da. Sie ist noch nicht durch die Passion hindurchgegangen. Das Aufleuchten der Herrlichkeit lässt sich nicht festhalten. Dann zeigt sich noch eine neue Präsenz. Sie wird angezeigt durch die Wolke. Es ist die Gegenwart des Vaters. Die himmlische Gesprächsgruppe wird in die Wolke aufgenommen, vielleicht auch die Jünger. Gerade noch in einer Seligkeit, die sie unbedingt festhalten wollten, geraten sie jetzt in Angst. Denn sofort ist die ungeheuerliche Theophanie Gottes auf dem Sinai, die Israel nicht ertragen konnte, in ihnen präsent. Und nun – der absolute Höhepunkt in unserem Evangelium – offenbart der Vater den Sohn. Seine Stimme ergeht. Es ist wirklich das ungeheure Ereignis der göttlichen Stimme, in der selbst Präsenz Gottes geschieht. Sie offenbart Jesus als den erwählten Sohn. Und sie verweist auf ihn. Und damit weist sie von sich weg: „Auf ihn sollt ihr hören.“ Gott wird jetzt und von nun an und endgültig gehört in der Stimme und im Wort Jesu. Sein Wort aber ruft uns in die Nachfolge auf dem Weg nach Jerusalem. Mich berührt immer wieder neu der Vers: „Während die Stimme erscholl, fanden sie Jesus allein.“ In dieser letzten Offenbarung durch die Stimme des Vaters, die ganz und gar auf den Sohn verweist, bleibt dieser allein zurück. Scheinbar ist alles wie zuvor. Der Lichtglanz der Herrlichkeit ist wieder verborgen. Es geht wieder in Alltäglichkeit mit rechten Dingen zu. Aber in diese Verborgenheit und Alltäglichkeit hat sich auch dieses ganze ungeheure Geschehen der Verklärung hineinversammelt. Jesus ist da. Auch jetzt. Sein Wort gilt. Seine Stimme ruft uns, die Stimme des guten Hirten, die die Schafe kennen. Lasst uns mit ihm gehen nach Jerusalem, um einst die Lebensfülle seiner Herrlichkeit zu erben.


Dr. theol. Martin Brüske
Martin Brüske, Dr. theol., geb. 1964 im Rheinland, Studium der Theologie und Philosophie in Bonn, Jerusalem und München. Lange Lehrtätigkeit in Dogmatik und theologischer Propädeutik in Freiburg / Schweiz. Unterrichtet jetzt Ethik am TDS Aarau. Martin Brüske ist Mitherausgeber des Buches “Urworte des Evangeliums”.

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