Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken war in der Heiligen Stadt. Ehrensache, dass der „Neue Anfang“ hautnah dabei war. Mit etwas Augenzwinkern berichtet Bernhard Meuser von einer kompensatorischen Lustreise nach Rom, bei der man wieder einmal nur knapp den Papst verpasste. Genießen Sie die Lektüre! Vielleicht bei einem Vino, einem Limoncello oder einem Grappa?

Man kennt das auch sonst von Beerdigungen. Sind einmal die Tränen geflossen und die Trauerreden verklungen, kippt die Stimmung. Es kommt zu dem, was die Wiener „a schöne Leich“ nennen. Man kehrt in ein ordentliches Gasthaus ein. Die Mienen hellen sich auf. Umarmung mit Tante Hilde. Kaffee. Torte. Schnittchen. Bier. Ein Körnchen. Und noch eins. „So jung kommen wir nicht mehr zusammen.“ Innerhalb kürzester Zeit weichen Schmerz und Bitterkeit über den Verlust des lieben Verblichenen einer ausgelassenen Verbrüder- und Verschwesterung. Große Zeiten werden beschworen, kühne Pläne geschmiedet.

Trauerarbeit am Gardasee? Nach Rimini? Auf nach Rom!

So war es wohl auch nach dem Ende des deutschen Synodalen Weges. Kaum war er beerdigt, wich die Weltuntergangsstimmung beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken einer ungeahnten Euphorie. Sollte man sie hysterisch nennen? Offenkundig unter Einfluss von „Korn und Wein im Überfluss“ (Ps 4,8). beschloss die zuvor in Mark und Bein erschütterte, ja sprachlos gewordene Sippschaft eine veritable Lustreise. Dank prall gefüllter Spesenkasse sollte es nun nicht etwa an den Gardasee gehen oder nach Rimini. Das hätte man irgendwie als Trauerarbeit verbuchen können. Die Parole lautete: “Auf nach Rom!“ Irre. Wer die Sippschaft kennt: eine Kack-Destination!

Wahrscheinlich war es der schlaue Thomas Söding, der den dialektischen Salto mortale vollbrachte und das Zentralkomitee auf „Alle Wege führen nach Rom“ einschwor. Es war schon ein Bravourstück erster Güte, die älter gewordenen Gewerkschaftsführer:innen von „Kirche“, denen nichts heiliger war als die Autonomie und nichts verhasster als die römische Glaubenskongregation, eben an diesen Un-Ort zu geleiten. Die Annahme steht, dass es Thomas Söding war, der Irme Stetter Karp beiseite nahm und ihr zuraunte: Irme, „als du jünger warst, hast du dich selbst gegürtet und gingst, wohin du wolltest. Wo du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst.“ (Joh 21,18) Und Irme soll geantwortet haben: „Thomas, so nimm denn meine Hände!“

Unterkunft im „Palazzo Marx“?

Nun hat Rom auch seine Vorteile. Wer wüsste das besser als der sinnenfrohe Kardinal Marx, dem in der Heiligen Stadt ein Satz wie „Gibt´s hier auch was zu essen?“ niemals über die Lippen gekommen wäre. Der weise Oberhirte ließ schon 2012 in erstklassiger Lage – Blick auf den Petersdom – und zum Schnäppchenpreis von 9,7 Millionen Euro in Rom eine Villa erwerben und sie für 4,3 Millionen herausputzen. Der Pressesprecher des Kardinals hatte seinerzeit beim Kirchenvolk um Verständnis für den „Palazzo Marx“ geworben; es handle sich keineswegs um „eine Luxusunterkunft für Kardinal Reinhard Marx.“ Wer das behaupte, liege „komplett falsch“; es handle sich vielmehr „um ein Haus der Begegnung, das Mitgliedern des Domkapitels, Mitarbeitern des Ordinariats, Vertretern der Laienräte, aber auch kleinen Pilgergruppen zur Verfügung stehen soll.“

Wo um Himmels willen war Franziskus?

Man fuhr also nach Rom, wo man sonst höchstens auf Einladung des Papstes hingefahren wäre. Der Mann in Weiß hatte in seiner ganzen Amtszeit Kreti und Pleti, den FC Barcelona und den Dalai-Lama empfangen, aber nicht das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, trotz inbrünstiger, ja kniefälliger Bitten von Matthias Kopp. Und auch jetzt – als ruchbar wurde, dass die Deutschen für drei Tage in Rom einfallen würden – verdrückte sich das Oberhaupt der Römisch-katholischen Kirche. Und zwar für ganze fünf Tage. Und nicht etwa um die Ecke! Nein, es musste Asien sein. Typisch. Hätte man dem Pontifex doch gerne vermittelt, dass die wackere deutsche Gottesvolksvertretung „nicht die Opposition zur Bischofskonferenz“ ist. Man habe ja auch nie, nie, nie im Sinn gehabt „neue Gremien (zu) schaffen, „sondern die bestehenden so weiter(zu)entwickeln, dass die Transparenz und Kontrolle … garantiert ist.“ Der Papst hätte schon verstanden: I CONTROLETTI SIAMO NOI! Und er hätte auch verstanden: Zum neuen Kirchenstil gehöre nun einmal „Beraten und Entscheiden“. Zusammenhänge, die man in Rom und anderen geistig zurückgebliebenen Regionen der Weltkirche noch nicht kennen, aber von den Deutschen („Umsonst haben wir empfangen …“, Mt 10,8) lernen kann. Für „die katholische Kirche in Deutschland sind sie der konsequente nächste Schritt, von dem weltweit viele hoffen, dass er auch bei ihnen gegangen wird.“

Programmgestaltung copy & paste

Wo der Papst nicht zu sprechen war, griff das ZDK – copy & paste – auf Formate zurück, die im Januar 2023 von der Initiative „Neuer Anfang“ in Rom erprobt wurden: Auf „Begegnungsebene“ führte der NA damals intensive Gespräche mit der Glaubenskongregation und wichtigen Mitarbeitern im Vatikan. Das erbrachte – wen wundert es? – exakt die gleichen Ergebnisse wie bei der ZDK-Delegation.  Thomas Söding: „Im Dikasterium für die Glaubenslehre haben wir sehr konstruktive Gespräch über den Synodalen Weg in Deutschland und weltweit geführt.“ Hätte von NA sein können. Nur reisten die Leute von „Neuer Anfang“ auf eigene Kosten  an; und sie verbanden die vielfältigen Begegnungen mit ranghohen Vertretern der Kurie mit einer Wallfahrt, während das ZDK zu einem „reinen Arbeitsbesuch“ in der Ewigen Stadt weilte.

Bei einem Schnäpschen sieht man schon mal doppelt

Arbeitsbesuch? … Na, na, wenn das mal nicht geprahlt ist! Die Damen und Herren werden sich auch der überbordenden Vielfalt lukullischer Angebote erfreut haben. Und, wie das so ist in Bella Italia: Es fließt der Wein in Strömen. Das Tiramisu will verdaut sein. Ein Amaretto ruft nach einem Limoncello, ein Grappa schreit nach dem nächsten, ein Wort gibt das andere. Und so war es wohl wieder Thomas Söding, der in feuchtfröhlicher Runde einen Toast auf Bischof Bätzing und Irme Stetter Karp ausbrachte, wobei er ein leuchtendes Zukunftsbild der Katholischen Kirche in Deutschland entwarf. Er gipfelte in dem Satz: „Was noch Zeit braucht: dass eine Doppelspitze den Bischöfen nichts nimmt, sondern viel gibt.“

Doppelspitze!

Zartes Erröten. Donnernder Applaus.

Augenrollen beim Kellner: „I tedeschi! …“


Bernhard Meuser
Jahrgang 1953, ist Theologe, Publizist und renommierter Autor zahlreicher Bestseller (u.a. „Christ sein für Einsteiger“, „Beten, eine Sehnsucht“, „Sternstunden“). Er war Initiator und Mitautor des 2011 erschienenen Jugendkatechismus „Youcat“. In seinem Buch „Freie Liebe – Über neue Sexualmoral“ (Fontis Verlag 2020), formuliert er Ecksteine für eine wirklich erneuerte Sexualmoral.


Illustration: Peter Esser

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