Der „Synodale Weg“ steckt momentan in einer Sackgasse. Einerseits haben sich die Befürworter sehr weit vorgewagt, andererseits haben die deutschen Bischöfe bei den Gesprächen in Rom Zusagen gemacht. Beides dürfte kaum miteinander in Übereinstimmung zu bringen sein. Jetzt wird auf vier deutsche Bischöfe unberechtigter Druck ausgeübt, meint Martin Grünewald, der die Ereignisse hier zusammenfasst.
Ratlosigkeit, Nervosität und Vorwürfe
Ein viertes Treffen des „Synodalen Ausschusses“ im Mai spiegelt deutlich die verbreitete Ratlosigkeit der Akteure wider. Nervosität verursacht zudem ein Brief von vier deutschen Diözesanbischöfen, der aus einer Aufzählung bekannter Fakten besteht und jetzt mit Vorwürfen durch Irme Stetter‐Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), und den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, beantwortet wurde. Das zeigt: Der als Reformprozess bezeichnete deutsche „Synodale Weg“ steckt in einer Sackgasse!
Machtverschiebung durch Minderheit der Bischöfe
Wie ist diese Situation entstanden? Am 10. September 2022 entschied die Synodalversammlung, ein „Beratungs- und Beschlussorgan über wesentliche Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft“ einzurichten, das „Grundsatzentscheidungen von überdiözesaner Bedeutung zu pastoralen Planungen, Zukunftsfragen der Kirche und Finanz- und Haushaltsangelegenheiten der Kirche, die nicht auf diözesaner Ebene entschieden werden“, trifft. Die Überschrift „Macht und Gewaltenteilung“ markierte dabei, worauf es ankam. Der die Machtübernahme vorbereitende „Synodale Ausschuss“ besteht aus den 27 Diözesanbischöfen, 27 vom ZdK gewählten Mitgliedern und 20 zusätzlich von der Synodalversammlung hinzugewählten Mitgliedern und verdeutlicht bereits durch seine Zusammensetzung die angestrebte Machtverschiebung.
Vier Stoppsignale aus Rom ignoriert
Der Beschluss vom 10. September 2022 wurde in der Zwischenzeit nie infrage gestellt, sondern jüngst sogar bekräftigt. Er verursacht einen Spagat, der unmöglich umzusetzen ist. Denn die vier deutschen Diözesanbischöfe, die sich bereits rat- und hilfesuchend an den Vatikan gewandt hatten, weisen in ihrem Brief auf die Realitäten hin: Der Heilige Stuhl hat am 21. Juli 2022 in einer Erklärung deutlich gemacht, dass der „Synodale Weg“ in Deutschland nicht befugt ist, die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten. Am 16. Januar 2023 haben drei Kurienkardinäle mit päpstlicher Zustimmung in einem gemeinsamen Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz darauf hingewiesen, dass niemand die Kompetenz hat, in der beschlossenen Weise einen „Synodalen Rat auf nationaler, diözesaner oder pfarrlicher Ebene einzurichten.“ Papst Franziskus hat in einem Brief vom 10. November 2023 die Aussage persönlich bekräftigt, dass der im Beschlusstext umrissene Rat mit der sakramentalen Struktur der katholischen Kirche nicht in Einklang zu bringen ist.
Kollision mit dem Kirchenrecht
Und nachdem alle römischen Interventionen in Deutschland ignoriert oder umgedeutet wurden, kam es vor einem Jahr zu einem erneuten Einspruch aus Rom. Die Kardinäle Pietro Parolin (Staatssekretär), Victor M. Fernandez (Präfekt des Glaubensdikasteriums) und Robert F. Prevost (Präfekt des Bischofsdikasteriums) bekräftigten in einem Brief vom 16. Februar 2024, dass der synodale Ausschuss kirchenrechtlich nicht legitimiert ist und die Deutsche Bischofskonferenz dessen Trägerschaft nicht übernehmen kann. Vor allem wurde erneut festgestellt, dass ein »Beratungs- und Beschlussorgan«, das »über wesentliche Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft« berät und »auf dieser Basis Grundsatzentscheidungen von überdiözesaner Bedeutung zu pastoralen Planungen, Zukunftsfragen der Kirche und Finanz- und Haushaltsangelegenheiten der Kirche trifft, „vom geltenden Kirchenrecht nicht vorgesehen“ ist.
Kein Einlenken seit mehr als einem Jahr
Mit welcher Beharrlichkeit die römischen Stoppzeichen ignoriert werden, hat das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) bewiesen, das sogar nach den vier erwähnten Einsprüchen aus Rom noch am 22. Mai 2024 in einem Beschluss des Hauptausschusses darauf beharrte: „Beraten und Entscheiden gehören zusammen, sowohl auf der Ebene von Pfarreien als auch auf der Ebene der (Erz-)Diözesen und auf der überdiözesanen Ebene.“ Und auch jetzt, beim „Synodalen Ausschuss“ am 10. Mai 2025 in Magdeburg, wurde bekräftigt, dass das neue Gremium „Grundsatzentscheidungen zu pastoralen Planungen und Zukunftsfragen der Kirche von überdiözesaner Bedeutung treffen“ soll.
Abkehr von der apostolischen Kirchenverfassung
Kommt darin Einsicht zum Ausdruck? Das Gegenteil trifft eher zu, denn das ZdK erklärte in dem zitierten Beschluss: „Synodalität dient der Inkulturation in die Demokratie“. Wie passt diese Aussage zu der von Papst Franziskus ständig wiederholten Warnung, dass Synodalität nicht mit Parlamentarismus zu verwechseln sei? Damit wird die ZdK-Perspektive eindeutig: Die apostolische, hierarchische, sakramentale Verfasstheit der Kirche soll einer demokratisch-parlamentarischen Struktur weichen!
Papst Franziskus und die gesamte Weltsynode unterscheiden sich fundamental vom deutschen Sonderweg in ihrem Verständnis von Synodalität. Es geht in Deutschland nicht um einen gemeinsamen Weg, der von einer breiten Mehrheit getragen wird, sondern um Parlamentarismus, der die Dominanz der (kleinsten) Mehrheit über die Minderheit erlaubt. Römische Synodalität gewinnt vielmehr Einmütigkeit durch das gemeinsame Erkennen dessen, was Gottes Willen entspricht.
Machtpoker anstelle eines gemeinsamen Weges
Auch nach dem am 10. Mai erfolgten Votum beim vierten Treffen des Synodalen Ausschusses sollen die Diözesanbischöfe nur eine Minderheit in dem neuen Gremium bilden, das nicht nur beraten, sondern entscheiden soll. Eine solche Zusammensetzung kollidiert mit dem Kirchenrecht – nicht nur, weil Bischöfe in der apostolischen Nachfolge die persönliche Verantwortung für Grundsatzentscheidungen tragen. Aber die nachhaltige Weigerung, auf die Einwände der Weltkirche einzugehen, irritiert. Sie zeugt nicht vom Hinhören auf den anderen und von praktizierter Synodalität, also dem Streben nach einem gemeinsamen Weg, der auf Einmütigkeit beruht und darin das Wirken des Heiligen Geistes zum Ausdruck kommen lässt. Hier werden eher die Spielregeln eines Machtpokers vorgeführt.
Unredliche Kommunikationsschlacht
Die bisherigen Abläufe deuten vielmehr auf eine Kommunikationsschlacht hin, die bereits in den jetzt vorgetragenen böswilligen Unterstellungen an die vier deutschen Bischöfe zum Ausdruck kommt – jenen deutschen Bischöfen, die keine Abweichung von der Weltkirche zeigen.
In Austeilen von Vorwürfen sind Irme Stetter‐Karp und Georg Bätzing nicht zurückhaltend. Ihr Antwortbrief an die vier Diözesanbischöfe liegt offenbar nur dem Portal „katholisch.de“ vor und steht sonst nicht im Wortlaut zur Verfügung. In dem veröffentlichten Bericht wird die Behauptung erwähnt, die vier Diözesanbischöfe hätten ihren Brief der Redaktion der Zeitung „Die Tagespost„ zugänglich gemacht. Für diese Unterstellung liefern Irme Stetter‐Karp und Georg Bätzing allerdings keine Belege, was ihren Vorwurf wertlos macht. Gleichzeitig praktizieren sie offenbar genau das Verfahren, das sie ihren Mitbrüdern unterstellen.
Außerdem werfen die beiden Vorsitzenden des „Synodalen Wegs“ den vier Mitbrüdern vor, sich „gänzlich“ zu „verweigern“, den mit Rom vereinbarten Weg mitzugehen. Offenbar ein falscher Vorwurf, denn die Weigerung der Vier bezieht sich allein auf die Mitarbeit im umstrittenen „Synodalen Ausschuss“.
Widersprüche werden weder angesprochen noch gelöst
Irme Stetter‐Karp und Georg Bätzing beschönigen die Weigerung, auf die Bedenken der von Rom vertretenen Weltkirche einzugehen: Auf der vierten Sitzung des Synodalen Ausschusses in Magdeburg seien „lediglich Grundsatzentscheidungen für die Satzung eines künftigen synodalen Gremiums auf Bundesebene gefasst“ worden. Genau an dieser Stelle wird das Dilemma des „Synodalen Weges“ deutlich. Ihre Akteure verharren in den bisher vertretenen, aber mit Rom kollidierenden Grundsätzen. Anstatt selbst einen Vorschlag vorzulegen, der kompromissfähig ist, fordern sie die Lösung für einen Ausweg aus den Unvereinbarkeiten von ihren Mitbrüdern, den vier zurückhaltenden Diözesanbischöfen. Diese sollen – so der zitierte Antwortbrief – in einem Gespräch „ihre Perspektive in unserem gemeinsamen synodalen Ringen um eine synodale Struktur der katholischen Kirche in Deutschland“ einbringen.
Ausweglosigkeit nach Erwecken uneinlösbarer Erwartungen
Diese Aussage bestätigt den Eindruck, dass Irme Stetter‐Karp und Georg Bätzing keine Verantwortung für das Erwecken uneinlösbarer Erwartungen mit dem „Synodalen Weg“ übernehmen wollen. Sie wollen nicht selbst die „Reforminitiative“ über die Kollisionspunkte und Unmöglichkeiten bei den unterschiedlichen Vorstellungen aufklären, sondern diese unbequeme und unpopuläre Aufgabe den vier Mitbrüdern überlassen, die sie durch öffentlichen Druck dazu veranlassen wollen. Die Vier haben aber keinen Grund, sich dem Druck zu beugen, und so bewegt sich die Kirche in Deutschland weiter auf der Stelle. Seit einem Jahr und vier Sitzungen des Synodalen Ausschusses sind Irme Stetter‐Karp und Georg Bätzing als Hauptakteure keinen Millimeter vorangekommen. Vielmehr wird stetig deutlicher, in welche Sackgasse sie die „Reforminitiative“ geführt haben.
Martin Grünewald
Der Journalist war 36 Jahre lang Chefredakteur des Kolpingblattes/Kolpingmagazins in Köln und schreibt heute für die internationale Nachrichtenagentur CNA. Weitere Infos unter: www.freundschaftmitgott.de
Dieser Beitrag erschien erstmalig bei CNA Deutsch. Martin Grünewald ist Mitautor des Buches „Urworte des Evangeliums“.
Beitragsbild: © Synodaler Weg / Maximilian von Lachner