Das Konzil gibt den Rahmen

Nicht nur das vielleicht wichtigste Dokument des 2. Vatikanischen Konzils „Lumen Gentium“ beschreibt Auftrag und Rahmen des Laienapostolates. Das Konzil hat den Laien ein eigenes, weitgehend unbekannt gebliebenes Dekret gewidmet. Es enthält wesentliche, teils detaillierte Aussagen über das Laienapostolat und dessen Strukturen. Die heutige Praxis weicht davon wesentlich ab – auch von den Beschlüssen der „Würzburger Synode“. Teil 3 der Serie über das Laienapostolat von Martin Grünewald.

Konzilsdekret „Apostolicam actuositatem“

Die zitierten Aussagen des Konzils in Lumen Gentium stehen nicht allein. Dem Laienapostolat hat das Zweite Vatikanische Konzil ein eigenes Dekret gewidmet. Es trägt den Titel „Apostolicam actuositatem“ (AA). Darin werden weitere Aussagen gemacht, wichtige Details bestimmt und die Lehre über das Laienapostolat wird weiter entfaltet. Leider wird dies zu wenig beachtet.

Über die Beteiligung der Laien am Sendungsauftrag der Kirche „nach Art des Sauerteigs“ sagt es in Nr. 2 aus:

„Durch ihr Bemühen um die Evangelisierung und Heiligung der Menschen und um die Durchdringung und Vervollkommnung der zeitlichen Ordnung mit dem Geist des Evangeliums üben sie tatsächlich ein Apostolat aus. So legt ihr Tun in dieser Ordnung offen für Christus Zeugnis ab und dient dem Heil der Menschen. Da es aber dem Stand der Laien eigen ist, inmitten der Welt und der weltlichen Aufgaben zu leben, sind sie von Gott berufen, vom Geist Christi beseelt nach Art des Sauerteigs ihr Apostolat in der Welt auszuüben.“

Bereits einen Satz später betont das Konzil das Bild des mystischen Leibes Christi:

„Pflicht und Recht zum Apostolat haben die Laien kraft ihrer Vereinigung mit Christus, dem Haupt. Denn durch die Taufe dem mystischen Leib Christi eingegliedert und durch die Firmung mit der Kraft des Heiligen Geistes gestärkt, werden sie vom Herrn selbst mit dem Apostolat betraut.“

Das Konzil behält dieses Bild bei und betont:

„Aus dem Empfang dieser Charismen, auch der schlichteren, erwächst jedem Glaubenden das Recht und die Pflicht, sie in Kirche und Welt zum Wohl der Menschen und zum Aufbau der Kirche zu gebrauchen. Das soll gewiss mit der Freiheit des Heiligen Geistes geschehen, der weht, wo er will (Joh 3,8), aber auch in Gemeinschaft mit den Brüdern in Christus, besonders mit ihren Hirten.“

Dessen Fruchtbarkeit hänge von einem „Leben innigster Vereinigung mit Christus“ ab.

Damit wird deutlich: „Machtverteilung“ bildet nicht den Fokus, sondern es geht um den Dienst am Aufbau des Leibes Christi – und dieser Dienst beginnt mit einem spirituellen Leben in der Nachfolge Christi und aus der Entdeckung des je eigenen Charismas. Das Konzil zählt die Gelegenheiten zur Ausübung des Apostolates auf:

„Alles, was die zeitliche Ordnung ausmacht, die Güter des Lebens und der Familie, Kultur, Wirtschaft, Kunst, berufliches Schaffen, die Einrichtungen der politischen Gemeinschaft, die internationalen Beziehungen und ähnliches mehr, sowie die Entwicklung und der Fortschritt…“

Das Konzil ermutigt Laien, jeden nach seiner Begabung und Bildung, „im Geist der Kirche noch eifriger bei der Herausarbeitung, Verteidigung und entsprechenden Anwendung der christlichen Grundsätze auf die Probleme unserer Zeit ihren Beitrag zu leisten“. Die Menschen, von der Erbschuld belastet, erlägen oft mannigfachen Irrtümern über das wahre Wesen Gottes, die Natur des Menschen und die Grundforderungen des Sittengesetzes; das führe

„zu einem Verfall der Sitten und der menschlichen Einrichtungen, ja die menschliche Person selbst wurde nicht selten mit Füßen getreten.“

Beratende Gremien auf allen Ebenen

Das Konzil benennt die Pfarrei, das Bistum, aber auch die interdiözesanen, nationalen und internationalen Bereiche als Aktionsräume. Was die Kooperation aller betrifft, so betont das Konzil in AA 26: „In den Diözesen sollen nach Möglichkeit beratende Gremien eingerichtet werden. … Solche Gremien sollten, soweit wie möglich, auch auf pfarrlicher, zwischenpfarrlicher und interdiözesaner Ebene, aber auch im nationalen und internationalen Bereich geschaffen werden.“ Das Apostolat der Laien müsse „in rechter Weise in das Apostolat der Gesamtkirche eingeordnet sein“.

Die „Verbindung mit denen, die der Heilige Geist dazu bestellt hat, die Kirche Gottes zu leiten“, wird betont. In AA Nr. 24 heißt es:

„Es ist die Aufgabe der Hierarchie, das Apostolat der Laien zu fördern, Grundsätze und geistliche Hilfen zu geben, seine Ausübung auf das kirchliche Gemeinwohl hinzuordnen und darüber zu wachen, dass Lehre und Ordnung gewahrt bleiben.“

Damit werden die Laien aber nicht an die kurze Leine genommen:

„In der Kirche gibt es nämlich sehr viele apostolische Werke, die durch freie Entschließung der Laien zustande kommen und auch nach ihrem klugen Urteil geleitet werden. Durch solche Werke kann die Sendung der Kirche unter bestimmten Umständen sogar besser erfüllt werden (AA 24).“

Einzige Einschränkung:

„Kein Werk aber darf sich ohne Zustimmung der rechtmäßigen kirchlichen Autorität ‚katholisch’ nennen.“

Zwei „Synoden“ zum Weg der Kirche

Die Kirche in Deutschland reagierte früh. Die „Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland“ („Würzburger Synode“) wurde bereits kurz nach Ende des Konzils ins Leben gerufen und tagte zu dessen Umsetzung von Januar 1971 bis November 1975. Die Würzburger Synode konstituierte sich im Konsens mit Rom und mit dem Segen von Papst Paul VI., dessen Grußtelegramm bei der Eröffnung verlesen wurde. Die römische Bischofskongregation approbierte das Statut. Anders beim Synodalen Weg (2019 bis 2023), der weder den formellen Kriterien einer echten „Synode“ genügte, noch sich den kirchlichen Verfahrensregeln unterwerfen wollte. Der Vatikan meldete dazu grundsätzliche Bedenken an und und verwies auf die Abweichung vom Kirchenrecht. Besonders die Absicht, alle Teilnehmer – vom BDKJ-Funktionär bis zum Bischof – gleich zu gewichten und mit jeweils nur einer Stimme auszustatten, dazu die Verfahrensregel, nicht einmal zwischen Beratungsprozess (decision making) und Beschlussfassung (decision taking) zu unterscheiden, erregte Befremden in Rom. Der „Synodale Weg“ sei ein „Prozess sui generis“, ließ der Münchner Kardinal Reinhard Marx daraufhin die Welt wissen. Dieser Geburtsfehler, von dem man nicht weiß, ob er lautere Absicht oder eine strategische Finte war, sollte sich bitter rächen, denn er trug zur Polarisierung, ja zur inneren Spaltung der Katholischen Kirche in Deutschland bei. Während die Protagonisten auf dem Synodalen Weg nicht müde wurden, die Verbindlichkeit ihrer Beschlüsse zu bekunden, konnten die Kritiker diese mit vollem Recht als „nullum“ bezeichnen und ihre Umsetzungen als widerrechtliche Willkürakte brandmarken.

Mit dem Segen des Papstes

Anders vor 50 Jahren: Wie zu Beginn, so verlas der Apostolische Nuntius auch beim Abschluss der Gemeinsamen Synode in Würzburg eine Grußbotschaft des Papstes, der seinen „Dank“ und seine „Anerkennung“ für die geleistete Arbeit aussprach. Diese Referenz bedeutete allerdings nicht die pauschale Anerkennung aller Beschlüsse, die freilich nur in seltenen Fällen mit weltkirchlichen Regelungen kollidierten, was den Synodenteilnehmern bewusst war und worauf sie Rücksicht nahmen.

Die Themen der Würzburger Synode waren praxisnah: Religionsunterricht in der Schule, Beteiligung der Laien an der Verkündigung, Gottesdienst, Sakramentenpastoral, Ziele und Aufgaben kirchlicher Jugendarbeit, Kirche und Arbeiterschaft, ausländische Arbeitnehmer, christlich gelebte Ehe und Familie, Entwicklung und Frieden, Verantwortung im Bildungsbereich, die Rolle der Orden, pastorale Dienste in der Gemeinde, Verantwortung des ganzen Gottesvolkes für die Sendung der Kirche, pastorale Strukturen und Leitung und Verwaltung der Bistümer, Schiedsstellen und Verwaltungsgerichte, sowie Ökumene. Den Abschluss bildete der „missionarische Dienst an der Welt“.

300 Mitglieder erarbeiteten 18 Beschlusstexte, sechs „Arbeitspapiere“ kamen hinzu. „Unsere Hoffnung“, ein sprachlich starkes Bekenntnis zum Glauben in dieser Zeit, faszinierte bis weit über den kirchlichen Binnenraum hinaus.

Viel gemeinsame Verantwortung, aber nicht in allem

Auch die Würzburger Synode enthielt eine gewisse Brisanz, da sie sich – entgegen der kirchlichen Tradition – nicht allein aus Bischöfen zusammensetzte; auch Priester und Laien gehörten ihr an. Ein Problem, auf das bereits Karl Lehmann, seinerzeit Dogmatiker in Mainz, hinwies. Der spätere Bischof und langjährige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz erklärte damals:

„Soweit sich das Teilnahmerecht (von Priestern und Laien) – wie z. B. bei der Diözesansynode – nur auf die gemeinsame Beratung und Konsultation, auf die Meinungsbildung und die Gesetzgebungsvorbereitung bezieht, ist das Problem noch relativ leicht lösbar. Wenn man jedoch versucht, Priester und Laien in den Gesetzgebungsprozess und in die Entscheidungsfindung selbst einzubeziehen, tauchen sehr schwierige theologische und rechtliche Probleme auf.“

Lehmann unterschied also zwischen making und taking.

Das Konzil hatte die gemeinsame Verantwortung aller Glieder für die Erfüllung der Sendung der Kirche im Weltdienst definiert, nicht aber für die Glaubens- und Sittenlehre. Daran änderte auch die Feststellung von Karl Lehmann nichts: Für ihn war auch klar, dass es in Würzburg nicht um die Praktizierung parlamentarischer Methoden ging:

„Das Bewusstsein, dass solche Kirchenversammlungen mehr sind als parlamentsähnliche Gebilde gesellschaftlicher und politischer Art, war gewachsen.“

In Würzburg noch unbestritten war die Bindung an den gemeinsamen Glauben der Kirche und das Agieren im Raum einer Hermeneutik der Kontinuität:

„Dies brachte“, so Karl Lehmann, „eine Bindung der Gemeinsamen Synode an Geist und Buchstaben des Zweiten Vatikanischen Konzils, ohne dass diese Bindung als beengend erfahren wurde. Die Zielsetzung war ‚pastoral‘ bestimmt.“

Anders als der „Synodale Weg“, nahm die Würzburger Synode für sich nicht in Anspruch, Glaube und Sittenlehre anzutasten und damit mit dem Lehramt der Bischöfe in Konflikt zu geraten:

„Soweit die Beschlüsse der Synode sich mit Glaubens- und Sittenfragen befassen, stehen sie unter dem Vorbehalt des Vetorechts der Bischöfe.“

Würzburg setzte das Konzilsdekret AA Nr. 26 um und nutzte die neu eröffnete Möglichkeit, „beratende Gremien“ einzurichten, in denen die Zusammenarbeit von Klerikern, Ordensleuten und Laien koordiniert werden sollte, unbeschadet der jeweiligen Autonomie der Bereiche.

Gremien zwischen Beratung und Verantwortung

Das Konzil ging vom Bestehen zahlreicher Laieninitiativen aus, die grundsätzlich autonom handeln. In dem neuen Beratungsgremium sollten sich alle gemeinsam mit Klerus und Ordensleuten begegnen und absprechen.

„Gerade die eigenständige Arbeit der gesellschaftlichen Organisationen bedarf der Freiheit in ihrer verbandstypischen Tätigkeit“,

heißt es im offiziellen Kommentar des Würzburger Synodenbeschlusses.

„Die von der Synode beschlossene Vorlage betont … die Eigenständigkeit dieser kirchlichen Organisationen im gesellschaftlichen Raum.“

Beispiel: Personalverbände wie Kolpingwerk, Katholische Arbeitnehmerbewegung und Bund katholischer Unternehmer waren und blieben selbstständige Organisationen auf dem gemeinsamen Boden der Katholischen Soziallehre, kooperierten aber gemeinsam mit den Vertretungen der Territorialgemeinden in den neu geschaffenen Räten (Pfarrgemeinderäte, Stadtkirchenausschüssen und Diözesanräten).

Auf der Ebene der Pfarrgemeinde wäre es möglich gewesen, zwei Gremien zu schaffen – so, wie auf Bistumsebene zwei Räte bestehen: für pastorale Aufgaben (Diözesanpastoralrat) einerseits und den Weltdienst (Diözesanrat) andererseits. Die offizielle Kommentierung des Würzburger Synodenbeschlusses hebt die „Erkenntnis“ hervor, „dass in dem räumlich kleineren Bereich der Gemeinde pastorale Aufgaben und der Dienst an der Welt und in der Gesellschaft so eng miteinander verbunden sind, dass hier ein einziges Gremium beide Aufgaben erfüllen kann“. Dabei obliege dem Pfarrer „die uneingeschränkte Hirtengewalt“. Ähnliches gelte auf Diözesanebene: „Die Amtsgewalt des Bischofs ist umfassend und uneingeschränkt.“ Und hat trotzdem jeweils einen eigenen Charakter, der sich nach dem Wesen des Gremiums richtet. Das bedeutet im Verständnis der Würzburger Synode:

„Im Diözesanpastoralrat findet das synodale Prinzip in der Kirche seine eigentümliche Ausprägung. Der Bischof ist der Inhaber der hierarchischen Gewalt. In der Kirche kann es nicht eine Dreiteilung der Gewalt wie im staatlichen Bereich nach Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung geben. Andererseits ist die Machtfülle des Bischofs in sich so verschieden – ein breites Spektrum vom Mysterium des Weiheamtes bis hin zur Verwaltung der weltlichen Struktur -, dass eine differenzierte synodale Mitwirkung und Hilfe durch Gremien der Mitverantwortung zulässig ist.“

Der Begriff des „synodalen Prinzips“ wird hier gegenüber einer klar hierarchischen Hirtengewalt abgegrenzt, wie die Nachfolger der Apostel auf die synodale – d.h. beratende, mitverantwortliche, mitwirkende – Hilfe der Gremien verwiesen werden. Dabei gilt es, den Tonus zu treffen, den schon Ignatius den Smyrnäern nahelegte, „nichts, was die Kirche betrifft, ohne den Bischof zu tun« (8,1). Ignatius vertraute dem Polykarp seine eigene Maxime an:

»Ich gebe mein Leben hin für die, die dem Bischof, den Presbytern und Diakonen gefügig sind. Möge ich mit ihnen meinen Teil erhalten können bei Gott. Müht euch miteinander, kämpft gemeinsam, lauft gemeinsam, leidet gemeinsam, schlaft und wacht gemeinsam als Verwalter Gottes, seine Hausgenossen und Diener.“

Aufgabenbereich: Laienapostolat

So sollte der Diözesanpastoralrat ein verfassungsrechtliches Organ der Kirche sein, d.h. an der Ausübung der kirchlichen Gewalt durch den Bischof teilnehmen. Dem stehe nicht entgegen, dass er nur ein beratendes Gremium sei.

„Erst die förmliche Zustimmung des Bischofs schafft verbindliches diözesanes Recht.“

Anders wird der Katholiken- oder Diözesanrat im offiziellen Kommentar zur Würzburger Synode definiert:

„Der Katholikenrat der Diözese ist im Gegensatz zum Diözesanpastoralrat kein verfassungsrechtliches Organ der Kirche. Er wird mit Zustimmung des Bischofs errichtet, nimmt aber anders als der Diözesanpastoralrat an der Ausübung der kirchlichen Hoheitsgewalt nicht teil, auch nicht im Wege der unmittelbaren Beratung. Der Katholikenrat ist eine kirchliche Struktur in der Gesellschaft. Sein Aufgabenbereich umfasst das Laienapostolat im weitesten Sinne.“


Martin Grünewald

Der Journalist war 36 Jahre lang Chefredakteur des Kolpingblattes/Kolpingmagazins in Köln und schreibt heute für die internationale Nachrichtenagentur CNA. Weitere Infos unter: www.freundschaftmitgott.de


Dieser Beitrag erschien gestern bei CNA Deutsch.

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