Über die Form der Kirchenfinanzierung werden wir früher oder später nachdenken müssen. Die Kirche in Österreich geht nun einen interessanten neuen Weg. Um das Nachdenken über dieses wichtige Thema anzuregen, stellt Christian Berger dieses Modell vor und zur Diskussion.

Es tut sich was in Österreich

Niemand zahlt so richtig gern Steuer, nicht einmal die Kirchensteuer. Oder den Kirchenbeitrag, den in Österreich nicht das Finanzamt einsammelt, sondern die Kirche selbst. Vielleicht, so fragte man sich dort, lässt sich die Lebensfreude der Zahlerinnen und Zahler steigern, wenn sie bei der Verwendung des Geldes mitreden können?

Ein solches System wird nunmehr landesweit eingeführt und fand als „österreichisches Modell“ sogar auf katholisch.de Beachtung: ab kommendem Jahr erhalten alle die Möglichkeit, die Hälfte ihres Kirchenbeitrags zweckgebunden zu vergeben.

Auf der Ebene der Bistümer fanden sich solche Modelle im Alpenland auch bisher schon, aber nur nach einigem Suchen auf den Webseiten oder auf Nachfrage, um unzufriedenen Zahlern entgegenkommen zu können.

Neu ist daher vor allem die offensive Darstellung dieser Möglichkeit nach außen, geblieben ist bisher eine gewisse Uneinheitlichkeit. Die Recherche zeigt, dass man an der landesweiten „Corporate Identity“ der Internetauftritte und an der User-Freundlichkeit noch arbeiten könnte.

Zweckwidmung des Beitrages

Immerhin hat man sich laut ORF auf einheitlich zehn Kategorien der Zweckwidmung verständigt: Pfarr-Kirche, Kultur-Kirche, Seelsorge-Kirche, Junge-Kirche, Familien-Kirche, Sozial-Kirche, Umwelt-Kirche, Verkündigungs-Kirche, Bildungs-Kirche, Welt-Kirche.

Die Bistümer bleiben hierbei frei, alle zehn Kategorien anzubieten oder Schwerpunkte zu setzen, zugleich kann es unter einer Kategorie mehrere Projekte geben. In Wien sind es zum Beispiel für Bildungs- Sozial- und Welt-Kirche je drei, während Pfarr- und Verkündigungskirche dort offenbar schon vor jeder Zweckwidmung als Teil des allgemeinen Budgets angesehen werden.

Ein Manko des Systems bleibt (vorerst?), dass man sich für nur eine Möglichkeit entscheiden muss. Wer findet, dass sowohl Bildung als auch Soziales Unterstützung verdienen, kann allenfalls jährlich abwechseln. Das ginge in Zeiten von Online-Umfragen und  elektronischem Voting schon sehr viel besser. So könnte man mit wenig Mühe ein System implementieren, bei dem man zehn Punkte nach Belieben auf die Kategorien aufteilt.

Was bedeutet dieses System jenseits seiner noch verbesserungsfähigen Umsetzung?

Zunächst hat es wichtige Vorteile, vor allem als ein – wer hätte das gedacht! – Element der direkten Basisdemokratie in der Kirche. Einfluss und Teilhabe könnten zu mehr Identifikation und besserer Mitgliederbindung führen: wer mit der Verwendung des Geldes unzufrieden ist, kann etwas daran ändern. Austritt ist nicht mehr der einzige Ausweg.

Es könnte ferner zu einem (durch die Auswahllisten freilich gesteuerten und begrenzten) Wettbewerb der Themen um das Geld der Kirchenmitglieder kommen. Daraus würden sofort ganz neue Informationsbedürfnisse folgen, was mit dem Geld konkret passiert. Im Gegenzug gibt es dann mehr Klarheit, mit welchen Projekten, Einrichtungen und Themenfeldern sich die Gläubigen identifizieren.

Nicht zuletzt würden Zuständigkeit und Macht der Bischöfe, der Ordinariate und der oft mehrstufig intransparent besetzten Gremien reduziert und die Basis gestärkt.

Das System hat aber auch Nachteile. Da schon bei der Zahlung über die Verwendung entschieden wird, bestimmen allein die Zahler. Es gibt aber viele Vollmitglieder der Kirche, die aus sozialen Gründen wenig oder keinen Beitrag leisten. Autor Dirk Wummel fragt auf katholisch.de mit Recht nach deren Mitsprache und schlägt daher vor, das Geld zuerst einzusammeln und davon getrennt alle Kirchenmitglieder über die Verwendung mitbestimmen zu lassen. Denkbar, wie oben angesprochen, durch Auswahl von Einträgen in Themenlisten.

Das käme Deutschland auch organisatorisch entgegen. Dort erheben ja die Finanzämter (gegen Gebühr, an der sie ganz gut verdienen) eine Kirchensteuer und leiten sie pauschal ohne sonstige Informationen weiter. Anders als in Österreich kann man also gar nicht direkt fragen.

Eine Mitbestimmung aller müsste jedenfalls noch konkret und im Detail geregelt werden, etwa in der Art der Pfarrgemeinderatswahlen. Allerdings wäre auch keine wesentlich höhere Beteiligung zu erwarten. Es gibt erstaunlich viele Mitbürger, die großzügigerweise Kirchensteuer zahlen, ohne sich weiter um die Belange der Kirche zu kümmern. Hier wäre zu überlegen, ob man sich auf den Standpunkt der politischen Wahlen stellt und sagt, wer nicht Wählen war, hat von vornherein jedes Ergebnis akzeptiert oder ob man einen gewissen Ausgleich vorsieht.

Wenn man gar keine Erfahrungswerte hat, könnte man nach Autor Wummels Vorschlag auch eine Testphase mit zehn statt fünfzig Prozent Zweckwidmung und vorläufigen Listen erwägen. Jedes System muss sich einspielen. Damit ist man aber wieder bei der konkreten Ausgestaltung.

Fazit: Macht mal, Leute. Wenn Österreich das kann …

Der Ansatz ist vielversprechend und vermutlich besser als das derzeitige System, wo alles Geld zuerst einmal in der Zentrale verschwindet und dann von basisfernen Gremien nach nicht mehr beeinflussbaren Kriterien ausgeschüttet wird.

Es wäre einerseits eine gewaltige Reform, für Deutschland im Milliardenbereich. Andererseits könnte man damit heute noch anfangen. Es braucht dafür keinen Synodalen Weg und es müssten sich nicht einmal alle Bistümer einig sein. Nicht zuletzt ist dieser Ansatz von unten das genaue Gegenteil der Haushaltshoheit irgendeines zweifelhaft zustande gekommenen Ausschusses ganz oben.

Im Sinne der Weltsynode: Transparenz und Rechenschaft.


Christian Berger
Mitte 50, naturwissenschaftlich gebildet, langjährig international beschäftigt und theologisch interessiert. Der Katholik beobachtet Kirche und Welt derzeit aus Wien.


Quellen:
Kirchenbeitrag: Nun Zweckwidmung möglich – religion.ORF.at
Kirchenbeitrag Erzdiözese Wien – Zweckwidmung
Kirchenbeitrag Diözese Linz – Zweckwidmung
Das „österreichische Modell“: Vorbild für die deutsche Kirchensteuer? – katholisch.de


Beitragsfoto: pixabay

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