Wer hätte gedacht, dass jemals die Offenbarung vor Gericht stehen würde? Sie tut es. Per Knopfdruck werden am letzten Tag der dritten Synodalversammlung in Frankfurt die letzten Grundmauern der Kirche erschüttert; von der Mehrheit der Teilnehmer, die überschwänglich und siegessicher diesen besonderen Moment feiern. Kein Text ist bisher abgelehnt worden. Warum wundert mich das nicht? Weil vom ersten Tag an aufgrund der Zusammensetzung der Synodalversammlung klar war, dass es eine 80- bis 90-Prozent-Mehrheit geben wird. Der Vorwurf einer Freundin, wir sogenannte Minderheit seien nur Statisten, kommt mir heute wieder in den Sinn.
Fast alle schauen zufrieden aus
Während ich mit einem mulmigen Gefühl zuschauen und zuhören muss, wie das Ende der 2000-jährigen Offenbarungsgeschichte in der katholischen Kirche in Deutschland (mit erhoffter Auswirkung auf Rom und die ganze Welt) eingeläutet wird, schauen fast alle sehr zufrieden aus. Wie im Wohnzimmer: Die Synodalen sitzen weit zurückgelehnt auf den Stühlen, schauen entspannt auf einen Screen, drücken ab und zu auf die Fernbedienung, das Abstimmungsgerät. Nur der gelegentliche Applaus katapultiert uns immer wieder zurück in die Realität des Synodalen Wegs. Es ist der dritte und letzte Tag der Synodalversammlung.
Für mich, die die Lehre der Kirche schätzt, als Orientierung in ein gelingendes Leben hinein empfindet und nicht als Bedrohung oder Einschränkung, ist es kaum zu fassen, dass die bestehende Lehre komplett umgekrempelt werden soll. So war es die einzige Sorge einiger Synodaler und von Bischof Bätzing, dass zu wenige Bischöfe für das Dokument über die neue Sexualmoral stimmen könnten. Korrekterweise dürfte man nicht von „neuer Sexualmoral“ sprechen, denn es handelt sich hier um einen Paradigmenwechsel. Eine Sorge, sich dabei womöglich zu sehr vom Lehramt und der Weltkirche zu entfernen, gibt es nicht.
Klartext vom Nuntius
Doch, es gibt sie, bei der Minderheit, die wir dieses Mal Flankenschutz von Nuntius Nikola Eterovic bekommen. Seine Klartext-Botschaft scheint aber nicht anzukommen, sonst würden die Synodalen vor Scham kollektiv erröten, würde jedes Wort, das noch gesprochen werden wollte, im Hals stecken bleiben. Erzbischof Eterovic sagt, es brauche auf dem Synodalen Weg ein Streben nach Heiligkeit, Einheit (auch im Bischofskollegium), den Heiligen Geist als Hauptakteur, die Bereitschaft zu Mission und Evangelisierung, aber keinen Parlamentarismus, Formalismus, Intellektualismus, keine Flut an Anträgen.
Hinter seine Worte wird bloß ein Häkchen gesetzt. Dann geht es weiter im Programm. Alles dreht sich darum, die Lehre der Kirche so zu verändern, dass sie dem Denken und der „Lebenswirklichkeit“ der Menschen von heute entspricht. Nur so werde die Kirche wieder attraktiv. Ich finde, es ist ein Trugschluss zu meinen, dass dann mehr Menschen in die Kirche kommen werden. Es werden viele austreten, die mit dieser neuen Kirche absolut gar nichts anfangen können. Vielleicht wird es auch ein Schisma geben. Mich erreichen zahlreiche Nachrichten von entsetzten Gläubigen aller Couleur, selbst von Menschen, die ich nicht kenne. Einer rief analog zum „Lehramt der Betroffenen“ ein „Lehramt der Genervten“ aus. Denn eine Alles-ist-erlaubt-Gruppenkuschelkirche ist nicht die Kirche Jesu.
Eine queere Kirche, die keinen Widerspruch duldet
Es ist eine queere Kirche, die keinen Widerspruch duldet. Wer ihn doch wagt, wird missverstanden oder mit Empörung übergossen. Oder beides, wie bei der Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, die auf einen Antagonismus im Beschlusstext hinweist: Niemand würde bestreiten, dass Gott uns alle geschaffen habe. Er habe uns nicht determiniert, also ohne freien Willen geschaffen. Jede sexuelle Handlung stehe unter unserer Verantwortung. Sonst könnten sich auch Pädophile in ihrem Fehlverhalten darauf berufen, so geschaffen zu sein. Auch Sexualität brauche ein Maßnehmen an Christus.
Raunen geht durch den Raum. Viele schütteln heftig mit dem Kopf, Worte der Entrüstung prasseln auf die Philosophin hernieder. Hat man sie missverstanden? Ihre Erklärung passt offenbar nicht ins Bild einer neuen Kirche, die übrigens dem jüdisch-christlichem Menschenbild nicht entspricht. Aber das tut nichts zur Sache auf dem Synodalen Weg. Mit Hinweis auf „OutInChurch“ schmieren bekannte homosexuelle Synodale uns ihre sexuelle Ausrichtung nochmal aufs Brot, damit auch der Letzte die neue „Wahrheit“ schluckt, dass die Kirche jetzt eine andere sein wird.
Bischöfe fallen wie Dominosteine
Ich respektiere jeden Menschen, auch wenn dessen Sexualleben divers oder homosexuell ist. Dass die Kirche tatsächlich begreifen lernen musste, dass diese Personen im vollen menschlichem Sinn Achtung verdienen, weiß jeder. Nur ändert das nichts an der biologischen Tatsache, dass nur eine Frau und ein Mann gemeinsam (selbst wenn die Befruchtung im Labor stattfindet) Eltern eines Kindes werden können. Ich frage mich, ob der Synodale Weg in diesem Punkt über das Ziel hinausgeschossen ist. Es ist eine 180-Grad-Wendung, die da vollzogen wird. Die meisten Bischöfe sind umgefallen wie Dominosteine und verbeugen sich jetzt vor der neuen Lehre, die man kaum noch katholisch nennen kann. Die katholischen Fahnen werden eingezogen: Keuschheit und Enthaltsamkeit (diese Wörter sucht man vergeblich in den Beschlusstexten), Ehe, Fruchtbarkeit, natürliche Familienplanung. Auf den neuen Fahnen steht Lust und Sinnerfahrung, Empfängnisverhütung und Freiheit.
Ich bin matt, trinke mit einem Mitstreiter einen Espresso, gehe zurück an meinen Platz, lasse alle Wörter auf mich herabrieseln und freue mich auf ein Mittagessen mit journalistischen Gleichgesinnten: Bolognese, Wasser und aufbauende Worte. Eines hat dieses Synodale Fiasko für sich: Wir Minderheit sind näher zusammengerückt. Das hilft, den Umbau der Kirche und vor allem die allgegenwärtige latente, immer sprungbereite Aggressivität gegenüber uns Minderheit auszuhalten.
Können wir das alles wirklich machen mit Jesu Kirche? Natürlich können wir. Alles geht auf dem Synodalen Weg. Wir könnten sogar beschließen, dass selbst das Gras auf deutschen Kirchplätzen ab morgen in regenbogenbunten Farben schillert. An der Wahrheit wird das trotzdem nichts ändern.
Dorothea Schmidt ist Mitglied der Synodalen Vollversammlung, in mehreren Beiträgen hat sie ihre Eindrücke aus dem Plenum in Frankfurt an den drei Tagen vom 3. bis 5. Februar zusammengefasst. Dieser Beiträge erschienen erstmalig bei Die Tagespost.
Die Zusammenfassung vom Samstag der Vollversammlung: „Wir steuern in voller Fahrt auf eine Spaltung zu“ – Text hier unter dem Link
Die Zusammenfassung vom Eröffnungstag der Vollversammlung am 3. Februar 2021: „Synodaler Weg: Ein epochaler Umbruch“ – Text hier unter dem Link