Am 28.6.2024 verschied in Rom unselig im Herrn, aber friedlich und unter dem (teils süß-saueren) Lächeln von Bischöfen und Kardinälen der Synodale Weg. Die römische Vormundschaft, unter die sein revolutionäres Gebaren nun engmaschig und direkt gestellt wurde, bereitete ihm einen sanften Tod. Tatsächlich ist jetzt eine strategische Entscheidung über seine Zukunft gefallen, klar und eindeutig: In der erträumten Form wird es ihn nicht geben. Martin Brüske ordnet die Sachlage ein.
Offene Fragen nach dem 22.3.2024
Nach dem letzten Treffen einer deutschen Delegation mit Vertretern der römischen Dikasterien im März zur Zukunft des Synodalen Weges war eines eindeutig – und vieles offen, zumindest für die interessierte Öffentlichkeit. In der gemeinsamen Erklärung der deutschen Bischöfe mit dem Hl. Stuhl, deren politisch-diplomatische Bedeutung verkannt wird, wenn ein Jurist sie als bloße Lyrik bezeichnet, proklamierte Rom, was kanonistisch zwar selbstverständlich, politisch aber hochbedeutsam war: Der Vatikan behielt sich die Approbation der Ergebnisse der Planungen für ein nationales synodales Gremium in Deutschland vor. Damit war klargestellt: Die Finalität des Prozesses bestimmen wir. Wer approbiert, regiert!
So weit, so gut. Aber was genau bedeutete das? Wiederum nicht kanonistisch, sondern im Blick auf die politische Dimension des Prozesses? Würde Rom nun passiv abwarten, in der naiven Annahme, dass man sich in Deutschland jetzt doch an die Vorgaben halten würde, um am Ende und erst nach Jahren – trotz Approbationsvorbehalt – auf massive, längst geschaffene und kaum noch revidierbare Fakten zu stoßen? Das konnte manchem Beobachter quälende Sorgen bereiten, gerade auch im Blick auf viele loyale Katholikinnen und Katholiken, deren Geduld und Leidensfähigkeit langsam erodierte. Oder würde man den Prozess aktiv steuern und den deutschen revolutionären Blütenträumen klare Grenzen setzen?
Die Deutschen sind unter Kuratel gestellt
Seit dem 28.6.2024 ist diese Frage eindeutig beantwortet: Die deutsche Seite wurde in Rom unter Kuratel gestellt. „Kuratel“ – das ist ein altes, heute noch im bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs verwendetes Wort der Rechtssprache. Es meint Vormundschaft, Sachwalterschaft, Pflegschaft für den nicht mehr selbständig Geschäftsfähigen. Darin steckt „curatio“: Vormundschaft, Sorge, Pflege und „tutela“: wiederum Vormundschaft, Schutz. Also schon sprachlich ein verdoppelter Schutz für den Schutzbedürftigen, der insbesondere vor sich selbst und den möglicherweise verheerenden Folgen seines eigenen Handelns geschützt werden muss. Aber natürlich ist damit immer auch die Ausübung von Aufsicht und Verfahrensherrschaft verbunden.
Die Vereinbarung einer deutsch-römischen Doppelkommission zur Planung eines synodalen Gremiums auf nationaler Ebene, unter Maßgabe des schon im März gemeinsam proklamierten Vorbehalts der Approbation, ist genau dies: Römische Kuratel für die deutsche Sache. Es geht jetzt nicht mehr um eine römische Zustimmung nach Jahren und gegen längst geschaffene Fakten, sondern um dichte „Begleitung“ des Entwurfsprozesses – eng, direkt, unmittelbar und andauernd. Damit sind alle revolutionären deutschen Blütenträume gegen Ekklesiologie und die episkopal-sakramentale Verfassung der Kirche gestorben.
Die Beerdigung des synodalen Rats
So wurde auch das bisherige Projekt des Rates gleich mitbeerdigt. Nicht nur, dass das neue synodale Gremium nicht Rat heißen wird. Rom stellt auch – und man muss das auf dem Hintergrund der Einrichtung der Doppelkommission lesen – die bisherigen Planungen dazu infrage. Und noch mehr: Man hat Einigkeit (!) darüber erzielt, dass dieses Gremium weder über noch neben der Bischofskonferenz stehen wird. Deutsch und deutlich: Was weder vor- noch gleichgeordnet ist, ist nichts anderes als eben untergeordnet. Das neue synodale Gremium auf nationaler Ebene, das nicht mehr „Rat“ heißen darf, wird der Bischofskonferenz untergeordnet sein. Damit ist bereits jetzt die Letztverantwortlichkeit des bischöflichen Amtes in wünschenswerter Klarheit definiert!
Die Minimierung des synodalen Ausschusses und die Zusammensetzung der Delegation
Geplant, propagiert, inszeniert und präsentiert war auch der synodale Ausschuss als ambitioniertes Übergangsprojekt zum finalen Zustand des im synodalen Rat „endgültig“ verstetigten Synodalen Wegs. Neben der Vorbereitung des Rats sollte er offen gebliebene Themen weiterführen und die Verwirklichung der Beschlüsse evaluieren. Dies spiegelte sich auch in aller Klarheit in der Besetzung seiner Ausschüsse. Da wurde in jeder Hinsicht selbstbewusst Kontinuität vorgespielt: Man hat die Dinge im Griff und gibt sie nicht mehr her. Wohlbegründete kanonistische Bedenken gegen die Rechtlichkeit der Errichtung des Ausschusses, seiner Finanzierung usw. wurden – nicht selten großspurig bis aggressiv – vom Tisch gewischt.
Andererseits wusste der Vorsitzende der DBK, Bischof Georg Bätzing (und nicht wenige andere natürlich auch), bei vielen Gelegenheiten, wenn es ihm denn passend schien, den im Sinne einer Fiktion der dynamisch-kraftvollen Kontinuität der „Reformarbeit“ groß inszenierten Ausschuss klein zu reden: Er sei ja „nur“ ein vorläufiges Instrument, um jetzt quasi tastend Wege zu einer – selbstverständlich kirchenrechtskonformen – tieferen Synodalität zu finden. Kirchenhistoriker werden irgendwann buchstäblich massenhaft Belege für dieses Spiel mit einer doppelten Botschaft finden.
Nun, Rom hat die Beteuerungen des Vorsitzenden und seiner Mitstreiter in letzterem Sinne beim Wort genommen. Die gemeinsame Presseerklärung ist ja natürlich wieder ein diplomatisch ausgehandelter Text, der es – zurecht! – vermeidet, die unterlegene Seite zu demütigen. Aber an einer Stelle kommt ein Hauch von Ironie, ja von Süffisanz in den Text, bei dem der Autor dieser Zeilen ein Schmunzeln nicht vermeiden konnte: Fast als ob es ein Zitat des Vorsitzenden oder eines seiner Mitstreiter im Gesprächsverlauf war, setzt der Text der Presseerklärung nach der ersten Erwähnung des Ausschusses eine Klammer – in einer Klammerbemerkung also wird der Ausschuss auf die Bedeutung herunterdefiniert, die er künftig haben wird. Denn er ist nichts weiter als ein „temporäres Arbeitsgremium“. Temporäre Arbeitsgremien, zumal solche, die unter Kuratel stehen, treffen aber weder souveräne noch letztverbindliche und endgültige Entscheidungen. Das Spiel mit der doppelten Botschaft ist damit beendet.
Vermutlich in diesem Zusammenhang – dies wird lediglich angedeutet – hat die römische Seite auch mit vollem Recht die Zusammensetzung der deutschen Delegation angefragt. Ist der Ausschuss tatsächlich nicht mehr als ein „temporäres Arbeitsgremium“, ist in keiner Weise einzusehen, warum Bischöfe, die diesem Instrument skeptisch gegenüber stehen, von den Gesprächen zukünftig ausgeschlossen werden sollten. Im Gegenteil: Sie repräsentieren in einem offenen Prozess eine wichtige Stimme, die jetzt endlich wieder zu hören ist.
Die römische Strategie und eine große Chance
Die römische Strategie im Umgang mit den deutschen Querelen zielte bislang darauf, eine unkontrollierte Explosion der Situation auf ein mögliches Minimum zu reduzieren, sich dabei den schwarzen Peter nicht zuschieben zu lassen und schließlich den deutschen Bischöfen jenes Schlupfloch der Barmherzigkeit zu öffnen, durch das sie den Weg zur kirchlichen Einheit selbständig zurückfinden können. Nach dem 28.6.2024 darf mit etwas mehr Zuversicht vermutet werden, dass eine solche römische Strategie aufgehen könnte. Im Blick auf zu erwartende Explosionen fragt man sich nun allerdings: Wie wird sich auf Grund einer jetzt eindeutig gewordenen Sachlage, in welcher der Blütentraum einer revolutionären Umgestaltung der Kirche in Deutschland zerplatzt ist, der radikale Flügel des ZdK und der Teil des deutschen Katholizismus verhalten, der damit sympathisiert? Man darf sehr gespannt sein: Mit seinem Ultimatum von Ende Mai an die Bischöfe war er zuletzt als Tiger gesprungen, um in Mainz als Bettvorleger zu landen.
Viel wichtiger aber ist: Ein klug eingerichtetes synodales Gremium auf nationaler Ebene, ekklesiologisch wohlverortet, wird durch ein unbekehrtes ZdK niemals vernünftig bespielt werden können. Aber in einer erneuerten deutschen Kirche, in der Laien und Bischöfe in authentischen geistlichen Prozessen im Geist gemeinsam den Willen Gottes heute suchen, kann ein solches Gremium (jenseits des Gremienkatholizismus) ein Segen sein. Der Synodale Weg ist tot! Es lebe die echte Synodalität!
Dr. theol. Martin Brüske
Martin Brüske, Dr. theol., geb. 1964 im Rheinland, Studium der Theologie und Philosophie in Bonn, Jerusalem und München. Lange Lehrtätigkeit in Dogmatik und theologischer Propädeutik in Freiburg / Schweiz. Unterrichtet jetzt Ethik am TDS Aarau.
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