Warum die Anstrengungen des Synodalen Weges zu kurz greifen

Von Bernhard Meuser

Mit der nächsten Synodalversammlung tritt der Synodale Weg in seine entscheidende Phase. Der Punkt ist erreicht, an dem es kein Verstecken mehr gibt. Mehrheitsbeschlüsse stehen an und weitreichende Veränderungen sollen festgeklopft werden – mit Zustimmung der deutschen Bischöfe. Trotz aller gegenteiligen Bekundungen liegt die Lehrautorität der Kirche nicht bei einem Gremium, das sich diese Autorität mit einiger Frechheit selbst zumisst, sondern bei den Bischöfen. Und deren Amtseid besteht nicht darin, willfährige Moderatoren von Publikumswünschen zu sein, sondern „das von den Aposteln überlieferte Glaubensgut, das immer und überall in der Kirche bewahrt wurde, rein und unverkürzt weiterzugeben“. Im gleichen historischen Moment, in dem die Bischöfe apostolische Autorität zeigen müssten, stehen sie unter dem Pauschalverdacht, Teil eines korrupten, sich selbst erhaltenden Systems zu sein.

Viele Bischöfe dürfte die Konstellation überfordern, denn umso schwächer und angreifbarer sie dastehen, umso krasser sind die Veränderungswünsche, die sie jetzt mittragen sollen. Bei Licht besehen sind sie von einer Radikalität und Tragweite, die locker das Maß an Transformation überschreiten, das der Kirche und den Gläubigen vom Zweiten Vatikanischen Konzil abverlangt wurde. Die nun vorliegenden Papier des Synodalen Weges – namentlich die in den Foren I und IV – sind nicht nur analytisch unausgereift und mit abenteuerlichen Theologien untermauert; sie sind vermessen im Anspruch und in dreifacher Weise übergriffig: übergriffig in Hinsicht auf die kontinuierliche Lehre der Kirche, übergriffig in Hinsicht auf die universalkirchlichen, rechtlich verfassten Regularien kirchlicher Entscheidungsprozesse, übergriffig in Hinsicht auf die Gläubigen, die an der verfassten Lehre der Kirche festhalten möchten. Man fragt sich, wer dieses nationalkirchliche Abriss- und Umbaukommando überhaupt bestellt und zu Neubaumaßnahmen befugt hat …

Der grundsätzliche Webfehler des hochmoralisch aufgeladenen Reformwerkes besteht in der Verknüpfung von Missbrauchsaufarbeitung und allgemeinen Reformforderungen. Der synodal geforderte Turnaround der katholischen Kirche wurde mit der Missbrauchskrise begründet und sofort mit dem eigenartigen Narrativ belegt, die zu 80 % an halbwüchsigen Jungen erfolgten Übergriffe und Vergewaltigungen hätten nichts mit pathologischen Triebwünschen von Tätern zu tun; sie seien vielmehr das aufbrechende Eitergeschwür eines größeren Missstandes, nämlich das der Machtverteilung in der Kirche. Missbrauch sei eine Resultante aus katholischer Homophobie und klerikaler Herrschsucht.

Dieser Missbrauch mit dem Missbrauch erlaubte es, das Themenfeld zu wechseln und die Machtfrage zu stellen. Das wiederum ließ die realen sexuellen Opfer krimineller Priester, Bischöfe und ihrer Helfershelfer in den Hintergrund treten; andere Opfer konnten an die Rampe gestellt werden: nonkonforme Biografien von Christen, die von der eisigen Brutalität des Lehramtes ausgegrenzt würden – homosexuelle, bisexuelle, divers orientierte Menschen, wiederverheiratete Geschiedene, um ihre Gleichstellungsrechte betrogene Frauen.

So präsentiert sich der Synodale Weg in Deutschland heute durch Forderungen nach Abnabelungen von der Weltkirche (insbesondere ihres Lehramtes), der Neutralisierung bischöflicher Leitungsgewalt, nach der Dekonstruktion des sakramentalen Priestertums, nach einer LTBQI-affinen Sexualmoral, nach der Depotenzierung des Ehesakraments, nach feministischem Zugriff auf alle Weiheämter der Kirche, nach laikal-synodalen Machtstrukturen à la den Evangelischen Landeskirchen usw. Dass der bisherige Gang der Dinge zu einer realistischen Betrachtung der eigentlichen Missbrauchskrise nichts beigetragen hat, ist auf dem skizzierten Hintergrund verständlich. In höchstem Maße befremdlich ist zudem, dass der dringende Wunsch des Papstes, mit Bekehrung, Umkehr und spiritueller Erneuerung zu beginnen, am Synodalen Weg abtropfte.

Mit der Ankündigung einer zweijährigen Weltsynode eröffnet Papst Franziskus eine neue Perspektive, durch die sich die Verstrickungen und Einseitigkeiten deutscher Provenienz korrigieren lassen, ja korrigiert werden müssen, will sich denn die Kirche in Deutschland nicht schismatisch vom Geleitzug der katholischen Weltkirche verabschieden. Zugleich ergibt sich die Möglichkeit, anders und gründlicher an allfällige Reformen heranzugehen, ohne die es die Katholische Kirche in Deutschland für unsere Kinder und Kindeskinder nicht mehr geben wird.

Die nachfolgende wilde Handlungsskizze in 14 Punkten ist nichts, was den Anspruch auf Perfektion erhebt. Es ist der unfertige Gedankenanstoß eines Menschen, der „seine“ Kirche liebt – über die Abgründe hinweg, die er in ihr erlebt hat (und gerade wieder erlebt). Sie ist eine Einladung zur Debatte – eine Einladung auch an alle Bischöfe, die sich in einem Dilemma der Solidarität befinden: Sie könnten im Vertrauen auf Papst Franziskus und im Blick auf die Weltsynode andere Schritte wagen als jene, die zur Isolation und – auf Sicht – sogar zur Selbstauflösung der Kirche in eine vage Modernität führen. Im Übrigen glaube ich, dass die wirkliche Aufarbeitung des Missbrauchs noch nicht begonnen hat.

  1. Die deutschen Bischöfe verpflichten sich auf die Erneuerung der Kirche im Rahmen einer gesamtkirchlichen Synode.
  1. Für einen wirklichen Neuanfang reichen die bisherigen Maßnahmen nicht aus, da sie weder in die Gesamtkirche eingebettet sind, noch unter synodaler Beteiligung alle katholischen Christen erfolgen, noch imstande sind, den Verdacht korrupten Verhaltens kirchlicher Handlungsträger wirklich auszuräumen.
  1. Dazu beschließen die Bischöfe, den Synodalen Weg neu auszurichten und breiter aufzustellen.
  1. Diese Neuausrichtung macht es erforderlich, die anstehende Zustimmung zu den Texten des Synodalen Weges vorerst auszusetzen.
  1. Jetzt erfolgende Zustimmungen würde Ergebnisse präjudizieren, die allererst Resultate synodaler Beschlüsse der Weltkirche und nicht eines lokalkirchlichen Synodalen Weges sein könnten.
  1. Zudem ist es nicht die Aufgabe von Bischöfen einer Teilkirche, grundsätzliche Veränderungen kirchlicher Struktur und kirchlicher Lehre zu approbieren.
  1. Der Dienst an der Einheit der Kirche erfordert zudem, auf katholische Christen Rücksicht zu nehmen, die sich durch die Vorgehensweise des Synodalen Weges in ihren Überzeugungen verletzt, durch Beschlüsse überfahren und in ihrer Zugehörigkeit ausgegrenzt fühlen.
  1. Die Hauptaufgabe des Synodale Weges wird in Zukunft darin bestehen, seine Ziele mit den Zielen der Gesamtsynode in Rom zu koordinieren und Wege zu finden, wie die Anforderungen des Päpstlichen Vorbereitungsdokuments „Für einen Synodale Kirche“ in der Breite aller Gemeinden und Gemeinschaften diskutiert werden können.
  1. Die bisherigen Ergebnisse des Synodalen Weges werden als „Empfehlungen des Synodalen Wegen in Deutschland an die Weltsynode“ in einem eigenen Dokument zusammengefasst und der Weltkirche zugänglich gemacht.
  1. Da nicht alle Mitglieder der Kirche für den Missbrauch durch einzelne Täter und die systemische Vertuschung durch einzelne Verantwortliche oder Gruppen von Verantwortlichen in Haftung genommen werden können, muss der Grundvorwurf an die Kirche dort gelöst werden, wo er entstanden ist – nämlich im Klerus. Deshalb wird die Untersuchung des Missbrauchs abgelöst vom Prozess des Synodalen Weges, wo er zum Kampfmittel politischer Interessen und zur Waffe wechselseitiger Pauschalverdächtigungen verkam.
  1. Um das Stadium der Rhetorik zu verlassen und ein Zeichen echten Erneuerungswillens zu setzen, werden alle deutschen Diözesen, alle Orden, alle Seminarien und Ausbildungsstätten und alle Geistlichen Gemeinschaften aufgefordert, sich freiwillig einer Visitation zu unterziehen.
  1. Da Visitationen nur dann zu objektiven Ergebnissen und wirklichen Entlastungen der Unschuldigen führen, wenn sie nicht intern sind, werden sie durch gemischte Kommissionen aus vatikanischen Beauftragten in Kooperation mit unabhängigen Kräften aus der Justiz durchgeführt.
  1. Im Rahmen dieser Visitation werden alle Opfer eingeladen, ihre Erfahrungen mitzuteilen.
  1. Alle Bischöfe und Leitungsverantwortlichen der Kirche üben ihre Ämter nur bis auf Weiteres und vorbehaltlich einer Entlastung durch die Visitationen aus.

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