Wenn ein Bischof öffentlich spricht und dabei die Lehre der Kirche falsch darstellt oder im Unklaren lässt, ist das nicht hinnehmbar. Amtsträger der Kirche haben durchaus ein Recht auf eine eigene Meinung. Diese zu äußern darf jedoch nicht das Zeugnis der Kirche verdunkeln. Eine Klarstellung von Peter Winnemöller.
Privatmeinung versus Lehramt
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, fiel im Rahmen des evangelischen Kirchentages – und dort nicht zum ersten Mal – damit auf, dass er sich öffentlich für die Priesterweihe von Frauen in der Kirche einsetzte. Er fällt auch in anderer Hinsicht damit auf, seine Meinung über die Lehre der Kirche zu stellen. Hier sei die Frauenweihe pars pro toto betrachtet. Jeder kann wissen, dass die Priesterweihe für Frauen nicht möglich ist. Das ist keine Meinung, das ist ein durch mehrfache Bestätigung des Lehramtes der Kirche abgesichertes Faktum. Das muss man nicht mögen. Man kann sogar dagegen sein. Fakt bleibt Fakt. Das Apostolische Schreiben „Ordinatio sacerdotalis“ sowie die zahlreichen Stellungnahmen des Vatikans dazu lassen keinen Zweifel offen. Am 22. Mai 1994 veröffentlichte Papst Johannes Paul II. sein Apostolisches Schreiben, das in der Formulierung gipfelt:
„Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.“
Die Formulierung ist so nahe an einer unfehlbaren dogmatischen Definition, dass es so gerade eben keine ist. Dennoch ist es eine unfehlbare und endgültig vorgetragene Lehre, die die Kirche nicht ändern kann. Sehr umfassend hat dies Kardinal Ladaria in seinem Schreiben „Zu einigen Zweifeln über den definitiven Charakter der Lehre von Ordinatio sacerdotalis“ vom 29. Mai 2018 erklärt. Etwas kürzer und klarer steht es hier. Die Frage lautete:
„Ob die Lehre, die im Apostolischen Schreiben Ordinatio sacerdotalis als endgültig zu haltende vorgelegt worden ist, nach der die Kirche nicht die Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, als zum Glaubensgut gehörend zu betrachten ist.“
Die Antwort:
„Ja“.
Verbindlichkeit und Vollmacht
Man kann es nicht oft genug wiederholen: hier haben nicht einige Kirchenmänner ihre persönliche Meinung vorgetragen. Hier wurde verbindlich, mit Vollmacht und mit dem Anspruch auf Gehorsam die wahre Lehre der Kirche authentisch vorgelegt. Wer behauptet, die Kirche könne irgendwann einmal Frauen zu Priesterinnen weihen, der lügt und gaukelt gutgläubigen Menschen eine trügerische Hoffnung vor. Diese kann nur enttäuscht werden und sie wird enttäuscht werden. Wir leben in einer Zeit, in der der Begriff Wahrheit umstritten und die Existenz einer Wahrheit im Singular als Problem gesehen wird. Das gilt offensichtlich auch für Bischöfe. Und das gilt wie eben für die Frauenweihe auch für andere Glaubenswahrheiten, die manche denken, mit zeitgeistigen Meinungen abräumen zu können.
Wäre die Kirche eine Demokratie . . .
Von der authentischen und verbindlichen Darlegung des Glaubens der Kirche eindeutig zu unterscheiden – nun ein Ausflug in die bürgerliche Welt – ist die persönliche Meinung. Die Wahrheit kann also von der persönlichen Meinung verschieden sein. Die private Meinung eines Menschen kann sich dahingehend entfalten, dass jemand, definitiv auch ein Katholik, zu der Ansicht kommt, es wäre doch besser, wenn es auch katholische Priesterinnen gäbe, um bei unserem Beispiel zu bleiben. Sicherlich lassen sich dafür anthropologische, theologische, philosophische und politische Argumente in großer Zahl finden. Wäre die Kirche eine Demokratie, so könnte man Parteien und Interessengemeinschaften bilden, Initiativen ins Leben rufen und so lange kämpfen, bis der erste Bischof eine Frau zur Priesterin geweiht hat. Nun ist die Kirche keine Demokratie und man kann so viele Initiativen starten, wie man will, an der Lehre von „Ordinatio sacerdotalis“ wird sich nichts ändern. Trotzdem darf – rein bürgerlich – sogar der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz die Meinung haben, es wäre doch besser, wenn es Priesterinnen in der Kirche gäbe. Aus der Sicht der Verfassung unseres Landes hat er jedes Recht, das sogar öffentlich zu sagen. Er könnte mit dem gleichen Recht eine Überzeugung äußern, dass er die Existenz kleiner, grüner Männchen vom Mars als gesichert annimmt. Während man für letztere Aussage eher ausgelacht werden dürfte, erhielte man für die zeitgeistig weitaus besser passende Forderung weiblicher Priester reichlich Applaus.
Wahrheit und Klarheit
Das Problem ist nicht, die Meinung zu haben, vielleicht nicht einmal sie zu äußern. Das Problem ist, die Meinung nicht als Privatmeinung zu kennzeichnen und sie stattdessen als eine mögliche Wahrheit der Kirche zu verkaufen. Ehrlicherweise muss man sich und anderen eingestehen, dass der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz mit einem derartigen Verhalten nicht allein ist. Tag für Tag verkünden im schulischen Religionsunterricht dafür ausgebildete Pädagogen jeden, wirklich jeden denkbaren Unsinn über den Glauben der Kirche. Angefangen von der Leugnung der Auferstehung über Scheintodhypothesen, die Wegerklärung biblischer Wunder, die Umdeutung kirchlicher Lehren – da ist Jesus mal nur ein guter Mensch – bis hin zu harter Leugnung katholischer Glaubenswahrheiten, wie zum Beispiel der Realpräsenz in der Eucharistie. Hier ist alles, wirklich alles denkbar. Noch einmal: als persönliche Meinungsäußerung ist das alles legitim und von der Verfassung unseres Landes gedeckt. Mehr noch, ein Religionspädagoge kann meinetwegen persönlich an den Geist von Canterbury glauben, von seiner Wiedergeburt überzeugt sein oder sich morgens vorm Spiegel das Kronenchakra richten. Das alles ist erlaubt und darf von niemandem beanstandet werden. Er darf nur nicht seinen Schülern das als katholische Wahrheiten verkaufen wollen.
Unterscheide “Bürger Bätzing” und “Bischof Bätzing”!
Anders gesagt: was Bürger Bätzing in aller Selbstverständlichkeit erlaubt ist, ist Bischof Bätzing strengstens verboten. Spricht er als Bischof öffentlich, so hat er die Lehre der Kirche zu vertreten. Hier ist es ihm nicht nur nicht erlaubt, über Priesterinnenweihe zu fabulieren, verkündet er öffentlich, dass er als Bischof der Kirche – und sei es in ferner Zukunft – die Weihe von Frauen zu Priesterinnen für möglich hält, dann lehrt er einen Glaubensirrtum. Wer öffentlich eine Lehre leugnet, die zum Glaubensgut gehört, indem er das Gegenteil behauptet, lehrt einen Irrtum, eine Häresie. Ein Bischof, der dies tut, täuscht seine Zuhörer noch in weit höherem Maße als jeder andere. Das ist nicht akzeptabel. Es wäre Aufgabe der Kirche hier einzuschreiten. Denn wer im Auftrag der Kirche spricht, ist verpflichtet, über die Lehre der Kirche die Wahrheit zu sagen.
(Ent)Täuschung über Wahrheit des Glaubens
Mögen bürgerliche Rechtsnormen hier sehr viel großzügiger sein, muss die Kirche sehr viel früher die Reißleine ziehen. Eine private, vom Glauben der Kirche abweichende Meinung muss man vielleicht sogar einem Bischof zugestehen, wenn er sie nicht oder nur sehr diskret äußert. Öffentliche Rede, also amtliche Rede, in der ein Bischof oder ein Religionslehrer oder ein Priester seine Zuhörer über die Wahrheit des Glaubens täuscht, ist ein Übel, das nicht geduldet werden darf. Es ist hoch an der Zeit, dass der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz – wie auch jeder andere, der so handelt – aufgefordert wird, zum Beispiel zur Lehre von „Ordinatio sacerdotalis“ zurückzukehren und sich öffentlich dazu zu bekennen. Diese Lehre wurde vor Johannes Paul II. von allen Vorgängern gelehrt und nach ihm von inzwischen zwei Päpsten bestätigt. Es besteht kein Zweifel, dass auch Papst Leo XIV. nicht davon abweichen wird. Es gilt also bei allem bürgerlichen Respekt vor der freien Meinung sehr deutlich klarzustellen, dass es bei ewigen Wahrheiten für Amtsträger der Kirche keine Erlaubnis geben darf, ihre private Meinung über die Lehre der Kirche zu stellen. Wo sie das in öffentlicher Rede tun, ist ein Einschreiten des Glaubensdikasteriums unumgänglich.
Peter Winnemöller
Journalist und Publizist. Autor für zahlreiche katholische Medien. Kolumnist auf dem Portal kath.net. Im Internet aktiv seit 1994. Eigener Weblog seit 2005. War einige Jahre Onlineredakteur bei „Die Tagespost“. Und ist allem digitalen Engagement zum Trotz ein Büchernarr geblieben.