Als einer von fünf deutschen Bischöfen nimmt Franz-Josef Overbeck aus Essen an der Weltsynode in Rom teil. Er formuliert klar, wofür er steht:

„Wir müssen dafür sorgen, dass Einheit durch Verschiedenheit und in Verschiedenheit möglich wird.“

 Oh, oh, oh …! Was meint er denn damit?

Peter Esser, Martin Brüske und Bernhard Meuser haben sich einen Reim darauf gemacht. Und sie sind entschieden für das Gegenteil! Hier begründen sie, warum es heißen müsste:

„Wir müssen dafür sorgen, dass Verschiedenheit durch Einheit und in Einheit möglich wird.“

Ein Trialog

Peter Esser: Was ist denn Einheit in der Kirche?  Worin besteht sie? Ich kann in Einheit mit den vielfältigen Gaben, Berufungen und Charakteren in der Kirche sein. In Einheit mit Benediktinern, Dominikanern – so to say, sogar mit Jesuiten. Aber ich kann nicht in Einheit mit dem Widerspruch sein, nicht mit einem Esoteriker, nicht mit einem Queeraktivisten, nicht mit einem Sozialisten oder mit einem AfD-Mitglied.

Bernhard Meuser: Aber du unterscheidest das ja wohl von der persönlichen Ebene?

Peter Esser: Klar! Ich mag sehr gut ein freundschaftliches Verhältnis zu den einzelnen Protagonisten haben. Ich habe einmal durch eine Zwischenbemerkung einen ganzen Saal von sogenannten »Humanisten« in Rage gebracht. Sympathisch fand ich, wie der Oberatheist Michael Schmidt-Salomon für mich eingetreten ist und mich vor Prügel und Rauswurf bewahrt hat. Aber Einheit in Vielfalt war das nicht.

Bernhard Meuser: So ist es! Die Einheit im Menschlichen und der daraus resultierende Anstand machten, dass Ihr eine gemeinsame Basis hattet. Adenauer hat einmal gesagt: „Wer wirklich demokratisch denkt, muss Achtung vor dem anderen, vor dessen ehrlichen Wollen und Streben haben.“ Und erst recht gilt in der Kirche: Einheit ist die Voraussetzung von Integration. Je tiefer wir in Christus integriert sind – eins mit dem sind, der in unauflöslicher Einheit mit dem Vater ist, desto freier können auch wir integrieren – das heißt: in die Tiefe der Wirklichkeit von Erlösung einladen. Christsein ist eine Tür in den Himmel (wo es nur noch Einheit gibt); Christsein hat aber keine Türen in die endlosen Milieus der Mauschelei.

Peter Esser: Vielfalt ist ein Faktum der gefallenen, verwundeten Schöpfung und kein normativer Zustand, den wir nachträglich theoretisch mit dem Christentum versöhnen und als neue Normalität in die Kirche einführen müssten.

Bernhard Meuser: Stimmt! Wenn wir von der Kirche sprechen, reden wir nicht über eine von Kirchenfunktionäre dehnbare Vereinsordnung. Niemand, kein Bischof, kein Papst, keine Synode, besitzt eine Lizenz dafür, Unheil als Heil zu deklarieren, das Widersprüchliche mit Eigenrechten zu versehen, nebeneinander zu stellen und unter einem immer vageren Dachbegriff pluralistisch zu bündeln, bis Christsein von Humanismus ununterscheidbar (und damit überflüssig) geworden ist.

Martin Brüske: Ihr Lieben, ich stimm euch ja in allem zu, aber als alter Scholastiker möchte ich an dieser Stelle hereinrufen: Vorsicht! Man muss unterscheiden! Peter, du hast eben gesagt: „Vielfalt ist ein Faktum der gefallenen, verwundeten Schöpfung und kein normativer Zustand.“ Woran du dabei denkst ist klar: „Vielfalt“, die keine Vielfalt ist, sondern ein unversöhnter Widerspruch. Aber Vielfalt an sich ist Reichtum. Die Vielfalt, die wir in der Schöpfung treffen, ist Spiegelung des Reichtums des göttlichen Seins, seiner Unausschöpfbarheit, die sich in der Vielfalt der Seienden abbildet. Ja, der dreifaltige Gott selbst ist in sich unaufhebbar vielfältig. Aber diese Vielfalt setzt Einheit als Fülle, als Lebensfülle voraus – und stellt sie nicht erst sekundär her.

Peter Esser: Aber genau das scheint doch Overbecks Formel zu besagen, wenn Einheit durch Verschiedenheit vermittelt werden soll?

Martin Brüske: Eben! Mit Verlaub Herr Bischof: Sie reden metaphysischen Schwachsinn! „Non enim diversa secundum se uniuntur.“  So sagt es Thomas tiefsinnig. „Verschiedenes kommt nicht von selber in eins zusammen“, kann man übersetzen. Das hätte der Herr Bischof, der ja zu Füßen Thomas Pröppers gesessen hat, übrigens auch transzendentalphilosophisch gewendet von Kant her wissen können. Die Einheit geht legitimer Vielfalt voraus, Vielfalt geht aus Einheit hervor – und nicht umgekehrt. Das ist – in tausend Varianten, über die disputiert werden kann und muss – so etwas wie ein abendländischer Grundkonsens. Jenseits davon überschreiten wir, wie der Herr Bischof, die Grenze zum Unsinn. Ein absoluter metaphysischer Pluralismus lässt sich nicht einmal gedanklich vollziehen.

Bernhard Meuser: Was verdeckt Bischof Overbeck denn damit?

Martin Brüske: In Wirklichkeit ist dieser Unsinn bei Bischof Overbeck tatsächlich eine Deckformel, eine salvatorische Klausel für eine kirchenpolitische Agenda: Um den Bruch und Widerspruch des Programms des Synodalen Weges in Anthropologie, Ethik und Ekklesiologie mit dem historischen, kirchlichen, katholischen Christentum zu übertünchen, wird Bruch und Widerspruch durch eine wohlklingende („Seht ihr, wir wollen doch Einheit wie ihr – nur mit etwas mehr Vielfalt.“), aber bei Licht völlig sinnlose Formel überdeckt.

Peter Esser: Für mich bleibt die Frage: Wir kommen wir denn aus der unversöhnten Vielfalt in einen Zustand, in dem wir gut miteinander können? Worin besteht die Transformation. Wer muss sich ändern? Was muss sich ändern?

Bernhard Meuser: Die Tür in die Einheit ist für alle gleich: Jeder, der auf den Herrn getauft ist, steht vor der Herausforderung, sich aus der fensterlosen Monade seines Eigenwillens herauszubegeben. An Gott stellt man keine Konditionen. Wir müssen uns vom Herrn das Wort sagen lassen, das uns ausrichtet und geradebiegt und „wirksam und schärfer (ist) als jedes zweischneidige Schwert; es dringt durch bis zur Scheidung von Seele und Geist, von Gelenken und Mark; es richtet über die Regungen und Gedanken des Herzens; vor ihm bleibt kein Geschöpf verborgen, sondern alles liegt nackt und bloß vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft schulden.“ (Hebr 4,12-13)

Peter Esser: Aua! . . .

Bernhard Meuser: Na, Peter! . . . Mit dieser Provokation müssen wir als Christen leben – nicht nur am Anfang. Mir gefällt Benedikt von Nursia, wo er einlädt, sich in die „Schule für den Dienst des Herrn“ zu begeben. Im Prolog seiner Regula sagt er: „Sollte es jedoch aus wohlüberlegtem Grund etwas strenger zugehen, um Fehler zu bessern und die Liebe zu bewahren, dann lass dich nicht sofort von Angst verwirren und fliehe nicht vom Weg des Heils; er kann am Anfang nicht anders sein als eng. Wer aber im klösterlichen Leben fortschreitet, dem wird das Herz weit, und er läuft in unsagbarem Glück der Liebe den Weg der Gebote Gottes.“ Das gilt eben nicht nur für Klöster und Mönche, sondern für uns Christen alle.

Peter Esser: Ich finde das schon problematisch, wenn der Essener Bischof nach Rom fährt und man das Gefühl hat, dass er den Regenbogenschirm nicht zuhause ließ. Die Gläubigen könnten ihn für einen Lobbyisten halten. Ich bin ohnehin nicht sehr glücklich darüber, dass ein Bischof Synodenteilnehmer ist und sich zugleich zum Interpreten der Synode aufschwingt. Hör doch einfach mal zu, lieber Nachbarbischof!

Bernhard Meuser: Apropos Schirm! Da fällt mir doch das alte Gebet ein:

„Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesgebärerin, verschmähe nicht unser Gebet in unseren (synodalen) Nöten.“


Peter Esser
Der Autor ist 1962 am Niederrhein geboren, arbeitet als Cartoonist und Illustrator und begeistert sich für die Werke von J. R. R. Tolkien. Link: http://www.peteresser.de/

Bernhard Meuser
Jahrgang 1953, ist Theologe, Publizist und renommierter Autor zahlreicher Bestseller (u.a. „Christ sein für Einsteiger“, „Beten, eine Sehnsucht“, „Sternstunden“). Er war Initiator und Mitautor des 2011 erschienenen Jugendkatechismus „Youcat“. In seinem Buch „Freie Liebe – Über neue Sexualmoral“ (Fontis Verlag 2020), formuliert er Ecksteine für eine wirklich erneuerte Sexualmoral.

Dr. theol. Martin Brüske
Martin Brüske, Dr. theol., geb. 1964 im Rheinland, Studium der Theologie und Philosophie in Bonn, Jerusalem und München. Lange Lehrtätigkeit in Dogmatik und theologischer Propädeutik in Freiburg / Schweiz. Unterrichtet jetzt Ethik am TDS Aarau.


Foto: Peter Esser via midjourney

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