In der wilden Diskussion um Fiducia supplicans verdient eine Stimme von links besonderes Interesse. Norbert Lüdecke kritisiert das Dokument und seine Rezeption in Deutschland scharf. Gleichzeitig wird durch seine inhaltlich kaum bestreitbare Analyse klar: Der Text ist durch und durch orthodox. Martin Brüske ordnet noch etwas ein.

Norbert Lüdeckes Gütesiegel auf Fiducia supplicans

Der emeritierte Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke, scharfer Gegner des Synodalen Weges von links, hat seine Einschätzung von Fiducia supplicans aufgeschrieben. Entstanden ist ein paradoxer Text. Einerseits handelt es sich um eine Abrechnung in wilder polemischer Zuspitzung. Nicht nur mit dem Dokument, sondern auch mit denen, die es in Deutschland meinten für die Zwecke des Synodalen Wegs instrumentalisieren zu können – wie namentlich Irme Stetter-Karp. Andererseits, wieder einmal: Lüdecke, der „korrekte Kanonist“ in der Tradition Hans Barions, schummelt nicht. Seine Analyse, deren Ergebnis ihn freilich empört, wenn auch nicht wundert, stellt fest: Der Text bestätigt alles das, was galt und was er selbst unerträglich findet. Mit anderen Worten: Fiducia supplicans ist vollständig orthodox. Wir empfehlen den Text dieses wahrlich unverdächtigen Zeugen und verlinken ihn hier. Man braucht im Blick auf Lüdeckes Verbitterung allerdings gute Nerven: Die Leserschaft sei gewarnt!

Jakobiner und „korrekter Kanonist“

Denn Norbert Lüdecke ist ein theologischer Jakobiner und zugleich ein „korrekter Kanonist“. Jakobiner, weil er den sogenannten „Synodalen Weg“ weit links überholt. Er hat ihm frühzeitig ins Stammbuch geschrieben, dass er ihn für ein kanonistisches Nullum und für Selbstbetrug hält. Dass es Emanzipation vom System braucht, weil Reform innerhalb nicht möglich ist. Jakobiner wollen die Revolution. Lüdecke sieht nur in der Revolution – im offenen Bruch mit dem „System“, das Heil für ein zukünftiges Christentum.

Norbert Lüdecke ist aber auch ein „korrekter Kanonist“. Das heißt, dass er sich die kirchenrechtliche Objektivität, die korrekte Analyse eines normativen Texts mit kirchenrechtlicher Relevanz nicht abkaufen lässt zugunsten ideologischer Ziele. Was bei der Analyse von Fiducia supplicans dabei entsteht, ist eben eine paradoxe Mischung: Sein Artikel ist von Anfang bis Ende geprägt von polemischer Schärfe, zugleich bietet er eine unbedingt verlässliche Analyse des normativen Gehalts von Fiducia supplicans. So ist auch das Ergebnis paradox: Weil Lüdecke in jeder Hinsicht unverdächtig ist, das Dokument „schönzureden“, wird er für die, die seine polemischen Wertungen nicht teilen, zum wissenschaftlich verlässlichen Zeugen der Orthodoxie von Fiducia supplicans. Wir finden deshalb: Unbedingt lesenswert!


Dr. theol. Martin Brüske
Martin Brüske, Dr. theol., geb. 1964 im Rheinland, Studium der Theologie und Philosophie in Bonn, Jerusalem und München. Lange Lehrtätigkeit in Dogmatik und theologischer Propädeutik in Freiburg / Schweiz. Unterrichtet jetzt Ethik am TDS Aarau.


Foto: Adobe Stock (bearbeitet)

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