Die Nachrichten darüber, dass auf dem deutschen „Synodalen Weg“ sogar das sakramentale Priestertum in Frage gestellt wurde, haben weltweit die Katholische Kirche aufgeschreckt. Geht von Deutschland ein zweites Mal eine Spaltung der Kirche aus? Die Sitzungen der Synodalen Vollversammlung vom 30. September bis 2. Oktober 2021 waren öffentlich, die Dokumente liegen vor. Fragen und Beobachtungen (auch) von Teilnehmern der Synodalversammlung.

1. Wie treten die deutschen Bischöfe auf? Wer erhebt seine Stimme?

Die Synodalversammlung setzt sich aus der Vollversammlung der deutschen Bischöfe und dem ZdK (Zentralkomitee der deutschen Katholiken) zusammen; zusätzlich wurden in einem undurchsichtigen Verfahren weitere Teilnehmer hinzu berufen. Durch das „Zentralkomitee“, dessen Wurzeln ins 19. Jh. zurückgehen, ist vor allem der „politische Katholizismus“ repräsentiert – die heute eher linksliberalen Funktionäre und hauptamtlichen Mitarbeiter von kirchlichen Vereinen, Gremien und Verbänden, nicht aber Vertreter anderer wichtiger Gruppen der Laien in Deutschland. In einer Phase der Schwäche (Missbrauchskrise) haben sich die deutschen Bischöfe in ein Reform-Verfahren begeben, aus dem sie nicht mehr herausfinden, ohne den Aufstand der Mehrheit ihrer Gläubigen zu riskieren. Diese sind von einem medialen Trommelfeuer desinformiert und in rebellischer Stimmung.

So finden sich auf der Synodalversammlung drei Gruppen von Bischöfen:
1. Eher liberale und progressive Bischöfe, die sich den radikalen Forderungen der Laienverbände anschließen.
2. Eine Minderheit explizit lehramtstreue Bischöfe unter Führung des theologischen Kopfes der Bischofskonferenz, Dr. Rudolf Voderholzer.
3. Eine Mehrheit von Bischöfen, die in den Sitzungen des Synodalen Weges aber auch öffentlich schweigen. Ohnehin hat jeder Bischof laut Geschäftsordnung nur eine Stimme – genauso wie alle Laien. Das gleiche gilt für die erlaubte Redezeit bei den Debatten.

2. Wer bestimmt die Debatte auf dem Synodalen Weg?

Die Stimmung ist aufgeheizt, bisweilen auf das Äußerste angespannt. In der Debatte melden sich „empörte“ Laien zu Wort. Die radikalen Forderungen, von denen gleich noch die Rede sein wird, spiegeln sich in moderaterer Form in den vorbereiteten Entscheidungs-Papieren wider, die durchschnittlich im Verhältnis 70:30 zustimmende Mehrheiten finden. Die Debatte in den Versammlungen ist von erfahrenen Politaktivisten bestimmt; sie wird im Wesentlichen von (teils aggressiv auftretenden) Vertretern der Jugendorganisation BdKJ geprägt, dazu von jenen, die Forderungen der klassischen LGBTQI-Agenda ins Spiel bringen. Laute Buhrufe gegen Andersdenkende wurden zwischenzeitlich von der Sitzungsleitung unterbunden. Stattdessen schnellen nun im Plenum grüne und rote Karten in die Luft. Im Eiltempo werden Beschlüsse abgesegnet. Für Einwände und Gegenmeinungen steht nur 1 Minute (!) Redezeit zur Verfügung. Das Signal ist klar, die Dinge sollen durchgewunken werden, Debatten sind unerwünscht.

3. Wie wird in der Vollversammlung argumentiert?

Das zentrale Argument ist „Geschlechter-Gerechtigkeit“. Homosexuelle seien aus der Liebe ausgegrenzt, ihnen werde die sexuelle Selbstverwirklichung untersagt; Frauen werde das Priesteramt verboten; Laien würden von der Macht ferngehalten. Die Katholische Kirche in ihrer jetzigen Verfassung erscheine wie ein einziger Verstoß gegen die Menschenrechte – wie eine ungerechte Institution. Die Synodalversammlung ist damit zu einer Plattform von Äußerungen gegen die sakramental und hierarchisch verfasste Kirche geworden. Dagegen wird das „Ideal“-Bild einer demokratisch verfassten Kirche aufgebaut, in der sich Christen freiheitlich, autonom und plural entfalten können und spirituell dabei begleitet werden. Der Grundkonflikt wird formuliert als ein Gegensatz zwischen Menschenrechten und Kirche, und damit auch gegen Lehramt und Papst. Immer wieder werden „Opfer“ gegen die „Institution“ Kirche in Stellung gebracht.

4. Wo sind die theologischen Argumente?

Es gibt durch die Konzeption der Foren und Plenumsdebatten keine zeitliche Chance, echte Argumente vorzutragen oder gar auszutauschen. Nicht von der Redezeit her, auch atmosphärisch ist es aufgeladen und kaum möglich. Die Durchsetzung von verweigerten „Christenrechten“ und „Frauenrechten“ dominiert alle weiteren Themen. Die Debatte fokussiert sich um folgende Schwerpunkte:

1. Die Rolle des Priesters (bis hin zur Frage, ob man ihn überhaupt noch braucht).

2. Das Bischofsamt, das man (aufgrund des Versagens in der Missbrauchskrise – so das Standard-Narrativ) unter Aufsicht stellen möchte, wobei als Lösungsvorschlag am Horizont eine Art kirchliche Räte-Republik auftaucht. Gleichzeitig kursieren Vorstellungen, wie man das Geld (evtl. nach Schweizer Modell) unter Kontrolle der Basis bringen kann.

3. Das Frauenpriestertum, das unverhohlen eingefordert wird, und damit der Zugriff auf jede Macht-Position aber auch jedes andere Amt in der Kirche, letztlich auch das oberste in Rom.

4. Die „Ehe für Alle“, die faktisch sakramental und liturgisch möglich werden soll – noch spricht man verklausuliert vom „Segen für gleichgeschlechtliche Paare“, aber gemeint ist in logischer Konsequenz ein gleichwertiges Ehe-Sakrament wie bei Paaren aus Mann und Frau.

Bezeichnend für den Geist der kirchlichen Versammlung ist die Massregelung eines Redners, der an den zentralen missionarischen Auftrag der Kirche erinnerte. Sein Beitrag wurde explizit und formell zurückgewiesen. Die Forderung nach „Neuevangelisierung“ gehöre nicht zu den Aufgaben der Reformversammlung, sie behindere sogar die Reformvorhaben.

5. Wo liegen die tieferen Ursachen der Rebellion?

Die tiefere Ursache liegt vermutlich in einem weitgehenden Ausfall von Katechese in der deutschen Kirche (seit etwa fünfzig Jahren) – bei gleichzeitiger Entfernung weiter Kreise der akademischen Theologie vom Lehramt der Kirche. Ein Großteil der jüngeren Synodalen hatte wohl nie die Chance einer wirklichen existenziellen und kognitiven Integration in die Lehre der Kirche. Sie sind getauft, aber Worte wie „Priester“, „Bischof“, „Kirche“, „Eucharistie“ sind offenbar nicht substanziell inhaltlich gefüllt. Studien und Umfragen in Deutschland haben erwiesen, dass viele Angestellte der Kirche nicht beten, nicht an den Sakramenten teilnehmen – sie beichten nicht mehr, man sieht sie nicht bei den Sonntagsgottesdiensten. Sie sind wie passive Mitglieder und Angestellte eines Vereins, dessen Ziele sie nicht vertreten, obwohl sie von der Kirche leben. Sie machen nur einen „Job“.

6. Welcher Gefahr muss nun begegnet werden?

Die Gefahr lautet: Schisma. Der „Synodale Weg“ tritt nach außen mit dem Habitus auf, für die Kirche verbindliche Entscheidungen treffen zu können. Dies ist aber nun gerade nicht der Fall. Seine Entscheidungen haben kirchenrechtlich keinerlei Verbindlichkeit. Auch können Bischöfe nicht zu irgendwelchen lokalkirchlichen Maßnahmen verpflichten werden, die gegen die Lehre der universalen Kirche und der Heiligen Schrift stehen. Die Macher des Synodalen Weges haben dieses Missverständnis allerdings so lange wiederholt, dass nicht nur ein großer Teil der Gläubigen, sondern inzwischen auch die Organisatoren der Versammlung selber glauben, sie seien befugt.

Während es am letzten September-Wochenende nur um eine erste Lesung der Beschlussvorlagen ging, sollen auf der kommenden Vollversammlung im Frühjahr 2022 „verbindliche Beschlüsse“ durch Mehrheitsentscheidungen gefällt werden. Zwar darf man auf die Besinnung und den Mut einiger Bischöfe hoffen, aber sicher zu rechnen ist damit nicht. Schon jetzt waren von den 72 Bischöfen, nur rund 65 vor Ort. Sollte es zu den „verbindlichen Beschlüssen“ kommen, ist die absichtlich herbeigeführte schismatische Situation offenkundig.

7.  Fazit: Katechese! Katechese! Katechese!

Eine Erneuerung der Kirche wird es nicht geben ohne bedeutende Anstrengungen zur Erneuerung von Katechese und Katechumenat. Als „missionarische Jünger“ (Evangelii Gaudium) sind alle Gläubigen dazu gerufen, in eine persönliche Verbindung der Freundschaft zu Jesus zu kommen und sich gemeinsam die Grundlagen des Glaubens der Kirche neu zu erarbeiten, um zur Weitergabe des Glaubens beizutragen. Dafür freilich braucht es neben der biblischen Einladung aus Römer 12 auch die Bereitschaft zu einer inneren Antwort der Umkehr.

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