Benjamin Leven überführt Georg Bätzing

Bischof Bätzing meinte, den Journalisten Benjamin Leven wie einen dummen Schuljungen abkanzeln zu sollen. Das ist ihm nicht gut bekommen, meint Martin Brüske. Lange wurde der Eindruck erweckt, die Handreichung zu Segensfeiern für Paare jenseits der Ehe sei mit Rom abgestimmt. In einem bestens dokumentierten Artikel hat Leven nun den Beweis des Gegenteils angetreten.

Ein systematisch erweckter falscher Eindruck kommt der Lüge gleich

Wenn man systematisch fragmentarische Elemente einer viel größeren Wahrheit über längere Zeit und in offensichtlich manipulativer Absicht so aufbläht, dass der Öffentlichkeit das Gegenteil von dem suggeriert wird, was die größere und vollständige Wahrheit wäre, dann kommt das der Lüge gleich, oder? In genau diesem Sinne darf man ab sofort Georg Bätzing einen öffentlichen Lügner nennen.

Gegen alle Offensichtlichkeit, gegen den völlig klaren Text von Fiducia supplicans und zuletzt direkt gegen Papst Leo, der unter Nennung des Namens „Segen für Paare, die sich lieben“ seine Missbilligung und den Widerspruch zur kirchlichen Lehre öffentlich aussprach, wurde nicht nur von Georg Bätzing, aber zuletzt gerade von ihm in der denkbar größten Intensität, der Eindruck erweckt, das Dokument „Segen gibt der Liebe Kraft. Segnungen für Paare, die sich lieben“ sei mit Rom abgestimmt und finde dort zumindest keinen Widerspruch oder sogar klammheimliche Zustimmung. Bei der kritischen Nachfrage von Benjamin Leven und anderen zu diesem Thema bei den Pressekonferenzen der DBK zur diesjährigen Herbstvollversammlung beschwor Bätzing in scheinbar völliger Selbstgewissheit diese Sicht und kanzelte zum Schluss schließlich Benjamin Leven wie einen dummen Schuljungen ab. Man zweifelte am eigenen Verstand. Aber Non-A ist nicht eine „maßvolle Erweiterung“ – so der Vorsitzende über das Verhältnis der Handreichung zu Fiducia supplicans – zu A, sondern schlicht und ergreifend und auf ewig ein Widerspruch.

Nichts weiter als eine vage Anfrage 

Die also, die sich hinter die Handreichung stellten und sie öffentlich vertraten und verteidigten, suggerierten der Öffentlichkeit, sie sei in Abstimmung mit Rom erarbeitet worden. Was die Öffentlichkeit dabei hören sollte, ist völlig offensichtlich, klar und unbestreitbar: Rom habe die Handreichung gebilligt, mindestens keinen Einspruch erhoben.

Die Tatsachen, die Benjamin Leven nun dokumentieren konnte, sind andere.

Was also sind die Tatsachen? Ja, es hat einen Kontakt mit Rom gegeben. Nein, es hat in keiner Form eine Gutheißung, Billigung oder Erlaubnis gegeben. Wer dies jetzt immer noch behauptet, der suggeriert nicht nur etwas, das der Lüge gleichkommt, sondern der lügt direkt, offensichtlich und in jeder Hinsicht klassisch. 

Die genaueren Tatsachen sollten Sie selbst, liebe Leserschaft, bei Benjamin Leven und der – sehr empfohlenen – COMMUNIO nachlesen. Strukturell handelt es sich genau um das, was ich – angesichts der Dreistigkeit und Offensichtlichkeit ziemlich irritiert – schon länger vermutet hatte: Es gab eine vage Anfrage eher im Sinne einer „Information“ und ausdrücklich bereits mit dem Hinweis, dass man keine Billigung erwartet (dem Sinn nach: „wir haben euch informiert, aber bitte haltet still“). Es gab grundsätzliche Rückfragen von Kardinal Fernández, die die lehrmäßigen Implikationen wie die Ritualität des Segens betrafen. Hätte man sie ernst genommen, hätte man den Text der Handreichung – salopp gesagt – „in die Tonne klopfen“ können. Die Reaktion in Deutschland: Kosmetische Retuschen der krassesten Stellen – ohne jede Veränderung der grundlegenden Richtung des Dokuments! Weiter? Nichts weiter! So meinte man einer Öffentlichkeit, die man in klerikaler Arroganz offensichtlich für dumm hält, verkaufen zu können, man habe römischen Bedenken Rechnung getragen. Ob das raffiniert – oder am Ende des Tages selbst ziemlich dumm ist, mag jeder selbst beurteilen.

Die normative Bedeutung einer Handreichung

Nun könnte man meinen, eine Handreichung dieser Art habe doch keine normative Verbindlichkeit. Aber das ist im Blick auf eine tatsächliche kirchliche Praxis und ihre lehrmäßigen Implikationen ein krasser Irrtum. 

  1. Eine Handreichung dieser Art orientiert kirchliches Handeln. Das ist ihr Sinn. Sie ordnet diese Praxis nicht an. Aber sie billigt diese Praxis und weist ermunternd auf sie als Möglichkeit kirchlichen Handelns hin. Damit verschafft sie dieser Praxis Legitimität. Die Praxis, die hier legitimiert wird, steht aber im Widerspruch zu der Praxis, die die Kirche nach Fiducia supplicans allein billigt. Die Handreichung ermuntert eindeutig rituell-liturgisches Handeln (auch wenn kein Formular vorgelegt wird). Was die Handreichung ermuntert, lehnt Fiducia supplicans ab.
  2. Hinter kirchlicher Praxis steht Theorie, sprich: kirchliche Lehre, die dieser Praxis die Richtung gibt und die Grenzen setzt. Jede Praxis hat lehrmäßige Implikationen. Fiducia supplicans hat – um eine bestimmte Praxis des pastoralen Segens zu ordnen und Möglichkeiten und Grenzen zu erkennen – das zentrale positive Grundaxiom der christlichen Sexualmoral, dass humane Sexualität ihren exklusiven Ort in der lebenslangen Ehe zwischen Mann und Frau hat, in vollkommener Klarheit und Eindeutigkeit erneut herausgestellt. Die Handreichung vertritt eine andere Praxis aufgrund einer neuen Lehre, die dieser Basisannahme wiederum in aller Klarheit und eindeutig gewollt widerspricht.
  3. Die Bischöfe, die sich hinter die Handreichung gestellt haben, billigen damit eine Praxis und ihre lehrmäßigen Implikationen, die im Widerspruch zu Fiducia supplicans stehen. Aber nicht nur dies: Die Implikationen reichen bis zu dem genannten Basisaxiom – der einzig vollhumane Ort der Ausübung menschlicher Sexualität ist die Ehe zwischen Mann und Frau – und treten zu diesem Basisaxiom in Widerspruch. 

Man kann zum Schluss nur hoffen, dass Papst Leo nach seiner völlig klaren Stellungnahme ruhig, aber eindeutig (wie es seine Art ist) auch auf der Ebene der kirchlichen Disziplin reagiert, so dass die Bischöfe, die das Papier gebilligt haben und / oder in ihren Diözesen praktisch umsetzen oder wenigstens billigen, die Handreichung zurücknehmen und das kirchliche Handeln an der gültigen Lehre orientieren. Alles andere führt zu schwersten Schäden.


Dr. theol. Martin Brüske
Martin Brüske, Dr. theol., geb. 1964 im Rheinland, Studium der Theologie und Philosophie in Bonn, Jerusalem und München. Lange Lehrtätigkeit in Dogmatik und theologischer Propädeutik in Freiburg / Schweiz. Unterrichtet jetzt Ethik am TDS Aarau. Martin Brüske ist Mitherausgeber des Buches “Urworte des Evangeliums”.


Beitragsbild: Bischof Bätzing bei der Herbstvollversammlung der DBK in Fulda
Copyright: TimxWegner epd / Imago Images

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