Konservative, Liberale, Protestanten, Katholiken und Konvertiten unter sich, so einfach ist es am Ende. Neue und alte Gedanken für ein verantwortliches Bürgertum und zur Überwindung linker Dominanz. Peter Winnemöller berichtet live von einer bemerkenswerten, internationalen Konferenz in London. 

„Politische Ökumene“

Die ARC Konferenz ist wohl die größte Versammlung konservativer und liberaler Denker weltweit. Die Teilnahme an dieser Konferenz könnte man unter das Motto stellen: “Man gönnt sich ja sonst nichts.” Der volle Titel der Organisation lautet The Alliance for Responsible Citizenship. Die Konferenz findet in London statt und hat für drei Tage jeweils von 8 bis 18 Uhr ihre Hallen geöffnet. In vier Einheiten pro Tag gibt es Vorträge, Podien und kulturelle Einlagen. Ja, die Kultur gehört dazu, denn über Kultur definieren wir uns über das Sachliche hinaus. Musik und Poesie öffnen das Herz. In jedem Zusammenhang hat das Bürgerliche immer auch mit Kultur zu tun. Auch die Religion gehört dazu. In fast jedem Vortrag kommt Gott irgendwie vor. Atheisten hätten es hier sehr schwer, bemerkte eine Teilnehmerin am Rande. Doch wie fühlt es sich an, als Katholik in einer so angelsächsisch-protestantisch dominierten Umgebung? Die Antwort lautet: gut. Der Grund ist einfach, denn es gibt einen gut organisierten katholischen Underground. Und es gibt die persönliche Entscheidung, wo gehe ich mit und wo nicht. Tatsächlich gibt es ja durchaus eine politische Ökumene. Wir kennen das vom Lebensschutz, wir kennen es von der Familienpolitik und auch in wirtschaftspolitischen Fragen gibt es Schnittmengen. Ayaan Hirsi Ali, die bekannte Politikwissenschaftlerin und Frauenrechtlerin, die im vergangenen Jahr zum Christentum konvertiert ist, forderte gar eine christliche Moralität für jeden Staat. Auch mit dem Soziologen Os Guinness wird man sich als Katholik leicht anfreunden.

Nightfever und Straßenapostolat

Doch beginnen wir am Anfang. London ist eine faszinierende Stadt, für die man sich auch dann Zeit nehmen sollte, wenn man sie schon kennt. Die Anreise erfolgte also rechtzeitig zwei Tage vor Beginn der Konferenz. Am Samstag startete es mit dem ersten katholischen Event, der allerdings gar nichts mit der ARC zu tun hat. Zu den olympischen Spielen 2012 reisten einige junge Katholiken aus Deutschland nach London und gründeten dort Nightfever. Der Gebetsabend mit Anbetung und Straßenapostolat findet seitdem mehrfach im Jahr in der Kirche St. Patrick in Soho statt. Beim Besuch um 20 Uhr war die Kirche gut besucht. Leise Musik wurde zur Anbetung gespielt und immer wieder kamen junge Menschen, die auf Einladung der Volunteers in die Kirche geführt wurden. Das Team in London ist aktiv und lebendig. Die Freude über den Besuch aus Deutschland war groß.

 

Vormittags ökumenisch …

Besucher eines Gottesdienstes in Westimster Cathedral

Der Sonntag stand im Zeichen der Ökumene. Wer jemals die Gelegenheit hatte, an einem Sonntag die „Sung Eucharist“ in der Westminster Abbey zu besuchen, wird verstehen, warum der Besuch so wichtig ist. Angesichts der Schönheit der hier gefeierten Liturgie überkommt einen echte Trauer über die fehlende volle kirchliche Gemeinschaft. Vor allem die verwirrend große Ähnlichkeit mit der katholischen Liturgie ist erfreulich und zugleich irritierend..

 

… nachmittags katholisch

Es ging am Nachmittag des Tages sehr katholisch weiter. Um 16:30 wird die Heilige Messe im Brompton Oratory gefeiert. Der Weg führt vorbei an der Statue des Hl. John Henry Newman in die erstaunlich große katholische Kirche in Kensington. Bei Ankunft konnten wir so eben noch das Ende einer Marienandacht erleben. Großes katholisches Kino mit Chor und Orgel. Marientracht und Aussetzung des Allerheiligsten gehörten ebenfalls dazu. Die folgende Messe war dagegen eher schlicht. Proprium und Ordinarium wurden vollständig gebetet. Es gab keinen Gesang. Es schloss sich ein Empfang an, bei dem ein großer Teil der katholischen ARC-Teilnehmer versammelt waren. An den Folgetagen gab es eine tägliche Heilige Messe in einer Kirche relativ nahe dem Excel London, in dem die ARC tagte.

 

Bischof Barron vor Redepult in engagierter Haltung

18/02/2025. London, United Kingdom. The Alliance For Responsible Citizenship Conference - Day Two. ExCel London. The ‘Responsible Citizenship and Social Fabric’ panel. Speakers: Bishop Barron, Katalin Novk and Stephen Shaw. Panel Chair: Gudrun Kugler. Panellists: Hinae Niori, Virginia Tapscott and Vlatko Gjorchev. PUBLICATIONxNOTxINxCHNxJPNxPOLxRUS Copyright: xAndrewxParsonsx/xParsonsxMediax PAR-9071-0123

Neben der Tatsache, dass wir Katholiken hier eine  nennenswerte Gruppe sind, gehörte Bischof Barron zu den Speakern, Johannes Hartl saß auf einem Podium und man sieht hier zahlreiche Priester. ARC katholisch? Kein Grund zu Panik oder Understatement. Wer sich für die Vorträge interessiert, kann diese bei der ARC auf YouTube finden.

Die Konferenz mag angelsächsisch-protestantisch dominiert sein, die Probleme und Fragen der Zeit sind ähnlich. Der Blick auf Deutschland ist kritisch und vor allem Fragen zur Meinungsfreiheit wurden uns immer wieder gestellt. Weltweit wird die Lage als ernst angesehen. Doch das sichtbar vor der Tür stehende Ende des Wokeismus vermag auch Hoffnung zu geben. In der Politik, das war die Weisheit Adenauers, gibt es eine Ökumene der Vernunft. In Deutschland nennen wir es Christdemokratie. Und das kann als Fazit angesehen werden: In vielen Kernfragen, Familie, Ökonomie, Ökologie, digitale Identität und anderes braucht man sich als deutscher Christdemokrat sicher nicht mit seiner Weltsicht vor den Angelsachsen verbergen.


Peter Winnemöller

Journalist und Publizist. Autor für zahlreiche katholische Medien. Kolumnist auf dem Portal kath.net. Im Internet aktiv seit 1994. Eigener Weblog seit 2005. War einige Jahre Onlineredakteur bei „Die Tagespost“. Und ist allem digitalen Engagement zum Trotz ein Büchernarr geblieben.

Bildquellen: Alle Bilder vom Autor, bis auf Trafalgar Square (Adobe Stock) und Bischof Robert Barron am Rednerpult (Imago Images)

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