Ich stelle mir einmal vor, Katharina von Siena wäre eine Delegierte auf der letzten Vollversammlung des Synodalen Weges in Frankfurt, Anfang März. Wortmeldung: „Anders können wir das Heil nicht erlangen als durch den mystischen Leib der heiligen Kirche, dessen Haupt Christus ist und wir die Glieder.“ Gemurmel. Unterdrückte Buhrufe. Nächste Wortmeldung.

 

Hildegard von Bingen, Katherina von Siena, Franz von Assisi, Teresa von Avila – sie alle waren eine paradoxe Mischung aus schärfster Kleruskritik und höchster – also demütiger – Hochachtung vor dem Amt. „Diener der Sonne“, nennt Katharina die Priester. Und dann wieder sagt sie:

„Legt Hand an, um den üblen Priestergeruch aus der Heiligen Kirche zu entfernen; reißt die übelriechenden Blumen aus, pflanzt duftende Blumen, tugendreiche Männer, die Gott fürchten“.

Katharina wäre vermutlich nicht zu haben für die synodalen Träume von einer Kirche, in der die Eucharistie zurückgestuft und in der Priester marginalisiert werden. Sie wollte Hirten, die mit ihrem Leben bezeugen, was in Vollmacht zu lehren ihnen von Christus aufgetragen wurde.
Sie wollte Hirten, die auf die gute Weide führen. Sie wäre entsetzt gewesen, hätte man ihr die Substitution des Hirtenamtes durch eine Hirtenräte-Republik vorgeschlagen.

Wer braucht schon Priester?

Was ist denn passiert, dass es so weit kam? Durch den Rückgang der Berufungen bei gleichzeitig steigenden Finanzquellen wuchs nach und nach eine Struktur, in der man eine „Kirche“ auch ohne die Instanz „Priester“ glaubte betreiben zu können. Theologenhirnschmalz wurde investiert, um zu zeigen, dass es ihn im Neuen Testament gar nicht gibt und man ihn eigentlich auch gar nicht gebraucht hätte und die Kirchengeschichte ganz anders gelaufen wäre ohne diese präpotenten, alten, weißen Männer.

Nicht zuletzt durch die Missbrauchskrise wurde das Amt (und damit die episkopal-sakramentale Struktur) sukzessive entkräftet und eine „demokratisch-gremiale“ Funktionärskirche machte sich breit, mit der es administrativ irgendwie weitergehen konnte mit der Mitglieder-Betreuung (was für eine Ekklesiologie, nebenbei bemerkt!). Aus dem Notbehelf wurde ein Ideal. Die laikale „Elite“ (Papst Franziskus) möchte jetzt auch formell die Macht übernehmen – und weil das mit der vernagelten Kurie in Rom nun mal nicht zu machen ist, gibt es die Frankfurter Verschwörung: eine Art von nationalkirchlichem Putsch.

Rom hat den Synodalen Rat in jeder Form mit bindender Gesetzeskraft verboten. Damit erübrigt sich auch der Synodale Ausschuss, dessen einziger Zweck in der Etablierung des Synodalen Rates bestand. Ich verstehe nicht, wie sich selbst sonst romtreue Leute zur Wahl für diesen organisierten Unfug aufstellen lassen. Wer mitmacht, ist Teil des kirchlichen Ungehorsams. Wieder höre ich Katharina von Siena, vielleicht, um unsere Lage nicht für historisch singulär zu halten:

„Die Hirten tun, als sähen sie nichts. Weißt du warum? Weil die Wurzel der Eigensucht in ihnen lebendig ist …“

„Christi Braut ist bleich und entfärbt“

Manche sagen es ganz offen, „Wir hier in Limburg … (hier in Rottenburg, Mainz, Osnabrück, Essen etc. …) haben diese Struktur ja schon längst. Wir sind schon ´anders katholisch´, müssen es gar nicht erst noch werden.“ Darauf ist zu sagen: Ja, das wuchert schon lange … und hat die Kirchen geleert. Jeder kann sehen: Das ist „ohne Früchte“, deshalb wird alles Geld der Welt dieses Kirchenmodell auch in Zukunft nicht mit Erfolg krönen. Die Strukturen, die sie jetzt noch mal mit Betonfundamenten versehen möchten, stehen klirrend im Wind …

„Christi Braut ist bleich und entfärbt, weil ihr das Blut ausgesaugt wurde“ (Katharina von Siena). Die Erneuerung – so meine Einschätzung – wird von den non profit Laien kommen, von denen, die nicht um die Macht in den Pfarrbüros, den Vorsitz in den Gremien und das Sagen in den Ordinariaten kämpfen, sondern in ihren Wohnzimmern Weitergabe des Glaubens betreiben, Alpha-Kurse geben und Katechese übernehmen.

Katharina von Siena war übrigens demütig genug, ihre eigenen Sünden für mitursächlich an der Kirchenkatastrophe ihrer Zeit zu halten. Nur auf diesem Hintergrund hatte sie ein Recht zu fordern:

„Es ist die Kirche bis zu den Fundamenten zu reinigen, wenn sie wieder blühen soll. Diese Grundreinigung und nichts anders sollen Sie erstreben.“

 


Bernhard Meuser
Jahrgang 1953, ist Theologe, Publizist und renommierter Autor zahlreicher Bestseller (u.a. „Christ sein für Einsteiger“, „Beten, eine Sehnsucht“, „Sternstunden“). Er war Initiator und Mitautor des 2011 erschienenen Jugendkatechismus „Youcat“. In seinem Buch „Freie Liebe – Über neue Sexualmoral“ (Fontis Verlag 2020), formuliert er Ecksteine für eine wirklich erneuerte Sexualmoral.

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