Die Konsequenzen des Synodalen Weges sind noch nicht absehbar. Es wurde vieles beschlossen: Die Bistümer in Deutschland sollen die Segnung homosexueller Paare ermöglichen. Sie sollen Laien erlauben, in der Messe zu predigen. Sie sollen ein Menschenbild propagieren, das der Genderideologie entspricht und den Papst bitten, die Verpflichtung zum Zölibat aufzuheben und zu prüfen, ob man Frauen nicht doch zu Weiheämtern zulassen könne.

Über all diese Themen wurde mit der Begründung diskutiert, man wolle Missbrauch verhindern. Offiziell hatte man den Synodalen Weg zu diesem Zweck eingerichtet. Mittlerweile dient dieser allerdings nur noch als äußerst durchsichtiges Feigenblatt. Wann immer jemand Zweifel an der Legitimität des Vorgangs äußerte, wurde er daran erinnert, dass das Ziel ja Verhinderung von Missbrauch sei.

Wie die Diskussion etwa der Laienpredigt diesem Ziel allerdings dienlich sein solle; wieso der Priesterzölibat aufgehoben werden soll, obwohl die MHG-Studie, auf die sich der Synodale Weg bezieht, eindeutig keinen Zusammenhang zwischen Missbrauch und Zölibat sieht (womit sie im Einklang mit anderen Studien zu dem Thema ist): all das wurde nicht thematisiert.

Stattdessen dient der Missbrauchsskandal interessierten Kreisen als Vehikel, um durchzusetzen, was schon seit Jahrzehnten von Kirchenfunktionären, einem Teil der Verbandskatholiken und der akademischen Theologie gefordert wird: eine umfassende Selbstsäkularisierung, die Aufgabe zentraler Glaubensüberzeugungen und überlieferter Glaubenspraxis. Hier liegt auch die Erklärung dafür, dass es so schwierig ist, zu erklären, worin der Synodale Weg eigentlich besteht: Wer ein minimales Verständnis für Religion hat, muss diesen Prozess absurd finden. Denn Religionen drehen sich um die Wahrheit. Wie aber sollte man über Wahrheit abstimmen?

Gemeinsam gehen können wir nur auf dem Fundament der Kirche Christi

Zehn Texte zu drei (von insgesamt vier) Themenbereichen wurden auf der fünften Synodalversammlung „beschlossen“: Priesteramt, Frau in der Kirche und katholische Sexualethik. Werden die Beschlüsse in den Bistümern umgesetzt?

Tatsächlich werden in manchen Bistümern, wie etwa Aachen oder Berlin, bereits Homosexuelle gesegnet, trotz expliziten Verbots durch Rom. Es werden Aktionen organisiert, in denen Männer und Frauen eigenmächtig in der hl. Messe predigen. All diese Dinge geschehen bereits und werden weithin geduldet. Und das, obwohl ein durchaus relevanter Teil des Glaubensvolkes darunter leidet und nicht damit einverstanden ist.

Hier liegt bereits ein Grundproblem des Synodalen Weges: Er behauptet, „synodal“ zu sein, das bedeutet, auf einem „gemeinsamen Weg“ zu sein. Zusammen gehen, so wurde in den letzten Jahren immer beschworen, sei der Weg in die Zukunft für die katholische Kirche. Nun würde ein lehramtstreuer Katholik sagen, dass dieses gemeinsame Gehen nur auf dem Fundament der Kirche Christi und ihrer Lehre geschehen könne.

In der Bätzing-Stetter-Karp-Kirche ist kein Platz für lehramtstreue Katholiken

Aber selbst ohne diese Berufung auf eine göttliche Autorität, allein aus dem Selbstverständnis des Synodalen Weges heraus, ist dieser Prozess unglaubwürdig: Wiederholt haben etwa Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und damit Teil des Präsidiums des Synodalen Weges, und Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und gleichfalls Leiter des Präsidiums, deutlich gemacht, dass es in der Kirche, die ihnen vorschwebt, für Andersdenkende keinen Platz geben wird.

Wer anderer Meinung war, wurde ausgelacht, unter Druck gesetzt, als Psychopath bezeichnet, in die Nähe von Rechtsextremen gerückt, bezichtigt, Gewalttaten gegen Minderheiten zu befördern, indirekt sogar, an Suiziden schuld zu sein. All das geschah nicht hinter verschlossenen Türen: Jeder kann sich die Livestreams der Versammlungen angucken und all diese Aussagen nachprüfen.

Das gemeinsame Gehen bestand also vor allem darin, jene, die nicht der Mehrheitsmeinung folgen, mundtot zu machen. Dies reichte bis in die Abstimmungsergebnisse hinein: Der Synodale Weg kann sich damit brüsten, dass Papiere mit nahezu 100 Prozent Zustimmung angenommen wurden. Beweis überwältigender Einmütigkeit? Tatsächlich gab es Enthaltungen. Diese wurden aber schlicht nicht mitgezählt.

Konkret wurde etwa das Papier, das das Diakonat der Frau fordert, also ein Weiheamt für Frauen öffnen will, mit 93,65 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Diese Zahl kommt aber nur zustande, weil 13 Enthaltungen nicht in die Gesamtberechnung einfließen. Während der Beratungen nutzte Bischof Bätzing gar seine Autorität als Vorsitzender der Bischofskonferenz, seine zaudernden Mitbrüder nachdrücklich dazu aufzufordern, sich zu enthalten, wenn sie den Text nicht annehmen könnten.

Kirchenrechtlich existiert der Synodale Weg nicht

Der Synodale Weg ist also keineswegs demokratisch. Dem entspricht auch der krasse Rechtsbruch, der vor der letzten Synodalversammlung kurz für Schlagzeilen gesorgt hatte: In der vierten Vollversammlung war der Minderheit das Recht auf geheime Abstimmung genommen worden. Obwohl dies satzungswidrig war, wie mittlerweile mehrere Kirchenrechtler festgestellt haben, wurde an dieser falschen Lesart der Satzung auch jetzt festgehalten. Allerdings können sich die Betroffenen an niemanden wenden – denn kirchenrechtlich existiert der Synodale Weg nicht!

Für diese Form hatte man sich entschieden, weil man keine Synode einrichten wollte. Diese wäre kirchenrechtlich definiert gewesen und hätte nicht genutzt werden können, um die säkulare Agenda des ZdK und einiger Bischöfe durchzusetzen. Damit sind die Beschlüsse sämtlich unverbindlich – theoretisch. Das allerdings ist den entsprechenden Delegierten völlig gleichgültig. Sie haben sich zu einer Art Kirchen-Live-Rollenspiel verabredet: Sie haben ein Paralleluniversum kreiert, in dem Absprachen gelten, die die Spielleiter vorgeben.

In diesem Universum ist es ein Zeichen von Toleranz, den Bischof auszulachen, der um geheime Abstimmung bittet. Ein Zeichen von Rationalität, in Tränen auszubrechen, wenn ein Sachargument vorgebracht wird. Ein Zeichen von demokratischem Bewusstsein, Enthaltungen aus dem Gesamtergebnis zu tilgen und Abstimmungsverhalten zu manipulieren.

Die Sowjetisierung der Bistümer wurde vertagt – vorerst

In der Welt des Synodalen Weges ist ein kirchenrechtliches Nicht-Gremium dazu berechtigt, mit einer Nicht-Legitimation Nicht-Beschlüsse zu fassen. Wenn jemand darauf hinweist, dass „der Kaiser nackt“ ist, kann er sich darauf einstellen, von der säkularen wie kirchlichen Presse gejagt, von Kirchenfunktionären unter Druck gesetzt zu werden. So versucht man, Entscheidungen aus der Parallelwelt in die Realität der Kirche zu zwingen.

Dass dieses Verfahren Grenzen hat, zeigte ausgerechnet das Schicksal des Herzstücks der Handlungstexte: Man hatte ein Papier verabschieden wollen, demzufolge in allen Pfarreien und Bistümern Räte zur „gemeinsamen Beratung und Entscheidung“ eingesetzt bzw. aus bestehenden Beratungsorganen entwickelt werden sollen. Selbst Walter Kardinal Kasper, nicht gerade ein konservativer Hardliner, kommentierte das Ansinnen, die Kirche in ein Rätewesen umzustrukturieren, mit spitzen Worten: Ein „Oberster Sowjet in der Kirche“ sei „offensichtlich keine gute Idee“. Eine Einschätzung, die Papst Franziskus offenbar teilt, der das Vorhaben mehrfach explizit verboten hat.

An dieser Stelle fanden auch entmündigte Bischöfe ihre Stimme wieder: Vor die Wahl gestellt, in den offenen Ungehorsam gegen Rom zu treten, wurde ein Rest an kirchlichem Empfinden deutlich, und die Synodalen mussten befürchten, dass der Text abgelehnt würde. Also wurde er vertagt und scheiterte damit – vorerst – an der realen Autorität des Papstes.

Der Rhein fließt noch immer nicht in den Tiber

Man kann nur inständig hoffen, dass diese Autorität weitere Entgleisungen in Schach zu halten vermag. Denn die findigen Kirchenfunktionäre haben in weiser Voraussicht dafür gesorgt, dass das Ende des Synodalen Weges nicht zum Ende ihres Umbauprojekts von Lehre und Kirche würde: Auf der Synodalversammlung haben sie einen Synodalen Ausschuss gewählt. Dieser soll die vertagten Texte beraten und bis 2026 einen Synodalen Rat für Gesamtdeutschland vorbereiten. Dieser soll dann auf unbestimmte Zeit die Geschicke der Kirche in Deutschland lenken.

Dass das Veto des Papstes auch gegen dieses Projekt vorliegt, wird geflissentlich ignoriert; schließlich fließt bis 2026 noch viel Wasser den Rhein hinab. Allerdings müssen die deutschen Katholiken sich in Acht nehmen: Der Rhein fließt nicht in den Tiber. Auf der Synodalversammlung hat man mit großer Selbstverständlichkeit deutlich gemacht, dass man die Lehre und den Glauben der Kirche für verhandelbar hält. Man kann nur hoffen, dass es die Kirche nicht zerreißt, wenn diese Überzeugung an römischen Realitäten zerschellt.

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