Die Laien, die Kirche und die Macht

Die Kirche wird gerne als rückständig dargestellt, manche Reformer verlangen deren „Inkulturation in die Demokratie“. Andere verweisen auf das Prinzip der Synodalität, das im Alltag weit verbreiteter ist. Martin Grünewald lädt ein zum Nachdenken über das gültige Leitbild des Laienkatholizismus. In der ersten Folge der Serie geht es besonders um Demokratie und Hierarchie.

In der Entwicklung der Menschheit gilt die Herrschaftsform der Demokratie als große Errungenschaft und bestmögliche Lösung für ein gelingendes Miteinander im Staat. Nach den Beschlüssen des „Synodalen Weges“ soll sie auch in der katholischen Kirche Einzug halten und das Prinzip der Hierarchie ergänzen, gar ersetzen. Eine Begründung wird dafür nicht vorgetragen. Sie erscheint den Initiatoren offenbar selbsterklärend und überflüssig. Eine Auseinandersetzung mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen unterbleibt. In der katholischen Kirche gilt allerdings ein anderes Prinzip: die Hierarchie. Der Begriff leitet sich ab aus dem Griechischen und bedeutet „heiliger Ursprung“. Damit ist gemeint, dass in der Kirche von Christus her alle Macht und Autorität ausgeht.

Wie funktioniert Demokratie?

Demokratie bedeutet Herrschaft des Volkes, Herrschaft der Mehrheit. Ihre Erfinder – freie Männer in der griechischen Antike – versammelten sich auf dem Marktplatz ihres Stadtstaates (Polis) und beschlossen dort unmittelbar selbst über alles, was die Polis anging.

Diese Marktplatzdemokratie ist in den heutigen Staaten nicht mehr möglich. An ihre Stelle ist die repräsentative Demokratie getreten. Vom Volk auf Zeit gewählte Vertreter (Repräsentanten) entscheiden als Treuhänder des Volkes über die laufenden politischen Themen. Nach welchen Kriterien handeln diese Vertrauensleute? Das muss der Wähler unbedingt wissen, denn er verleiht Macht durch Vertrauen. Eine repräsentative Demokratie funktioniert deshalb nicht ohne Parteien. Wer seine Stimme abgibt, gibt einen Vertrauensvorschuss für die Politik der nächsten vier oder mehr Jahre. In diesen Zeitraum haben die Wähler keinen Einfluss mehr. Grundlage für die Wahlentscheidung sind die aktiv handelnden Politiker und Parteien, deren inhaltliche Positionierungen in ihren Programmen dargestellt wird. Ebenso vertraut der Wähler Erfahrungen mit bisherigem politischem Handeln, dazu bestehenden Traditionen und Werthaltungen von Parteien. Dies sind die einzigen Faktoren, die Politik für die Wähler berechenbar machen – zumindest in einem gewissen Umfang.

Auch die Demokratie als Herrschaft der Mehrheit ist nicht automatisch gut. Die Mehrheit kann irren oder verführt werden. Dazu gibt es Beispiele in der Geschichte. Deshalb gibt es in Deutschland Sicherungsinstrumente. Das wichtigste bilden die Grundrechte, die in der Verfassung verankert sind und in ihrem Wesensgehalt nicht angetastet werden dürfen. Sie bilden Abwehrrechte des einzelnen Bürgers gegenüber einem potenziell übergriffigen Staat. Das Bundesverfassungsgericht übt die Kontrolle über deren Einhaltung aus.

Direkte Demokratie in der Kirche?

Der „Synodale Weg“ beruft sich zwar auf die Einführung des Demokratieprinzips, übersieht dabei aber wesentliche Strukturprobleme, die ausgeklammert werden und deshalb unbeantwortet bleiben. Eine direkte Demokratie streben die Beschlüsse des „Synodalen Weges“ nicht an. Das wäre eigentlich folgerichtig, denn dafür gibt es Ansätze in der Tradition der Kirche. So werden in den Ordensgemeinschaften seit den Anfängen durch Benedikt von Nursia vor rund 1500 Jahren die Oberen eines Konventes direkt gewählt. Das ergibt auch Sinn, denn die Kandidaten und Wahlberechtigten kennen sich persönlich, sie leben und arbeiten täglich seit Jahren gemeinsam am gleichen Ort. Die Kandidaten sind also allen nicht nur bekannt, sondern wirklich vertraut.

Bei einer Bischofswahl, bei der nach den Vorstellungen des „Synodalen Weges“ das Kirchenvolk vorschlagen und entscheiden soll, ist die Situation anders. Welche Wahlberechtigten haben einen Überblick über mögliche Kandidaten innerhalb einer ganzen Diözese? Wie viele Gläubige im manchmal millionenstarken Gottesvolk einer Diözese können die Eignung, Stärken und Schwächen möglicher Bewerber einschätzen? Selbst wenn sich innerkirchlich ähnliche Gruppen wie politische Parteien bilden würden, so würden die Einschätzungen über Bewerber dennoch nicht qualifizierter – trotz möglicher Wahlkämpfe.

Möchten wir wirklich so etwas wie Parteien im kirchlichen Bereich?

Politiker stehen im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Sie entscheiden über Gesetze, die für alle Bürger gelten, und über Finanzausgaben. Das ist objektivierbar und wird durch Medienberichte öffentlich vermittelt. Es gibt Sachverständigen-Anhörungen und viele Spielregeln des parlamentarischen Verfahrens, mit dem Bundesrat außerdem eine zweite Kammer.

Möchten wir wirklich die komplexe politische Meinungsbildung und Verfahrenskontrolle auf den innerkirchlichen, gar theologischen Bereich übertragen wissen?

Nun sind die Aufgaben, die ein Bischof hat, durchaus nicht mit dem Regierungshandeln in der Politik vergleichbar. Die Kirche ruht auf dem „Fundament der Apostel und Propheten“ (Eph 2,20) und dem Eckstein Christus, in der Berufung der „Zwölf“ (Mk 3,14), ihrer Ausstattung mit „Vollmacht“ zu verkündigen, zu bezeugen, zu lehren, zu heiligen und zu leiten. Der Bischof ist kein Volksvertreter, sondern in erster Linie ein Christusvertreter – bis hin zur Provokation in Lk 10,16:

„Wer euch hört, der hört mich, und wer euch ablehnt, der lehnt mich ab; wer aber mich ablehnt, der lehnt den ab, der mich gesandt hat.“

Der Bischof ist also kein Gewählter, sondern ein im Heiligen Geist Erwählter.

In der Kirche geht alle Macht von Christus aus

Christus hat das Amt eingesetzt, ihm Vollmacht und Sendung, Ausrichtung und Zielsetzung gegeben. Mit der sakramentalen Natur des kirchlichen Amtes hängt innerlich sein Dienstcharakter zusammen. Weil der Amtsträger ganz von Christus abhängig ist, der Sendung und Vollmacht gibt, ist er notwendig ein demütiger „Knecht Christi“ (Röm 1,1) nach dem Vorbild Christi, der für uns freiwillig „Knechtsgestalt“ angenommen hat (Phil 2,7). Weil das Wort und die Gnade, deren Diener sie sind, nicht von ihnen, sondern von Christus stammen, der sie ihnen für die anderen anvertraut hat, sollen sie sich freiwillig zu Sklaven aller machen (vgl. 1 Kor 9,19). In Klarsicht stellt der Katechismus fest:

„Diese Gegenwart Christi im Amtsträger ist nicht so zu verstehen, dass dieser gegen alle menschlichen Schwächen gefeit wäre: gegen Herrschsucht, Irrtümer, ja gegen Sünde. Die Kraft des Heiligen Geistes bürgt nicht für alle Taten der Amtsträger in gleichem Maße“ (KKK 1550).

Man sieht auch an dieser Stelle, wie tief der Missbrauchsskandal im Widerspruch zum Evangelium steht.

Demokratie versus Hierarchie?

Der grundsätzliche Unterschied tritt klar hervor: In der Hierarchie handeln die Verantwortlichen durch geistliche Erwählung und in freier Selbstbindung an das von Jesus verkündete Evangelium und dessen fortdauernd bezeugte Wahrheit; in der Demokratie handeln die Gewählten strukturell aus einer Motivlage heraus, die auf Zustimmung und Wohlgefallen beim Wahlvolk abzielt. Beide Ansätze unterscheiden sich grundsätzlich in ihrem Wesen: Der eine bindet sich an eine vorgegebene Wahrheit, der andere koppelt sich an eine momentane Stimmungslage.

„Heilige Herrschaft“ ist in der Kirche dann gegeben, wenn deutlich wird, dass es Christus selbst ist, der in ihr handelt. Und wenn geweihte Amtsträger deutlich machen, dass sie durch Gottes Gnade etwas tun und geben, was sie von sich aus nicht tun und geben könnten, d.h., wenn sie an Stelle Christi die Sakramente spenden und in seiner Vollmacht lehren, leiten und heiligen. Das funktioniert natürlich nur, wenn diese von Christus berufenen und gesandten Menschen auch gläubig mit Christus verbunden leben und nach seinem Wort handeln.

Herrschaftshandeln im säkularen Sinn hat Jesus strikt untersagt und seinen Aposteln (und deren Nachfolgern) streng den Dienstcharakter jedes kirchlichen Amtes aufgetragen (Mk 10,42-44). Personalberater hätten Jesus gewiss abgeraten, auf Petrus und alle anderen anfälligen Menschen zu bauen; trotzdem erweist sich Jesu Methode seit 2000 Jahren, in denen sich das Christentum aus kleinsten Anfängen zur größten Weltreligion entwickelt hat, als erfolgreich. Erinnert sei an den Kardinalstaatssekretär Consalvi, der Napoleon Bonaparte in Verhandlungen fast zur Verzweiflung brachte, bis hin zum bezeugten Wortwechsel: „Ist Ihnen klar, Eminenz, dass ich Ihre Kirche jederzeit zerstören kann?“ Die Antwort von Consalvi war: „Ist Ihnen klar, Majestät, dass nicht einmal wir Priester das in achtzehn Jahrhunderten fertiggebracht haben?“

Hierarchie im katholischen Sinn unterscheidet sich somit dem Wesen nach von säkularen,  „hierarchischen“ Herrschaftsstrukturen, also Machtausübung aufgrund natürlicher oder gewachsener Autorität, aber auch aufgrund von subtilen Nomenklaturen und heimlichen Strukturen, die mit Macht ausgestattet sind, die um Macht kämpfen, Macht sichern, Sprache regeln und Rivalen um die Macht ausschalten. In modernen Gesellschaften sind solche vordemokratischen oder Demokratie unterlaufenden Herrschaftsweisen weit häufiger verbreitet als demokratische. Überhaupt ist Demokratie nur ein Instrument zur Rechtsfindung, aber nicht zur Umsetzung. Kein Unternehmen – nicht einmal ein Handwerksbetrieb -, auch keine Behörde kommt ohne Übertragung von Verantwortung und geregelte Zuständigkeiten, also Rangstrukturen, aus. Das eigentliche Demokratieprinzip bildet in größeren Einheiten die seltene Ausnahme; es funktioniert in Reinform nur in Landtagen und im Bundestag. Bereits in der kommunalen Selbstverwaltung wächst der Einfluss der (hierarchischen) Verwaltung. Ansonsten sind Unternehmen und Behörden generell nicht demokratisch, sondern in Rangfolgen strukturiert. So entstehen Verantwortungsbereiche, die klar bestimmten Personen zuzuordnen sind.

Generell gilt im Bereich der Machtausübung: Ein Amtsträger schuldet Rechenschaft für die Ausübung der Macht, die ihm anvertraut ist. Er muss für sein Tun und Lassen sowie für deren voraussehbare Folgen einstehen. Erfolg und Misserfolg der verantwortlich handelnden Menschen sind offensichtlich.

Bei demokratischen Abstimmungen liegt die Verantwortung bei einem Kollektiv, dessen Angehörige nur eine viel kleinere, untereinander verteilte individuelle Verantwortung tragen.

Politisierung der Kirche als Heilsweg?

Die Selbstverständlichkeit, mit der die Demokratie als das einzig zeitgemäße Prinzip dargestellt und faktisch die Politisierung der Kirche als Heilsweg gepredigt wird, ist unangebracht. Geistliche Integrität und Autorität ist nicht durch die Etablierung von Mechanismen politischer Machtkontrolle ersetzbar. Bis zum Bekanntwerden des Missbrauchsskandals rangierte der Beruf des Pfarrers bei Umfragen an zweiter Stelle in der Beliebtheits- und Vertrauensskala, der Beruf des Politikers im untersten Bereich. Auch seitdem ist ein Pfarrer um ein Vielfaches beliebter als ein Politiker. Die Evidenz spricht also keineswegs für das angeblich alternativlos Zeitgemäße.

Laien und Klerus geschwisterlich

Gerne wird ein angebliches Konkurrenzverhältnis zwischen Klerikern und Laien hervorgehoben. Das mag es geben; es ist aber nicht katholisch, im Gegenteil: Das Zusammenwirken ist geschwisterlich angelegt. So sieht es das Konzil, so beschreibt es die „Würzburger Synode“. – Teil 2 der Serie über das Laienapostolat von Martin Grünewald.

Die Kirche muss sich in tiefgreifenden Prozessen der Umkehr und Reinigung eingestehen, dass der besondere, von Jesus grundgelegte Weg der Kirche derzeit in der Öffentlichkeit wenig hervortritt. Ein Grund dafür liegt in dem Umstand, dass die Kirche bis heute einen zentralen Auftrag des Konzils nur mangelhaft aufgenommen und umgesetzt hat. In der dogmatischen Konstitution „Lumen Gentium“ hat das kirchliche Lehramt nicht nur das Bild des pilgernden Gottesvolkes betont (damit gewissermaßen die gemeinsame Wegsuche aller), sondern immer wieder auch das biblische Bild vom mystischen Leib Christi hervorgehoben – ein Bild von grundlegender Bedeutung, denn hier findet sich die Infrastruktur der Kirche grundlegend beschrieben.

Im ersten Korintherbrief beschreibt Paulus unterschiedliche Gnadengaben (Charismen), die Gottes Geist schenkt. Rivalität und jedes Konkurrenzdenken will er dabei ausschließen. Deshalb verweist Paulus auf den Ursprung aller Gaben:

„Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen. Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt“ (1 Kor 12,4).

Damit niemand sich im Volk Gottes über einen anderen stellt, bekräftigt Paulus:

„Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie“ (1 Kor 12,13).

Dann folgt das Bild des einen Leibes mit vielen Gliedern, die sich gegenseitig ergänzen und nur im Miteinander funktionieren:

„Wenn der Fuß sagt: Ich bin keine Hand, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört er doch zum Leib. … So aber gibt es viele Glieder und doch nur einen Leib. Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich bin nicht auf dich angewiesen. Der Kopf kann nicht zu den Füßen sagen: Ich brauche euch nicht“ (1 Kor 12,15).

Das Haupt dieses Leibes ist Christus.

Das neue Bild des Laien

Das Wort „Laie“ kommt von griech. laos = Volk; in diesem Sinn ist aber nun jedes Kirchenmitglied „Laie“ – auch der Papst ist natürlich ein „Laotiker“. Man könnte das Wort also auch ganz streichen und einfach nur von „Christen“ sprechen. Das Wort „Laie“ (bei dem man im Deutschen gleich an „Nichtfachmann“ denkt) hat seinen Sinn tatsächlich nur in der negativen Abgrenzung von solchen Christen, die neben ihrem Laotikertum (oder Christsein) obendrein noch eine spezielle Berufung zu einem Dienst haben oder einer geistlichen Einladung in die Evangelischen Räte folgen. Dieser Dienst ist allerdings mit der Aufforderung zur Fußwaschung (Joh 13,5) und zum selbstlosen Dienen (Mt 20,25-28) verbunden.

Der besondere Dienst hebt die zusätzlich Berufenen aber nicht über alle „normalen“ Christenmenschen. Erwünscht ist ein kirchlicher „Lifestyle“, wie ihn Paulus von den Philippern fordert: „Macht meine Freude vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, einander in Liebe verbunden, einmütig, einträchtig“ (Phil 2,2), – in aller Verschiedenheit der Gaben und Charaktere.

Das Konzil (LG 31) lobt den Reichtum dieser „wunderbaren Mannigfaltigkeit“ und gibt den Amtsträgern die Aufgabe, die „Dienstleistungen und Charismen (der Laien) so zu prüfen, dass alle in ihrer Weise zum gemeinsamen Werk einmütig zusammenarbeiten“.

Es kommt aber nicht nur auf eine geschwisterliche Zusammenarbeit an. Die Laien haben einen besonderen Auftrag. Das Konzil betont: „Den Laien ist der Weltcharakter in besonderer Weise eigen.“ Ihnen obliege die „Regelung der zeitlichen Dinge“. Sie leben in der Welt, im Familien-, Berufs- und Gesellschaftsleben, wo sie „Sauerteig zur Heilung der Welt“ sein sollen, „vor allem durch das Zeugnis ihres Lebens“. Der Einsatzort für Laienchristen ist genau bestimmt. Bildlich ausgedrückt: Er ist etwa 510.000.000 km² groß. So groß ist nämlich die Erdoberfläche, auf der Laienchristen eine missionarische Dynamik entfalten sollen.

Sie kommt niemals zustande, solange Laien glauben, ihr primärer Entfaltungsraum befinde sich innerhalb der Grenzen der Kirchenareale. Entscheidend:

„Das Apostolat der Laien ist Teilnahme an der Heilssendung der Kirche selbst…. So ist jeder Laie kraft der ihm geschenkten Gaben zugleich Zeuge und lebendiges Werkzeug der Sendung der Kirche selbst“ (LG 33).

Die Laien sind „besonders dazu berufen, die Kirche an jenen Stellen und in den Verhältnissen anwesend und wirksam zu machen, wo die Kirche nur durch sie das Salz der Erde werden kann“ (LG 33). Dieser Auftrag ist umfassend, nahezu unbegrenzt. Er wird eigenverantwortlich wahrgenommen.

Grenzen des Lehramtes

Das Lehramt hat sich in das operative Geschäft der Laien nicht einzumischen, so das Konzil – eine wesentliche, oft übersehene Feststellung. Dazu stellt das Konzil (LG 37) klar:

„Die geweihten Hirten aber sollen die Würde und Verantwortung der Laien in der Kirche anerkennen und fördern … und ihnen Freiheit und Raum im Handeln lassen, ihnen auch Mut machen, aus eigener Initiative Werke in Angriff zu nehmen.“

Den Laien steht also die ganze Welt offen, um sie in Jesu Geist zu verwandeln und zu gestalten.

Haben sie deshalb innerkirchlich nichts zu sagen? Nein, die Laien sollen ihre Meinung einbringen, „was das Wohl der Kirche angeht“. Laien haben „die geweihten Amtsträger zu Brüdern“, betont das Konzil (LG 32). Das ist in der Tat eine kleine Revolution: Sollte es jemals eine Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Kirche gegeben haben, so gibt es sie seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil nicht mehr. Aufgrund der Taufe haben alle in der Kirche – vom gerade getauften Kind bis zum Papst – die gleiche Würde.

Diese Ansage muss allerdings genauer bestimmt werden, denn sie ist die Quelle anhaltender Missverständnisse in der Kirche. Wenn heute von einem laikalen Klerikalismus wie von einem klerikalen Laizismus gesprochen wird, so ist festzustellen: Weder ist Lumen Gentium eine Aufforderung an Priester, ihre Berufung zu einem Dienstamt im Volk Gottes aufzugeben, um in Kleidung, Lifestyle und Anspruch 1:1 im Volk Gottes aufzugehen, noch ist Lumen Gentium eine versteckte Aufforderung an Laien, einen innerkirchlichen Machtkampf aufzunehmen.

Das Konzil macht vielmehr ernst mit dem Bild des mystischen Leibes Jesu Christi, der von Christus als Haupt geordnet wird, aber in dem alle voneinander abhängig sind und die gleiche Bedeutung haben. Gläubige, die das Wesen dieses Miteinanders im „Leib Christi“ kennen und praktizieren, wissen um die Schubkraft, die daraus entspringt. Da bildet die vom Konzil erwähnte „wunderbare Mannigfaltigkeit“ eher eine Untertreibung.

Das Konzil sagt dazu:

„Aus diesem vertrauten Umgang zwischen Laien und Hirten kann man viel Gutes für die Kirche erwarten. In den Laien wird so der Sinn für eigene Verantwortung gestärkt, die Bereitwilligkeit gefördert. Die Kraft der Laien verbindet sich leichter mit dem Werk der Hirten. Sie können mit Hilfe der Erfahrung der Laien in geistlichen wie in weltlichen Dingen genauer und besser urteilen. So mag die ganze Kirche, durch alle ihre Glieder gestärkt, ihre Sendung für das Leben der Welt wirksamer erfüllen.“

Eine neue Kultur mit verschiedenen Rollen

Dass der Laie von gleicher Würde, aber in einer komplett anderen Rolle als der Kleriker ist, hat sich noch nicht überall herumgesprochen. Sonst würde man in den Gemeinden nicht immer wieder dem Kampf um die paar Meter zwischen Sakristei und Altar erleben, während jenseits der Kirchentüren katholische, Zeugnis gebende Laien mit der Lupe gesucht werden. In manchen Regionen der Kirche herrscht noch immer der Eindruck vor, es sei das Höchste aller Ziele für einen Laien, einen möglichst exponierten Platz im Chorraum des Gotteshauses zu erobern.

Vielerorts ist die neue Kultur eines Miteinanders schon gelebte Realität innerhalb der Kirche. Engagierte Laien machen die Erfahrung eines vertrauten Zusammenspiels mit Priestern und manchmal auch Diakonen, deren Mitwirkung allerdings noch selten ist. Geschwisterlichkeit im Miteinander bestärkt die Gläubigen und vermittelt die Gegenwart des Heiligen Geistes. Im Bild des mystischen Leibes Christi, in dem alle in gleicher Würde mitarbeiten „zum Nutzen aller“, können sich auch Menschen investieren, die unter vielfältigen menschlichen Enttäuschungen gelitten haben und jetzt spüren, dass es in der Kirche nicht um Oben oder Unten, Eigennutz, Eitelkeit oder Profilierung einzelner geht, sondern um das Reich Gottes.

Gleichzeitig gilt ein weiterer Grundsatz, der bottom up durch top down ergänzt. Lehrer in der Kirche ist nicht, wer sich selbst für kompetent hält. Es sind die in die Nachfolge der Apostel berufenen Bischöfe, von denen es heißt: Sie sind

„authentische, das heißt mit der Autorität Christi ausgerüstete Lehrer. Sie verkündigen dem ihnen anvertrauten Volk die Botschaft zum Glauben und zur Anwendung auf das sittliche Leben und erklären sie im Licht des Heiligen Geistes, indem sie aus dem Schatz der Offenbarung Neues und Altes vorbringen. So lassen sie den Glauben fruchtbar werden und halten die ihrer Herde drohenden Irrtümer wachsam fern“ (LG 25, vgl. Mt 13,52).

Der von allen Christen geforderte Gehorsam im Glauben „ist in besonderer Weise dem authentischen Lehramt des Bischofs von Rom, auch wenn er nicht kraft höchster Lehrautorität spricht, zu leisten“, bekräftigt das Konzil (LG 25). Auch die einzelnen Bischöfe lehren authentisch in Glaubens- und Sittenfragen und „verkündigen … auf unfehlbare Weise die Lehre Christi“, wenn sie etwas „in Wahrung des Gemeinschaftsbandes untereinander und mit dem Nachfolger Petri, übereinstimmend als endgültig verpflichtend vortragen“ (LG 25).

Das geschwisterliche, aber differenziert strukturierte Miteinander von Klerikern und Laien in der Kirche – Kernanliegen der Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils – wird neuerdings problematisiert. Mit Berufung auf das Leitungsversagen von Bischöfen und Klerikern in der Missbrauchskrise stellen Kräfte, die lange schon für eine Demokratisierung der Kirche kämpfen, das „System“ infrage, bis hin zu Feststellungen, „Missbrauch“ sei Auswuchs von Klerikalismus, „Lehre“ sei Immunisierung gegen Reform und „Amt“ sei verfestigte Männerherrschaft. Insbesondere die Zuständigkeit der Bischöfe für Glaubens- und Sittenlehre wird bestritten.

Der deutsche „Synodale Weg“ stellte rundweg die Machtfrage. Der erste von vier Themenbereichen hatte die „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“ zum Inhalt. Es wurde gefragt: „Was muss getan werden, um Machtabbau und eine Verteilung von Macht zu erreichen?“ Von 32 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die diesem „Macht“-Forum zugeteilt waren, verfügten 13 über einen Professoren-Status, weitere acht waren promoviert, lediglich elf waren ohne akademischen Titel. Allein diese Zusammensetzung rückt die Kritik von Papst Franziskus ins Licht, der deutsche Synodale Weg sei „keine Synode, kein echter synodaler Weg. Es ist nur dem Namen nach ein Synodaler Weg; keiner, an dem das Volk Gottes als Ganzes beteiligt ist, sondern einer, der von einer Elite veranstaltet wird“, so sagte der Papst im Interview der Nachrichtenagentur AP.

Das Konzil gibt den Rahmen

Nicht nur das vielleicht wichtigste Dokument des 2. Vatikanischen Konzils „Lumen Gentium“ beschreibt Auftrag und Rahmen des Laienapostolates. Das Konzil hat den Laien ein eigenes, weitgehend unbekannt gebliebenes Dekret gewidmet. Es enthält wesentliche, teils detaillierte Aussagen über das Laienapostolat und dessen Strukturen. Die heutige Praxis weicht davon wesentlich ab – auch von den Beschlüssen der „Würzburger Synode“. Teil 3 der Serie über das Laienapostolat von Martin Grünewald.

Konzilsdekret „Apostolicam actuositatem“

Die zitierten Aussagen des Konzils in Lumen Gentium stehen nicht allein. Dem Laienapostolat hat das Zweite Vatikanische Konzil ein eigenes Dekret gewidmet. Es trägt den Titel „Apostolicam actuositatem“ (AA). Darin werden weitere Aussagen gemacht, wichtige Details bestimmt und die Lehre über das Laienapostolat wird weiter entfaltet. Leider wird dies zu wenig beachtet.

Über die Beteiligung der Laien am Sendungsauftrag der Kirche „nach Art des Sauerteigs“ sagt es in Nr. 2 aus:

„Durch ihr Bemühen um die Evangelisierung und Heiligung der Menschen und um die Durchdringung und Vervollkommnung der zeitlichen Ordnung mit dem Geist des Evangeliums üben sie tatsächlich ein Apostolat aus. So legt ihr Tun in dieser Ordnung offen für Christus Zeugnis ab und dient dem Heil der Menschen. Da es aber dem Stand der Laien eigen ist, inmitten der Welt und der weltlichen Aufgaben zu leben, sind sie von Gott berufen, vom Geist Christi beseelt nach Art des Sauerteigs ihr Apostolat in der Welt auszuüben.“

Bereits einen Satz später betont das Konzil das Bild des mystischen Leibes Christi:

„Pflicht und Recht zum Apostolat haben die Laien kraft ihrer Vereinigung mit Christus, dem Haupt. Denn durch die Taufe dem mystischen Leib Christi eingegliedert und durch die Firmung mit der Kraft des Heiligen Geistes gestärkt, werden sie vom Herrn selbst mit dem Apostolat betraut.“

Das Konzil behält dieses Bild bei und betont:

„Aus dem Empfang dieser Charismen, auch der schlichteren, erwächst jedem Glaubenden das Recht und die Pflicht, sie in Kirche und Welt zum Wohl der Menschen und zum Aufbau der Kirche zu gebrauchen. Das soll gewiss mit der Freiheit des Heiligen Geistes geschehen, der weht, wo er will (Joh 3,8), aber auch in Gemeinschaft mit den Brüdern in Christus, besonders mit ihren Hirten.“

Dessen Fruchtbarkeit hänge von einem „Leben innigster Vereinigung mit Christus“ ab.

Damit wird deutlich: „Machtverteilung“ bildet nicht den Fokus, sondern es geht um den Dienst am Aufbau des Leibes Christi – und dieser Dienst beginnt mit einem spirituellen Leben in der Nachfolge Christi und aus der Entdeckung des je eigenen Charismas. Das Konzil zählt die Gelegenheiten zur Ausübung des Apostolates auf:

„Alles, was die zeitliche Ordnung ausmacht, die Güter des Lebens und der Familie, Kultur, Wirtschaft, Kunst, berufliches Schaffen, die Einrichtungen der politischen Gemeinschaft, die internationalen Beziehungen und ähnliches mehr, sowie die Entwicklung und der Fortschritt…“

Das Konzil ermutigt Laien, jeden nach seiner Begabung und Bildung, „im Geist der Kirche noch eifriger bei der Herausarbeitung, Verteidigung und entsprechenden Anwendung der christlichen Grundsätze auf die Probleme unserer Zeit ihren Beitrag zu leisten“. Die Menschen, von der Erbschuld belastet, erlägen oft mannigfachen Irrtümern über das wahre Wesen Gottes, die Natur des Menschen und die Grundforderungen des Sittengesetzes; das führe

„zu einem Verfall der Sitten und der menschlichen Einrichtungen, ja die menschliche Person selbst wurde nicht selten mit Füßen getreten.“

Beratende Gremien auf allen Ebenen

Das Konzil benennt die Pfarrei, das Bistum, aber auch die interdiözesanen, nationalen und internationalen Bereiche als Aktionsräume. Was die Kooperation aller betrifft, so betont das Konzil in AA 26: „In den Diözesen sollen nach Möglichkeit beratende Gremien eingerichtet werden. … Solche Gremien sollten, soweit wie möglich, auch auf pfarrlicher, zwischenpfarrlicher und interdiözesaner Ebene, aber auch im nationalen und internationalen Bereich geschaffen werden.“ Das Apostolat der Laien müsse „in rechter Weise in das Apostolat der Gesamtkirche eingeordnet sein“.

Die „Verbindung mit denen, die der Heilige Geist dazu bestellt hat, die Kirche Gottes zu leiten“, wird betont. In AA Nr. 24 heißt es:

„Es ist die Aufgabe der Hierarchie, das Apostolat der Laien zu fördern, Grundsätze und geistliche Hilfen zu geben, seine Ausübung auf das kirchliche Gemeinwohl hinzuordnen und darüber zu wachen, dass Lehre und Ordnung gewahrt bleiben.“

Damit werden die Laien aber nicht an die kurze Leine genommen:

„In der Kirche gibt es nämlich sehr viele apostolische Werke, die durch freie Entschließung der Laien zustande kommen und auch nach ihrem klugen Urteil geleitet werden. Durch solche Werke kann die Sendung der Kirche unter bestimmten Umständen sogar besser erfüllt werden (AA 24).“

Einzige Einschränkung:

„Kein Werk aber darf sich ohne Zustimmung der rechtmäßigen kirchlichen Autorität ‚katholisch’ nennen.“

Zwei „Synoden“ zum Weg der Kirche

Die Kirche in Deutschland reagierte früh. Die „Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland“ („Würzburger Synode“) wurde bereits kurz nach Ende des Konzils ins Leben gerufen und tagte zu dessen Umsetzung von Januar 1971 bis November 1975. Die Würzburger Synode konstituierte sich im Konsens mit Rom und mit dem Segen von Papst Paul VI., dessen Grußtelegramm bei der Eröffnung verlesen wurde. Die römische Bischofskongregation approbierte das Statut. Anders beim Synodalen Weg (2019 bis 2023), der weder den formellen Kriterien einer echten „Synode“ genügte, noch sich den kirchlichen Verfahrensregeln unterwerfen wollte. Der Vatikan meldete dazu grundsätzliche Bedenken an und und verwies auf die Abweichung vom Kirchenrecht. Besonders die Absicht, alle Teilnehmer – vom BDKJ-Funktionär bis zum Bischof – gleich zu gewichten und mit jeweils nur einer Stimme auszustatten, dazu die Verfahrensregel, nicht einmal zwischen Beratungsprozess (decision making) und Beschlussfassung (decision taking) zu unterscheiden, erregte Befremden in Rom. Der „Synodale Weg“ sei ein „Prozess sui generis“, ließ der Münchner Kardinal Reinhard Marx daraufhin die Welt wissen. Dieser Geburtsfehler, von dem man nicht weiß, ob er lautere Absicht oder eine strategische Finte war, sollte sich bitter rächen, denn er trug zur Polarisierung, ja zur inneren Spaltung der Katholischen Kirche in Deutschland bei. Während die Protagonisten auf dem Synodalen Weg nicht müde wurden, die Verbindlichkeit ihrer Beschlüsse zu bekunden, konnten die Kritiker diese mit vollem Recht als „nullum“ bezeichnen und ihre Umsetzungen als widerrechtliche Willkürakte brandmarken.

Mit dem Segen des Papstes

Anders vor 50 Jahren: Wie zu Beginn, so verlas der Apostolische Nuntius auch beim Abschluss der Gemeinsamen Synode in Würzburg eine Grußbotschaft des Papstes, der seinen „Dank“ und seine „Anerkennung“ für die geleistete Arbeit aussprach. Diese Referenz bedeutete allerdings nicht die pauschale Anerkennung aller Beschlüsse, die freilich nur in seltenen Fällen mit weltkirchlichen Regelungen kollidierten, was den Synodenteilnehmern bewusst war und worauf sie Rücksicht nahmen.

Die Themen der Würzburger Synode waren praxisnah: Religionsunterricht in der Schule, Beteiligung der Laien an der Verkündigung, Gottesdienst, Sakramentenpastoral, Ziele und Aufgaben kirchlicher Jugendarbeit, Kirche und Arbeiterschaft, ausländische Arbeitnehmer, christlich gelebte Ehe und Familie, Entwicklung und Frieden, Verantwortung im Bildungsbereich, die Rolle der Orden, pastorale Dienste in der Gemeinde, Verantwortung des ganzen Gottesvolkes für die Sendung der Kirche, pastorale Strukturen und Leitung und Verwaltung der Bistümer, Schiedsstellen und Verwaltungsgerichte, sowie Ökumene. Den Abschluss bildete der „missionarische Dienst an der Welt“.

300 Mitglieder erarbeiteten 18 Beschlusstexte, sechs „Arbeitspapiere“ kamen hinzu. „Unsere Hoffnung“, ein sprachlich starkes Bekenntnis zum Glauben in dieser Zeit, faszinierte bis weit über den kirchlichen Binnenraum hinaus.

Viel gemeinsame Verantwortung, aber nicht in allem

Auch die Würzburger Synode enthielt eine gewisse Brisanz, da sie sich – entgegen der kirchlichen Tradition – nicht allein aus Bischöfen zusammensetzte; auch Priester und Laien gehörten ihr an. Ein Problem, auf das bereits Karl Lehmann, seinerzeit Dogmatiker in Mainz, hinwies. Der spätere Bischof und langjährige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz erklärte damals:

„Soweit sich das Teilnahmerecht (von Priestern und Laien) – wie z. B. bei der Diözesansynode – nur auf die gemeinsame Beratung und Konsultation, auf die Meinungsbildung und die Gesetzgebungsvorbereitung bezieht, ist das Problem noch relativ leicht lösbar. Wenn man jedoch versucht, Priester und Laien in den Gesetzgebungsprozess und in die Entscheidungsfindung selbst einzubeziehen, tauchen sehr schwierige theologische und rechtliche Probleme auf.“

Lehmann unterschied also zwischen making und taking.

Das Konzil hatte die gemeinsame Verantwortung aller Glieder für die Erfüllung der Sendung der Kirche im Weltdienst definiert, nicht aber für die Glaubens- und Sittenlehre. Daran änderte auch die Feststellung von Karl Lehmann nichts: Für ihn war auch klar, dass es in Würzburg nicht um die Praktizierung parlamentarischer Methoden ging:

„Das Bewusstsein, dass solche Kirchenversammlungen mehr sind als parlamentsähnliche Gebilde gesellschaftlicher und politischer Art, war gewachsen.“

In Würzburg noch unbestritten war die Bindung an den gemeinsamen Glauben der Kirche und das Agieren im Raum einer Hermeneutik der Kontinuität:

„Dies brachte“, so Karl Lehmann, „eine Bindung der Gemeinsamen Synode an Geist und Buchstaben des Zweiten Vatikanischen Konzils, ohne dass diese Bindung als beengend erfahren wurde. Die Zielsetzung war ‚pastoral‘ bestimmt.“

Anders als der „Synodale Weg“, nahm die Würzburger Synode für sich nicht in Anspruch, Glaube und Sittenlehre anzutasten und damit mit dem Lehramt der Bischöfe in Konflikt zu geraten:

„Soweit die Beschlüsse der Synode sich mit Glaubens- und Sittenfragen befassen, stehen sie unter dem Vorbehalt des Vetorechts der Bischöfe.“

Würzburg setzte das Konzilsdekret AA Nr. 26 um und nutzte die neu eröffnete Möglichkeit, „beratende Gremien“ einzurichten, in denen die Zusammenarbeit von Klerikern, Ordensleuten und Laien koordiniert werden sollte, unbeschadet der jeweiligen Autonomie der Bereiche.

Gremien zwischen Beratung und Verantwortung

Das Konzil ging vom Bestehen zahlreicher Laieninitiativen aus, die grundsätzlich autonom handeln. In dem neuen Beratungsgremium sollten sich alle gemeinsam mit Klerus und Ordensleuten begegnen und absprechen.

„Gerade die eigenständige Arbeit der gesellschaftlichen Organisationen bedarf der Freiheit in ihrer verbandstypischen Tätigkeit“,

heißt es im offiziellen Kommentar des Würzburger Synodenbeschlusses.

„Die von der Synode beschlossene Vorlage betont … die Eigenständigkeit dieser kirchlichen Organisationen im gesellschaftlichen Raum.“

Beispiel: Personalverbände wie Kolpingwerk, Katholische Arbeitnehmerbewegung und Bund katholischer Unternehmer waren und blieben selbstständige Organisationen auf dem gemeinsamen Boden der Katholischen Soziallehre, kooperierten aber gemeinsam mit den Vertretungen der Territorialgemeinden in den neu geschaffenen Räten (Pfarrgemeinderäte, Stadtkirchenausschüssen und Diözesanräten).

Auf der Ebene der Pfarrgemeinde wäre es möglich gewesen, zwei Gremien zu schaffen – so, wie auf Bistumsebene zwei Räte bestehen: für pastorale Aufgaben (Diözesanpastoralrat) einerseits und den Weltdienst (Diözesanrat) andererseits. Die offizielle Kommentierung des Würzburger Synodenbeschlusses hebt die „Erkenntnis“ hervor, „dass in dem räumlich kleineren Bereich der Gemeinde pastorale Aufgaben und der Dienst an der Welt und in der Gesellschaft so eng miteinander verbunden sind, dass hier ein einziges Gremium beide Aufgaben erfüllen kann“. Dabei obliege dem Pfarrer „die uneingeschränkte Hirtengewalt“. Ähnliches gelte auf Diözesanebene: „Die Amtsgewalt des Bischofs ist umfassend und uneingeschränkt.“ Und hat trotzdem jeweils einen eigenen Charakter, der sich nach dem Wesen des Gremiums richtet. Das bedeutet im Verständnis der Würzburger Synode:

„Im Diözesanpastoralrat findet das synodale Prinzip in der Kirche seine eigentümliche Ausprägung. Der Bischof ist der Inhaber der hierarchischen Gewalt. In der Kirche kann es nicht eine Dreiteilung der Gewalt wie im staatlichen Bereich nach Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung geben. Andererseits ist die Machtfülle des Bischofs in sich so verschieden – ein breites Spektrum vom Mysterium des Weiheamtes bis hin zur Verwaltung der weltlichen Struktur -, dass eine differenzierte synodale Mitwirkung und Hilfe durch Gremien der Mitverantwortung zulässig ist.“

Der Begriff des „synodalen Prinzips“ wird hier gegenüber einer klar hierarchischen Hirtengewalt abgegrenzt, wie die Nachfolger der Apostel auf die synodale – d.h. beratende, mitverantwortliche, mitwirkende – Hilfe der Gremien verwiesen werden. Dabei gilt es, den Tonus zu treffen, den schon Ignatius den Smyrnäern nahelegte, „nichts, was die Kirche betrifft, ohne den Bischof zu tun« (8,1). Ignatius vertraute dem Polykarp seine eigene Maxime an:

»Ich gebe mein Leben hin für die, die dem Bischof, den Presbytern und Diakonen gefügig sind. Möge ich mit ihnen meinen Teil erhalten können bei Gott. Müht euch miteinander, kämpft gemeinsam, lauft gemeinsam, leidet gemeinsam, schlaft und wacht gemeinsam als Verwalter Gottes, seine Hausgenossen und Diener.“

Aufgabenbereich: Laienapostolat

So sollte der Diözesanpastoralrat ein verfassungsrechtliches Organ der Kirche sein, d.h. an der Ausübung der kirchlichen Gewalt durch den Bischof teilnehmen. Dem stehe nicht entgegen, dass er nur ein beratendes Gremium sei.

„Erst die förmliche Zustimmung des Bischofs schafft verbindliches diözesanes Recht.“

Anders wird der Katholiken- oder Diözesanrat im offiziellen Kommentar zur Würzburger Synode definiert:

„Der Katholikenrat der Diözese ist im Gegensatz zum Diözesanpastoralrat kein verfassungsrechtliches Organ der Kirche. Er wird mit Zustimmung des Bischofs errichtet, nimmt aber anders als der Diözesanpastoralrat an der Ausübung der kirchlichen Hoheitsgewalt nicht teil, auch nicht im Wege der unmittelbaren Beratung. Der Katholikenrat ist eine kirchliche Struktur in der Gesellschaft. Sein Aufgabenbereich umfasst das Laienapostolat im weitesten Sinne.“

Das ZdK und seine Aufgaben

Das Prinzip der Synodalität ist nicht neu, sondern seit Jahrzehnten angewandte Praxis. So beraten die Laien längst die deutsche Bischofskonferenz in einem gemeinsamen Gremium. Darin eingebunden ist das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Es hat keine demokratische, sondern eine synodale Struktur. Teil 4 der Serie zum Laienapostolat von Martin Grünewald.

Erstaunlicherweise machte die Würzburger Synode keine exakten Angaben zur Zuständigkeit des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Wahrscheinlicher Grund: Der Vorläufer des ZdK hatte sich bereits im Jahr 1848 gegründet und bestand bereits 120 Jahre vor der Würzburger Synode. 1848 wurde die Vereinsfreiheit in Deutschland eingeführt; überall sprossten zu diesem Zeitpunkt Laieninitiativen hervor, die sich jährlich bei den Vorläufern der heutigen Katholikentage zusammenfanden. Und so findet sich doch eine Aussage zur Funktion des ZdK im Kommentar der Würzburger Synode:

„Dem entspricht es, dass sich die Aufgabenbereiche der Katholikenräte der Diözesen und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken in den Grundzügen decken.“

Die Würzburger Synode regelte allerdings das Zueinander überdiözesaner Gremien. Das betrifft einmal die „Gemeinsame Konferenz zwischen Bischofskonferenz und Zentralkomitee der deutschen Katholiken“, die „keinen mit Wirkung nach außen beschließenden Charakter“ habe und auf bereits seit längerer Zeit regelmäßig stattfindenden Gespräche aufbaue. „Sie kann weder die Deutsche Bischofskonferenz noch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken verpflichten.“ Und es regelte den „Verband der Diözesen Deutschlands“, der durch Beschluss der Deutschen Bischofskonferenz im Jahr 1966 „im rechtlichen und finanziellen Bereich geschaffen worden“ war – gewissermaßen als „Geschäftsführung“ der Kirche in Deutschland, sofern sich immer überdiözesane Aufgaben ergaben, die in gemeinsamer Trägerschaft und Finanzierung bewältigt werden mussten.

Dass die deutschen Katholikenvertreter in Würzburg bei der Umsetzung des Konzils die Unterschiede von Synodalität und Demokratie auseinander zu halten verstanden, zeigen einige Eigenarten. So müssen lediglich zwei Drittel der Mitglieder der Pfarrgemeinderäte durch unmittelbare Wahl gewählt werden. „Im Übrigen besteht für die Zusammensetzung ein freier Raum.“

Zentralkomitee und Synodalität

Vom Aufbau her hat das ZdK eine ähnliche, nicht-parlamentarische, sondern synodale Struktur. Es besteht eben aus gewählten und berufenen Mitgliedern. Gewählt werden die ZdK-Mitglieder nicht vom Kirchenvolk, sondern von den sie entsendenden Organisationen, also den Diözesanräten und den Verbänden:

„Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken ist der Zusammenschluss von Vertreterinnen und Vertretern der Diözesanräte und der katholischen Verbände sowie von Institutionen des Laienapostolats und von weiteren Persönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft.“

Das ZdK-Statut erklärt in Absatz 2:

„Es ist das von der Deutschen Bischofskonferenz anerkannte Organ im Sinne des Konzilsdekrets über das Apostolat der Laien (Nr. 26) zur Koordinierung der Kräfte des Laienapostolats und zur Förderung der apostolischen Tätigkeit der Kirche.“

Das bedeutet eine etwas kühne Formulierung! Das Konzilsdekret AA enthält in Nr. 26 die Soll-Forderung, „beratende Gremien“ einzurichten:

„Unbeschadet des je eigenen Charakters und der Autonomie der verschiedenen Vereinigungen und Werke der Laien werden diese Beratungskörper deren gegenseitiger Koordinierung dienen können.“

Von einem „Organ“ ist keine Rede, im Gegenteil: Die Formulierung des Konzils betont die Autonomie und Verschiedenheit der einzelnen Laieninitiativen und legt ihnen Koordinierung nahe – mehr nicht. Von einem Laienparlament oder gar einer obersten Laienregierung, die Kommandofunktion ausübt oder zu weitreichenden Direktiven bevollmächtigt ist, kann nicht die Rede sein. Deshalb wird über manche anmaßende Vorstellung, die sich das ZdK in der Gegenwart erlaubt, noch zu reden sein.

Als Aufgaben schreibt sich das ZdK in der derzeit gültigen Fassung des Statuts zu: „Das Zentralkomitee …

  1. a) beobachtet die Entwicklungen im gesellschaftlichen, staatlichen und kirchlichen Leben und vertritt die Anliegen der Katholiken in der Öffentlichkeit;
  2. b) gibt Anregungen für das apostolische Wirken der Kirche und der Katholiken in der Gesellschaft und stimmt die Arbeit der in ihm zusammengeschlossenen Kräfte aufeinander ab;
  3. c) wirkt an den kirchlichen Entscheidungen auf überdiözesaner Ebene mit und berät die Deutsche Bischofskonferenz in Fragen des gesellschaftlichen, staatlichen und kirchlichen Lebens;
  4. d) hat gemeinsame Initiativen und Veranstaltungen der deutschen Katholiken, wie die Deutschen Katholikentage, vorzubereiten und durchzuführen;
  5. e) nimmt die Anliegen und Aufgaben der deutschen Katholiken im Ausland und auf internationaler Ebene wahr;
  6. f) trägt für die Durchführung und Erfüllung der entsprechenden Maßnahmen Sorge.

Gefahr, das ZdK zu instrumentalisieren

Im Kontext de Konzilsdokumente und der Beschlüsse durch die Würzburger Synode bedarf dieses Statut einiger Präzisierungen, nachdem verstärkt Widersprüche – nach jahrzehntelanger konformer Praxis – deutlich werden:

  1. a) Der Auftrag des ZdK ist nicht beliebig, sondern leitet sich ab vom Evangelium und vom Auftrag des Konzils, die „Zeichen der Zeit“ zu deuten. Das ZdK handelt nicht wie eine NGO. Sein Auftrag ist apostolisch.

Es vertritt „die Anliegen der Katholiken in der Öffentlichkeit“. Das verlangt einen vorhandenen Grundkonsens über die vertretenen Anliegen unter den Katholiken. Ein einzelner Verband kann für bestimmte Gruppen und Interessen sprechen, das ZdK nicht. Es besteht vielmehr die Gefahr, das ZdK zu instrumentalisieren und vom notwendigen Grundkonsens abzurücken. Das ZdK-Präsidium sollte sich dessen stärker bewusst werden.

  1. b) Wer die Tagesordnungen der ZdK-Vollversammlungen betrachtet, muss nach Anregungen für das apostolische Wirken der Kirche lange suchen; auch Abstimmungen unter den Verbänden und Kräften sind selten. Hier gilt es nachzujustieren.
  2. c) Konzil, Synode und Statut schreiben den Beratungscharakter des ZdK fest. In der Realität entsteht oft eine entgegengesetzte Wirkung: Teilweise maßt sich das ZdK eine dirigistische Vorgehensweise an.
  3. d) Die Teilnahme an den Katholikentagen geht rapide zurück. Die Ursachensuche lässt eigene Versäumnisse aus. So gab es beim vergangenen Katholikentag im Jahr 2022 in Stuttgart nicht eine einzige Veranstaltung, bei der die Themen des Synodalen Weges kontrovers und in angemessener Vielfalt der Podiumsgäste behandelt wurden. Seit dem Katholikentag 1968 in Essen sollte eine solche ängstliche Engführung der Vergangenheit angehören.

Nicht wirklich demokratisch

Das Statut macht den synodalen, aber nicht parlamentarisch-demokratischen Charakter durch die Zusammensetzung deutlich:

87 Persönlichkeiten aus den Diözesanräten

52 Persönlichkeiten aus den katholischen Verbänden

Acht Persönlichkeiten aus Geistlichen Gemeinschaften und Bewegungen sowie aus den Säkularinstituten

Bis zu 45 Persönlichkeiten aus dem öffentlichen und kirchlichen Leben als weitere Mitglieder.

Ehemalige Mitglieder, die noch Funktionen ausüben.

Im Statut wird von einem „Erwerb der Mitgliedschaft“ gesprochen, weil das Verfahren vielfältig und nicht wirklich demokratisch ist. So werden die 45 Persönlichkeiten aus dem öffentlichen und kirchlichen Leben durch die anderen Mitglieder der ZdK-Vollversammlung „gewählt“. Ein anderer Teil besteht aus Mitgliedern durch „Bestellung“. Eine Quote sorgt für Ausgewogenheit unter den Geschlechtern.

Die demokratietheoretische Legitimation der ZdK-Mitgliedschaft ist schon allein deshalb keine Basis, weil es sich – wie es das Konzil bestimmt hat – nicht um ein Entscheidungs-, sondern ein Beratungsgremium handelt. Der ordentliche Tagungszyklus ist laut Statut halbjährlich. Daran ist zu erkennen, dass sich die Hauptarbeit in den Untergremien abspielt.

Für gremienerfahrene Analysten reicht ein kurzer Blick in das Statut, um festzustellen, dass der 35-köpfige Hauptausschuss das eigentliche „Machtzentrum“ bildet, wobei zu erinnern ist, dass „Macht“ keine genuine Kategorie des Evangeliums ist (Mk 10,43: „Bei euch aber soll es nicht so sein“). Für die Beschreibung, wie sich der Hauptausschuss zusammensetzt und wie er gewählt wird, dafür benötigt das Statut jeweils zwei Seiten. Ein weiteres „Machtzentrum“ bildet das Präsidium, das faktisch geschäftsführend tätig ist.

Keine Gewaltenteilung, aber Brüderlichkeit

Legt man die staatliche Gewaltenteilung für das ZdK zugrunde, so sind die Übergänge zwischen Legislative und Exekutive fließend, die Judikative fehlt. Aber wie heißt es im offiziellen Kommentar zur Würzburger Synode?

„In der Kirche kann es nicht eine Dreiteilung der Gewalt wie im staatlichen Bereich nach Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung geben.“

Die Würzburger Synode hat das Wesen des Laienapostolats bereits in erstaunlicher Tiefe gefasst. Der Beschluss hält gleich am Anfang fest:

„Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Kirche betont als brüderliche Gemeinschaft gesehen. Damit alle an der Sendung der Kirche teilhaben können, schenkt der Geist Gottes die Gaben oder Charismen, die zum Aufbau der Kirche und zur Erfüllung ihrer Heilssendung erforderlich sind (1 Kor 12). Jeder Christ hat ein ihm eigenes Charisma, das im Allgemeinen mit seinen natürlichen Fähigkeiten, mit seinem Beruf und seinen Lebensumständen im Zusammenhang steht (1 Kor 7,7.17.20.24). Dazu gehört die selbstlose Bereitschaft, Kirche als lebendige brüderliche Gemeinschaft zu verwirklichen und Dienste in ihr zu übernehmen (LG 12). … Mitverantwortung nehmen auch jene wahr, die sich – entsprechend ihrem Charisma – ganz dem Gebet, der Sühne, tätiger Nächstenliebe oder christlichem Zeugnis in ihrer Weltaufgabe widmen.“

Und weiter:

„Die eine Sendung der Kirche wird von den vielerlei Diensten wahrgenommen, die aufeinander angewiesen und dazu verpflichtet sind, sich in die Einheit der Gemeinschaft zu fügen. Das fordert partnerschaftliches Zusammenwirken aller.“

Sodann stellt die Würzburger Synode fest:

„Die Verantwortung für den Dienst an der Welt ist den Laien in besonderer Weise aufgegeben. Sie verwirklichen die Sendung der Kirche im christlichen Zeugnis des täglichen Lebens, in Ehe und Familie, Arbeit und Beruf, in gesellschaftlicher und politischer Tätigkeit. In all dem handeln die Laien in eigenständiger Verantwortung. Sie üben ihre Verantwortung als einzelne oder gemeinsam aus.“

Gleichzeitig lässt der Beschluss keinen Zweifel offen an der Zielrichtung des Apostolischen Amtes:

„Dem kirchlichen Amt ist die Sorge für die Einheit und das Zusammenwirken der vielen Dienste anvertraut.“

Es gibt also eine Hirtenfunktion, wenn auch klar und eindeutig auf das gute Miteinander abgestellt wird – zwischen den ganz unterschiedlich und autonom handelnden Laieninitiativen und zwischen Amtsträgern und Laien.

Formen der Mitverantwortung

Zur spezifischen Rolle des Amtes in der Kooperation mit den Laien stellt der Beschluss fest:

„Den Auftrag Jesu Christi, Hirte, Lehrer und Priester des Gottesvolkes zu sein, nimmt der Amtsträger wahr im Zusammenwirken mit den anderen Diensten, auf deren Mithilfe er angewiesen ist. Er fördert die anderen Dienste, dient ihrer freien Entfaltung und sucht eine gemeinsame Urteilsbildung und Entscheidungsfindung zu erreichen. Da die Laien zu ihrem Teil die Sendung des ganzen Gottesvolkes in der Kirche und in der Welt mittragen, bedarf es institutionalisierter Formen der Mitverantwortung, in denen Amtsträger und Laien vertrauensvoll zusammenarbeiten und die Möglichkeit zu gemeinsamer Willensbildung und Entscheidungsfindung gegeben ist. Auf den verschiedenen Ebenen der kirchlichen Gliederung ist deshalb dem Leitungsamt ein Rat zugeordnet, der im Rahmen des kirchlichen Rechts Mitverantwortung trägt für alle Aufgaben, die eines gemeinsamen Planens und Handelns bedürfen. Das kritische und solidarische Wirken der Christen in der Gesellschaft erfordert eine Vielfalt von freien Initiativen, die dem missionarischen und diakonischen Apostolat Wirksamkeit verschaffen und nicht unter der direkten Leitung und Verantwortung des Amtes stehen. Um der gesellschaftlichen Wirksamkeit willen bedarf es einer umfassenden Zusammenarbeit aller Glieder und freien Initiativen, auch in rechtlich gesicherten Formen.“

Die Balance zwischen Laien und Amtsträgern funktioniert nur über einen entwickelten Sensus Fidelium, d.h. über eine intensive individuelle Rückbindung aller Beteiligten an den Herrn:

„Mitverantwortung setzt das Bereitsein für den Anruf Christi und das Leben mit der Kirche voraus. Der Christ ist in der Erfüllung seines Auftrages Christus dem Herrn verpflichtet. Er wird daher seinen Dienst, sein Denken und Tun an der Hl. Schrift und am Wort der Kirche prüfen und seine Fähigkeiten als Gaben des Geistes ‚zum allgemeinen Nutzen’ (1 Kor 12,7) einsetzen“ (Beschluss Räte und Verbände 3.1).

Versuchung im Machtmissbrauch

Das katholische Laienapostolat verfügt über eine lange Tradition, es war als Wegbereiter für wichtige gesellschaftliche Entwicklungen wirksam. Deshalb lohnt sich heute zu fragen: Bei welchen politischen Themen sind die katholischen Laien gegenwärtig tonangebende oder gar exklusive Vorreiter? – 5. und letzte Folge der Serie von Martin Grünewald über das Laienapostolat.

Laien, schon lange aktiv

Seit Ende der Würzburger Synode sind rund 50 Jahre vergangen. Das Laienapostolat hat sich seitdem weiterentwickelt. Und es gibt auch weiter zurückliegende prägende Erfahrungen, die berücksichtigt werden müssen. Katholiken haben die deutsche Gesellschaft schon lange mitgestaltet, seit Entstehen der Grund- und Bürgerrechte auch politisch.

Elf Jahre, bevor Karl Marx in London das Kommunistische Manifest veröffentlichte, hielt der jüngste Abgeordnete des Badischen Landtages seine erste parlamentarische Rede. Franz Joseph Buß (1803-1878), Sohn einer eher ärmlichen, katholischen Schneiderfamilie aus dem Schwarzwald, schrieb Geschichte mit seiner „Fabrikrede“ im Jahr 1837. Sie war die erste sozialpolitische Ansprache in einem deutschen Parlament. In einer einzigartigen Pionierleistung formulierte Franz Joseph Buß einen sozialen Forderungskatalog, der noch im Jahr 1904 von dem Sozialisten August Bebel als Grundstein parlamentarischer Arbeiterpolitik zitiert wurde. Heute ist in Kirche und Gesellschaft wenig bekannt, wie einflussreich Katholiken auf die politische Willensbildung seit deren Anfängen eingewirkt haben. Das Zweite Vatikanische Konzil hat vieles als bekannt vorausgesetzt.

„Der Fabrikarbeiter ist der Leibeigene eines Brotherrn. … Er ist der Leibeigene der Maschine“, sagte Franz Joseph Buß beispielsweise. Nachdem die seit Jahrhunderten funktionierende kirchliche Caritas-Arbeit angesichts der Bevölkerungsexplosion und der wachsenden Verarmung überfordert war, nahm Buß den Staat in die Pflicht, das „drohende Übel zu verhüten“ oder wenigstens zu bändigen. Er forderte zum Beispiel eine Beschränkung der Arbeitszeit, Fabrikinspektion, Einrichtung von Kranken- und Unfallversicherung sowie von Sparkassen, Volksschulpflicht, berufliche, ebenso wie religiös-sittliche Bildung.

Der engagierte Katholik war Professor für Staatswissenschaft und Völkerrecht in Freiburg, zusätzlich auch für Kirchenrecht. Später (1848) wurde Franz Joseph Buß Präsident des ersten Katholikentages, damals noch installiert als erste Generalversammlung der katholischen Vereine Deutschlands. Sein politisches Engagement war eingebettet in das erwachende soziale Denken der Katholiken seiner Zeit.

Seit den Anfängen gesellschaftspolitisch engagiert

Mehr als 150 Jahre sollte dies so bleiben: Seit den Anfängen der Demokratie in Deutschland, durch die schweren Zeiten politischer Ausgrenzung und Unterdrückung hindurch, bis in unsere Zeit haben sich Katholiken gesellschaftspolitisch engagiert. Sie taten das nicht nur auf dem Papier und von der Rednertribüne aus, sondern in einflussreichen Gruppen mit großer Wirkkraft auf das öffentliche Leben. Ihr Glaube und ihr christliches Menschenbild haben dabei Orientierung vermittelt. Persönlichkeiten wie der Gesellenvater Adolph Kolping oder der Sozialbischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler sind bis in die Gegenwart bekannt. Zusammen mit Franz Joseph Buß und den Brüdern August und Peter Reichensperger gehörten sie zu den Vorreitern des sozialen und politischen Katholizismus.

Ketteler gab sein Reichstagsmandat 1871 auf: In diesem ereignisreichen Jahr wurde nicht nur das Deutsche Reich gegründet und der „Kulturkampf“ des preußischen Staates gegen den Katholizismus angezettelt. Im gleichen Jahr gründeten die Katholiken in Deutschland das „Zentrum“ als katholische Partei, mit Ludwig Windthorst an der Spitze. Kanzler Otto von Bismarck misstraute den Katholiken wegen deren Treue zum römischen Papst. Einen Auslöser des Kulturkampfes bildete die Abänderung des Strafgesetzbuches, wonach es durch den sogenannten „Kanzelparagraphen“ den Geistlichen verboten war, bei Verlautbarungen in ihrem Beruf den „öffentlichen Frieden“ zu gefährden. Der Staat kontrollierte außerdem Ausbildung und Einstellung der Geistlichen; das kirchliche Vermögen wurde staatlich verwaltet. Die Jesuiten sowie die meisten anderen Ordensgemeinschaften wurden verboten und mussten exilieren.

Die Katholiken ließen sich – was niemand erwartet hatte – trotzdem nicht spalten; vielmehr wuchs die katholische Zentrumspartei von 63 auf 100 Abgeordnete und entwickelte sich zur größten Fraktion im Reichstag. Klerus wie Gläubige ignorierten die Gesetze, was zur Folge hatte, dass Priester, die ohne Zustimmung des Staates seelsorglich tätig wurden, verhaftet oder vertrieben wurden. Der Entzug der staatsbürgerlichen Rechte und die Vermögenskonfiszierung bildeten den Gipfel der Verfolgung. 1876 befanden sich die meisten preußischen Bischöfe im Gefängnis oder im Exil.

Vorstufe eines Betriebsrats

Katholische Laien taten sich auf vielfache Weise hervor. Der Unternehmersohn Franz Brandts gründete 1872 eine eigene Firma, die sich sehr erfolgreich entwickelte. Er initiierte dort einen Arbeiterausschuss. Die 1885 erlassene interne Fabrikordnung garantierte den Arbeitern in betrieblichen Dingen Mitverwaltung, war also eine Vorstufe eines Betriebsrats im heutigen Sinne. Die Fabrik von Franz Brandts verfügte über zahlreiche freiwillige Sozialleistungen wie eine eigene Krankenversicherung, Darlehnskasse, Bücherei, Betriebsküche, Kindergarten und Nähschule. Brandts baute Wohnungen, die seine Arbeiter günstig erwerben konnten. Für die damalige Zeit war dieses soziale Engagement wegweisend. Brandts entwickelte den Verband katholischer Industrieller und Arbeiterfreunde, woraus sich der Volksverein für das katholische Deutschland entwickelte, den Franz Brandts gemeinsam mit Franz Hitze und Ludwig Windthorst gründete und dessen Vorsitzender er wurde. Franz Brands wurde auch Ehrenpräsident des 59. Katholikentages in Aachen. Zu dieser Zeit fanden diese meist jährlich statt; bei diesen Treffen entwickelte sich die Diskussion über gesellschaftspolitische Themen zu einer Tradition.

Als der fränkische Schreiner und Kolpingbruder Adam Stegerwald, Generalsekretär des Gesamtverbands die Christlichen Gewerkschaften, 1920 die vorhandenen einzelnen Gruppen zum einheitlichen Gewerkschaftsbund (DGB) zusammenschloss, forderte er auch zur Gründung einer interkonfessionellen christlichen Partei auf. Damit trug er eine Idee vor, die nach dem Zweiten Weltkrieg Realität werden sollte.

Die Niederlage des Ersten Weltkrieges und die Abdankung des Monarchen läutete eine innenpolitisch stürmische Zeit ein. Die katholische Zentrumspartei erklärte:

„Durch gewaltsamen Umsturz ist die alte Ordnung Deutschlands zerstört. Eine neue Ordnung ist auf dem Boden der gegebenen Tatsachen zu schaffen; diese Ordnung darf nach dem Sturz der Monarchie nicht die Form der sozialistischen Republik erhalten, sondern muss eine demokratische Republik werden.“

Drei Jahre später, 1921, wurde der Zentrumspolitiker Matthias Erzberger von Rechtsradikalen ermordet. Tragende Säule der republikanischen Neuordnung war beispielsweise die Arbeitsgesetzgebung, die in achtjähriger Amtszeit und unter zwölf Regierungen von Heinrich Brauns (1868–1939) geprägt wurde. Der Arbeitsminister, Sohn eines Schneiders aus Köln, war Priester und Sozialwissenschaftler.

Wegbereiter und Gründer der CDU

In der Ära des Nationalsozialismus bereits – nicht erst nach Zusammenbruch und Ende des Zweiten Weltkrieges – begann die Suche nach einer gerechten und humanen Nachkriegsordnung. Verschiedene katholische Widerstandskreise hatten schon in der NS-Zeit über eine Neuordnung des Staates nachgedacht. Sie trafen sich zum Beispiel im Ketteler-Haus, der Verbandszentrale der Katholischen Arbeitnehmerbewegung, und im Kölner Kolpinghaus. Beide Gruppen standen in Kontakt zum Dominikaner-Kloster Walberberg. Aus beiden Widerstandskreisen wurden Teilnehmer im Jahr 1944 verhaftet und in Konzentrationslager transportiert, wo sie den Tod fanden.

Andere konnten entkommen; sie gehörten zu den Wegbereitern und Gründern der CDU in Deutschland, deren Gründungsversammlungen am 16. und 17. Juni 1945 in Berlin und Köln stattfanden. Darunter befand sich der ehemalige Zentrumspolitiker Leo Schwering, Leiter der Programmkommission und Verfasser der „Kölner Leitsätze“, der ersten programmatischen Schrift. An beiden Orten befanden sich unter den Gründern Kolpingmitglieder, in Köln waren dies acht von 16 Personen. Auch der erste Ministerpräsident des neu gebildeten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen war ein Kolpingmitglied: Karl Arnold (CDU). Nicht vergessen werden darf der Beitrag deutscher Sozialethiker zur Soziallehre der Kirche – von Oswald von Nell-Breuning (1890-1991) bis hin zu Kardinal Josef Höffner (1906-1987).

Der politische Katholizismus, der sich nach 1945 vorzugsweise in der CDU/CSU sammelte, konnte seine christlichen Wertvorstellungen fruchtbar machen. Der Parlamentarische Rat unter Vorsitz Konrad Adenauers (CDU) verabschiedete am 8. Mai 1949 in Bonn ein Grundgesetz mit deutlicher Handschrift der Christdemokraten. Der soziale Katholizismus schlug sich auch in einer Reihe maßgeblicher Gesetze nieder – von Kriegsopferversorgung, über Lastenausgleich für Heimatvertriebene und die so genannte dynamische Rente bis zu Montanmitbestimmung, Betriebsverfassung, Kündigungsschutz, Mutterschutz, Kindergeld usw.

Jahrzehntelang prägender Einfluss

Dieser prägende Einfluss blieb jahrzehntelang erhalten. Die Einführung von Erziehungszeiten der Kinder in der Rentenversicherung zum Beispiel ging auf das Konto katholischer Sozialreformer. Nicht nur die katholischen Frauen- und Sozialverbände hatten sich dafür eingesetzt. Der letzte prominente und zugleich einflussreiche Christdemokrat mit katholischer Prägung auf Bundesebene war Arbeits- und Sozialminister Norbert Blüm, der gegen erheblichen Widerstand die soziale Pflegeversicherung ins Leben rief. 16 Jahre blieb er in der Ära von Bundeskanzler Helmut Kohl im Amt. Zuvor hatte er bereits erhebliche familienpolitische Errungenschaften mit der Einführung von Erziehungsgeld und -urlaub sowie der höheren Bewertung von Kindererziehungszeiten in der Rente durchgesetzt.

Nach der friedlichen Revolution in Ostdeutschland im Jahr 1989 übernahmen zahlreiche Katholiken verantwortliche Aufgaben in der Politik. Sie waren wie keine andere Gruppe unbelastet von SED und Stasi. Zwei Kolpingbrüder wurden zum Beispiel Landtagspräsidenten in den neuen Bundesländern, ein engagierter Katholik aus dem Osten Präsident des Deutschen Bundestages.

Der Sozialkatholizismus Deutschlands war wesentlich in den katholischen Verbänden beheimatet, die auch dadurch hervortraten, dass sie uneingeschränkt für den Lebensschutz des Menschen vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Lebensende eintraten. Katholische Akademien in den Bistümern leisteten wertvolle Beiträge zur Weiterbildung der engagierten Katholiken. Die Katholische Soziallehre fand aber nicht nur in Verbänden und Akademien lebendigen Zuspruch und gute Verbreitung, sondern häufig auch in einem Apostolat von Arbeitern für Arbeiter am Arbeitsplatz. Katholiken gründeten zum Beispiel „Betriebskerne“.

Auch auf dem Hintergrund dieser Tradition, die nicht allein in Deutschland wirksam war, sind die Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) zum Weltdienst zu verstehen. Laien konnten in Beruf und Politik die Gesellschaft im christlichen Geist mitgestalten.

In katholischen Verbänden war es jahrzehntelang selbstverständlich, sich aus der Glaubens- und Sittenlehre herauszuhalten und dies dem Lehramt der Kirche zu überlassen; umgekehrt blieben die Verbände und der Kirche nahestehenden Politiker zwar mit den Bischöfen im Gespräch; sie handelten aber – ihrem Gewissen folgend und unter Berücksichtigung geltender Lehre – autonom.

Quo vadis – Wie geht es weiter?

In den letzten Jahren ging die Initiative der Laien in gesellschaftlichen Fragen deutlich zurück. Deshalb lohnt sich heute zu fragen: Bei welchen politischen Themen sind die katholischen Laien gegenwärtig tonangebende oder gar exklusive Vorreiter? Welche neuen Initiativen im politischen Raum gehen aus den Grundsätzen der Katholischen Soziallehre hervor? Wie knüpfen die katholischen Laien heute an ihre großartige Tradition an? Wie bringen sie heute die Christliche Gesellschaftslehre in den gesellschaftlichen Diskurs?

Vielen Katholiken ist die Katholische Soziallehre mit ihren Prinzipien der Personalität, Subsidiarität, Solidarität, dem Gemeinwohl und der Nachhaltigkeit inzwischen unbekannt. Wiewohl der „DOCAT“, ein moderner Sozialkatechismus für junge Leute 2016 in Deutschland entstand und seither in Millionenauflagen weltweit verbreitet wurde, hat er im eigenen Land wenig Widerhall gefunden. Nicht nur das theoretische Interesse ließ nach: Unter den katholischen Laien geht der Weltdienst in seiner ursprünglich starken Bedeutung erheblich zurück – trotz vereinzelten Initiativen wie der 72-Stunden-Aktion des BDKJ und vielen vereinzelten Engagements im Bereich Flucht, Migration, Hungerhilfe usw. Gleichzeitig beanspruchen Laien neuerdings (im Sinn einer demokratischen Willensbildung?) eine Mitsprache in Fragen von Glaubens- und Sittenlehre. So entsteht der Eindruck einer Verschiebung des Engagements: Laien geben die ihnen zugedachte Aufgabe des Weltdienstes weitgehend auf; gleichzeitig mischen sie sich in Fragen des Glaubens und der Sitte verstärkt ein, ohne dass dies ihr Aufgabengebiet wäre.

Plurale Binnenvielfalt geachtet

Das Konzil (und im Anschluss die Würzburger Synode) hatten eine andere Vision: Ihnen ging es um das geschwisterliche Miteinander zur Gestaltung der „zeitlichen Ordnung“ (AA). Es gab einen reichhaltigen Erfahrungsschatz, angefangen bei der Abwehr des übergriffigen preußischen Staates im Kulturkampf, über Gestaltungsmöglichkeiten in der Rolle als Regierungspartei, in der NS-Verfolgung, in der Gründung einer neuen christlichen Partei, in der Ermöglichung des „Wirtschaftswunders“ und den begleitenden Aufbau des Sozialstaates bis hin zur Mitgestaltung der friedlichen Revolution.

Die Kompetenz katholischer Laien fand Rückhalt und Anerkennung in der Bevölkerung; autonomes, vom Lehramt zwar begleitetes, aber unabhängiges Handeln bildete die Voraussetzung. Die engagierten Katholiken kannten auch ihre Grenzen: Sie handelten zwar meist in Gruppen, die aber keinen Exklusivanspruch erhoben, sondern die Zielerreichung höher erachteten. So engagierten sich Katholiken nicht allein in christlichen Parteien, sondern auch in Parteien mit anders gelagerten Schwerpunkten – ohne sich gegenseitig zu diffamieren.

Auch das Zentralkomitee der Katholiken äußerte sich in der Vergangenheit zu politischen Themen unter Berücksichtigung seiner pluralen Binnenvielfalt. So versuchte niemand, eine bestimmte Interpretation der Katholischen Soziallehre als alleingültig darzustellen. Ein fairer Wettbewerb um die besseren Argumente wurde bevorzugt. In der Basis der Katholischen Soziallehre waren sich beispielsweise Katholische Arbeitnehmerbewegung, Kolpingwerk, Verband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV) und Bund Katholischer Unternehmer einig, aber jede Gruppe vertrat darin ihre eigenen Akzente. Dies rief keine Konflikte innerhalb des ZdK hervor.

Einigkeit beim Lebensschutz

Ähnlich beim Lebensschutz: Einigkeit bestand jahrzehntelang in der grundsätzlichen Ablehnung der Abtreibung und in der Unterstützungsbedürftigkeit schwangerer Frauen in Notsituationen. Öffentliche Stellungnahmen wurden aber so formuliert, dass alle im ZdK vertretenen Gruppen damit leben konnten. Es gab keine Anmaßung, dass unter mehreren im ZdK vertretenen Meinungen eine einzelne als richtig oder verbindlich für alle dargestellt wurde.

Ist das so geblieben? Von der Tendenz her sind Zweifel erlaubt. Natürlich besteht eine Versuchung im Machtmissbrauch, der darin bestehen kann, die eigene Ansicht als allgemeinverbindlich erklären zu wollen und andere Meinungen auszugrenzen, obwohl sie auf der Basis des Evangeliums durchaus vertreten werden können. Manche forsch vorgetragene Meinungsäußerung der letzten Zeit weist in eine solche Richtung. Freiräume können und sollen genutzt werden; überzeugend aber ist ein Handeln in der Wirklichkeit, das Lösungen bietet, die sich bewähren!

Dominanz der Mehrheit über die Minderheit

Das ZdK, sowie die Diözesanräte und Katholikenausschüsse bleiben Koordinations- und Beratungsgremien; keinesfalls sind sie „Organe“, die Kirche konstituieren und Willensbildungsprozesse generieren, die allgemeinverbindlich sind. Es gibt keine Vertretung, die Direktiven für alle Laien aufstellt! Die vom Konzil geforderten Räte arbeiten in echter Synodalität – d.h. im doppelten Blick auf die Zeit und das Wort Gottes. Sie beraten auf Einmütigkeit hin und halten sich nicht für befugt, die Kirche nach demokratischen Mehrheitsprinzipien umzugestalten und andersdenkende Glaubensgeschwister zu diskriminieren.

Dies zu erkennen, in diesem Geist zu agieren, gelang dem Frankfurter „Synodalen Weg“ nicht. Dort wurde der Eindruck erweckt, Reform sei eine Frage der Erweiterung laikaler Bestimmungsmacht. Obwohl das Etikett der „Synodalität“ genutzt wurde, ging es nicht um einen gemeinsamen Weg, sondern – in parlamentarischer Gewohnheit – um Dominanz der Mehrheit über die Minderheit.

Bild vom mystischen Leib Christi

 Konzil und Würzburger Synode haben dagegen das uralte Bild vom mystischen Leib Christi neu belebt – die Vision einer Kirche mit vielen Gliedern, die in gleicher Würde, mit unterschiedlichen Charismen und Rollen und in Angewiesenheit aufeinander mit gemeinsamen Ziel vorangehen – untereinander verbunden durch den Geist synodalen Miteinanders. Dies ist und bleibt das gültige Leitbild des Laienkatholizismus! Denn es geht nicht um die Verwirklichung einer politischen Agenda, sondern um das Reich Gottes. So, wie wir alle regelmäßig beten:

„… Dein Reich komme, Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden!“