Die Reaktion des DBK-Sprechers Matthias Kopp auf die Veröffentlichung des Papst-Briefes in der „Welt“ kann man mit Kopfschütteln kommentieren oder einfach nicht beachten, so als hätte er das Papst-Schreiben nicht kommentiert – was er ja auch nach eigener Aussage nicht tut. Bekanntermaßen kann man nicht „nicht-kommunizieren“. Martin Brüske veranlasste der Nicht-Kommentar Kopps zum Schreiben einer Glosse:
Der Sprecher der DBK ist unter die „Als ob-Philosophen“ gegangen
Matthias Kopp, seines Zeichens Sprecher der DBK, scheint es neuerdings mit Hans Vaihinger zu halten. Hans Vaihinger war ein radikaler Vertreter des Neukantianismus. Und sein Hauptwerk hieß: „Die Philosophie des ‚als ob‘.“ Wahrheit hatte es bei ihm nicht mit der Wirklichkeit zu tun, sondern wir müssten sehen, wie wir mit nützlichen Fiktionen durchs Leben kommen: Wir tun eben in allen entscheidenden Fragen so „als ob“, weil es uns hilft mit der sperrigen Wirklichkeit zurechtzukommen.
Ob ich jetzt Hans Vaihinger ganz korrekt wiedergegeben habe, kann offen bleiben. Sein Denken mag doch noch eine Prise subtiler sein. Aber die Assoziation zu Vaihingers Philosophie des „als ob“ stellte sich bei mir ganz zwangsläufig ein, als ich mir Matthias Kopps Mitteilung durch den Kopf gehen ließ, man werde den Papstbrief nicht kommentieren, weil der sei ja an vier Katholikinnen und nicht an den Vorsitzenden der Bischofskonferenz oder die deutschen Bischöfe gerichtet. Also wir tun so, als ob Brief und Botschaft nicht in der Welt sind. Also eigentlich gar nicht vorhanden. Der Inhalt des Briefes eine irrelevante private Plauderei.
„Ich sehe was, was Du nicht siehst“
Lustigerweise kann man das wirklichkeitsverweigernde „als ob“ auch in eines umkehren, das die Wirklichkeit sichtbar macht (ob Vaihinger daran auch gedacht hat?): Als ob die Botschaft des Briefes nicht schlicht und ergreifend eine ernste und sorgenvolle Einlassung desjenigen, des Papstes nämlich, wäre, der dazu zuerst und zuletzt legitimiert ist. Als ob er nicht einfach zur Sache spricht. Als ob Art und Inhalt des Briefes nicht schon eindeutig gegen die bloße Privatheit des Schreibens sprächen. Als ob die ausdrückliche päpstliche Ermächtigung ihn zu veröffentlichen, ihn nicht genau zu dem machen, was der Brief dann ist: zu einem öffentlichen Dokument der Instanz, die in der katholischen Kirche in jedem Fall zu hören ist.
Wirklichkeitsverleugnung, Realitätsverlust oder kalkulierter Crash?
Das Maß an Wirklichkeitsverleugnung, das in der Kopp‘schen Einlassung steckt und wohl leider zugleich direkter Ausdruck des irrwitzigen Kurses des Vorsitzenden der DBK ist – es ist einfach atemberaubend. Bätzing hat direkt Richtung auf die Felswand genommen. Er erhöht permanent die Geschwindigkeit. Sieht er die Wand nicht? Oder – was schlimmer wäre – hat er den Crash der zerbrochenen kirchlichen Einheit längst eingepreist? Nach dem Zusammenprall öffnet sich also das Paradies der deutschen Nationalkirche? Das könnte ein sehr böses Erwachen geben …
Jedenfalls: Die Wirklichkeitsverleugnung des Matthias Kopp und seines Chefs ließen mich nicht nur an die „Als ob-Philosophie“ des alten Hans Vaihinger denken. Jenseits neukantianischer Subtilitäten kommt mir ein noch viel elementareres Bild: Kleine Kinder halten die Hände vors Gesicht und behaupten dann, dass die Wirklichkeit nicht da ist, die unangenehm oder bedrohlich ist. Durch den reifenden Bezug auf die Realität wächst sich das normalerweise aus …
Aber in einem hat Matthias Kopp ja durchaus recht: Kommentieren wäre von Seiten der DBK und ihres Vorsitzenden gegenüber dem päpstlichen Schreiben nicht die richtige Reaktion gewesen. Sondern vielmehr nüchterne Selbstprüfung, tiefe Besinnung und mutige Umkehr. Aber daran dürfte er kaum gedacht haben. Leider.
Dr. theol. Martin Brüske
Martin Brüske, Dr. theol., geb. 1964 im Rheinland, Studium der Theologie und Philosophie in Bonn, Jerusalem und München. Lange Lehrtätigkeit in Dogmatik und theologischer Propädeutik in Freiburg / Schweiz. Unterrichtet jetzt Ethik am TDS Aarau.
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