Bischof Overbeck stellt sich am 21.10.2023 in Rom am Rande der Synode vor die Weltpresse und will den Synodalen Weg derselben anpreisen. Er nennt alle Probleme, die wir haben, die andere aber so nicht haben, ohne zu merken, dass sie sie auch hätten, wenn sie uns folgen würden. Diese Ignoranz ist unfassbar, meint Helmut Müller.

Was hat der Bischof gesagt?

  • Er spricht von „drastisch zurückgehenden Priesterzahlen […] Zu den Priesterzahlen bemerkte Overbeck, er habe in 14 Jahren als Bischof 300 Priester beerdigt und 15 geweiht [   ] Wir haben kaum Seminaristen.
  • „vielleicht [!!!]müssen wir eine Antwort finden, um die Frage nach dem Rückgang der Berufungen zu lösen.“
  • „Wir müssen uns fragen, wie wir das sakramentale Leben der Kirche retten können und wie wir einen Schritt nach vorne machen können.“
  • Der Weg, auf dem sich die Kirche befinde, sei „sehr hart“. Deutschland habe einen hohen Anteil an areligiösen Menschen.
  • Die oft gestellte Frage, ob der Weg der Deutschen noch katholisch sei, habe er stets bejaht. […] der Synodale Weg stütze sich auf eine glaubwürdige Verkündigung des Evangeliums.
  • Dabei sei er gefragt worden, ob die Deutschen auf ihrem Weg jetzt schon die Antworten für morgen gäben.

Bei katholisch.de und vaticannews ist das alles nachzulesen.

Für liberale deutsche Ohren und auch für eine ebensolche Minderheit weltweit, passt das Wording, wenn man meint, die Akzeptanz bunter Lebensstile sei wichtiger als die Sorge, dass sich die Lebenspyramide in Deutschland nicht (!) verjüngt und dass es offenbar verzichtbar ist, dass junges Leben christlich sozialisiert wird. Aber passt es für andere Ohren, die nicht genug Plätze haben Priesteramtskandidaten unterzubringen und Leute in Kirchen keinen Platz mehr finden?

Erforschung bunter Lebensstile angesichts einer Unterjüngung der Alterspyramide

Vermutlich gilt für Overbeck das Gleiche wie für den Mainstream deutscher Bildungspolitik: Fast 200 Lehrstühlen für Gender Studies steht gerade noch EIN unbefristeter Lehrstuhl für Demographie in Rostock gegenüber, obwohl in diesem Land immer weniger junge Menschen leben, denen aber immer mehr „bunte“ Lebensstile offeriert werden, dieses Leben zu leben. Die Alterspyramide unseres Landes zeigt, dass allerdings immer mehr Menschen dieses Leben schon ausgelebt haben. Warum also erforscht man eher Lebensstile und nicht vermehrt, wie das Leben selbst sich in dieser Gesellschaft verjüngt und – an die Kirchen gerichtet, dass die Antwort auf den hohen Anteil an areligiösen Menschen vielleicht eine Neuevangelisierung ist, wie sie bisher alle Päpste in den letzten Jahrzehnten und der gegenwärtige in mehreren Briefen sogar ausdrücklich von den deutschen Bischöfen gefordert hat.

Wie Wording Sachverhalte vernebeln kann

Als ein unter diesem Wording lebender und leidender Christ zwischen Flensburg und Garmisch, wurden mir am Wochenende durch den Besuch einer gut 150-jährigen Feldkapelle bei Ustersbach in der Nähe von Augsburg vor Augen geführt, dass dieses Wording auch einmal ein ganz anderes zwischen dänischen und österreichischen Grenzmarkierungen gewesen ist. Es war eine der hl. Anna, der Mutter Marias, geweihte Kapelle, gestiftet von der Schwiegermutter für die kinderlose Schwiegertochter, die innerhalb weniger Jahre acht Kinder im Säuglingsalter verloren hatte. Die verhinderte Großmutter von damals wusste noch, dass man sich mit einem solchen Anliegen an die Großmutter Jesu wenden musste. Und was geschah?

Für unser heutiges Wording Unglaubliches: Die Kapelle wurde gebaut, als Bitte, dass die junge Frau endlich Mutter und die Stifterin selbst Großmutter wird. Das Unglaubliche: Mit sage und schreibe 13 Kindern bzw. Enkeln wurden Mutter und Großmutter gesegnet.

Wie beim Skat:  Lebensstil sticht Lebensrecht, die Verjüngung der Zukunft

Mir ist bewusst, dass in einer Gesellschaft, wo man meint, Staat und Gesellschaft – losgelöst vom Kinderkriegen – garantieren durch Rentengesetzgebung auch das inaktive Alter, Kinder nicht selten als Störenfriede des gewählten Lebensstils empfunden werden. Man meint sogar, wenn Kinder den gewünschten Lebensstil verhindern, hätte man ein Menschenrecht, schon im Mutterleib eingreifen zu dürfen, um Kinder zu töten, die den gewünschten Lebensstil verhindern oder zumindest erschweren. Dieses Wording, das unsere ganze Gesellschaft beherrscht und in seinen extremen Ausformungen schon bis ins ZDK vorgedrungen ist, wurde mir in dieser Kapelle bewusst.

Vielleicht wird Vertretern des Wordings der Lebensstile einmal klar, wenn man sie fragt, für wen eigentlich das Klima gerettet werden soll –  für menschliches Leben oder Lebensstile -, dass gewisse Lebensstile das Problem verschärfen. Vielleicht will man ja auch nur einen christlichen Lebensstil verhindern?

Wenige hundert Meter von dieser Feldkapelle hat Theodor Haecker seine ewige Ruhe gefunden. Einige Gedanken von ihm sind bemerkenswert auch für unsere Zeit:

„Die liberalen Demokratien gehen zugrunde oder werden zugrunde gehen (wenn sie nicht Vorkehrungen treffen) am Mangel der „Verbindlichkeit“. Es ist, wie wenn ein Körper am Mangel an Vitaminen zugrunde geht. Scheinbar ist alles da, nur eine Kleinigkeit anderer Ordnung fehlt. Das „Verbindliche“ ist eine Kraft an sich, anscheinend unabhängig davon, ob das Rechte verbindlich ist oder das Unrechte. Wo nichts mehr verbindlich ist, da ist die Schwäche, da ist der „Laue“, von dem die Offenbarung spricht. Wo keine Möglichkeit mehr ist, dass Christus oder sein Jünger gekreuzigt wird, da haben Gott und der Teufel ihr Recht und Unrecht verloren.“


Dr. phil. Helmut Müller

Philosoph und Theologe, akademischer Direktor am Institut für Katholische Theologie der Universität Koblenz. Autor u. a. des Buches „Hineingenommen in die Liebe„, FE-Medien Verlag

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