Still und kalt liegt der nördlichste Düsseldorfer Ortsteil Kaiserswerth an diesem Donnerstagabend. Wer den von Bäumen gesäumten Rheindamm entlanggeht, passiert die Ruinen der alten Kaiserpfalz – heute steinerne Zeugen jenes Staatsstreichs, der hier vor nahezu tausend Jahren stattfand. Nun kehrt der Erzbischof von Köln erneut nach Kaiserswerth zurück: Gemeinsam mit dem nigerianischen Bischof Wilfred Chikpa Anagbe erinnert er in der Basilika St. Suitbertus an das Leid verfolgter Christen weltweit und lädt am Red Wednesday zur »Nacht der Zeugen« ein – einem Abend des Hörens, Gedenkens und Betens.

Kardinal Woelki, Erzpriester Shehata und Bischof Anagbe
Abend der Zeugen
Die romanische Kirche ist in rotes Licht getaucht – ein sichtbares Zeichen für den hohen Blutzoll, den Christen vielerorts, besonders aber in Nigeria, für ihr Bekenntnis zu Christus entrichten. An vielen Orten Europas und weit darüber hinaus leuchten an diesem Abend Kirchen rot auf – als Teil einer weltweiten Initiative, die auf das Schicksal verfolgter Christen aufmerksam macht.
Zunächst war der Gedanke, diesen Abend zu besuchen, für mich eher eine Belastung. Ich vermute, vielen geht es ähnlich: Wir scheuen davor zurück, uns mit dem Leid unserer Brüder und Schwestern in der Weltkirche zu befassen – mit einem Leid, das sie um ihres Glaubens willen erdulden, während es für uns selbstverständlich ist, diesen frei und ungestört leben zu können.
Gedenken in rotem Licht
Die Kirche war an diesem Abend ungewöhnlich voll, und die rote Beleuchtung des Innenraums verstärkte die eindringliche Stimmung. Der Abend begann als Gedenkveranstaltung: In kurzen Berichten wurden zunächst einige exemplarische Fälle von Christenverfolgung aus verschiedenen Teilen der Welt geschildert, während ein Ensemble unter der Leitung des Düsseldorfer Organisten Stefan Oechsle – mit Chor und Kammermusikern – den Raum behutsam zum Klingen brachte. Aus dieser Sammlung von Stimmen und Schicksalen heraus trat schließlich das persönliche Zeugnis des nigerianischen Bischofs hervor.
Schweigen ist Komplizenschaft
Bischof Anagbe machte in seinem Impuls deutlich, dass er nicht als Beobachter, sondern als jemand spreche, der das Leid seiner Diözese aus eigener Erfahrung kenne. Er erinnerte daran, dass Christen in Nigeria ihr Leben bereits für eine einzige Seite der Heiligen Schrift riskierten, dass seine Diözese über eine Million Vertriebene und unzählige Tote zu beklagen habe und dass Fälle wie der der Studentin Deborah Yakuba längst keine Ausnahme mehr seien. Dennoch, so betonte er, halte die Kirche trotz unvorstellbarer Gewalt am Lob Gottes fest, denn „das Blut der Märtyrer“ sei seit jeher „Same der Kirche“ (Tertullian). Daraus leitete er die Aufgabe der Weltkirche ab: nicht bloß zu gedenken, sondern zu handeln – denn angesichts der Christenverfolgung zu schweigen bedeute, sich mitschuldig zu machen.
Aus dem Schutt wachsen neue Chöre
Das gemeinsame Beten der Komplet stand nicht im Gegensatz zur Härte der geschilderten Wirklichkeit, sondern trug sie im Gesang und im Hören auf Gottes Wort mit. Die liturgische Feier selbst unterstrich jene Hoffnung, von der Bischof Anagbe gesprochen hatte: dass aus den in Schutt gelegten Kirchen neue Chöre emporwachsen. In diesem Moment wurde noch einmal spürbar, was den ganzen Abend geprägt hatte – die Kraft des Zeugnisses für Christus, das im Leid nicht verstummt.
Anteil an den Leiden Christi
Am Ende dieses Abends, den EWTN ganz übertragen hat, blieb für mich nichts von der zuvor empfundenen Belastung. Kardinal Woelki hatte selbst von den beginnenden oder bereits spürbaren Angriffen auf die Kirche gesprochen – und in meiner eigenen Pfarrei war in derselben Woche ein Pfarrer auf offener Straße tätlich angegriffen worden, aus Gründen, die niemand kennt. Solche Erfahrungen der Zurücksetzung treffen uns, und doch können sie – im kleineren Maßstab – zu jenem Anteil an Christus werden, der davor bewahrt, bitter zu werden. „Freut euch, dass ihr Anteil an den Leiden Christi habt“ (1 Petr 4,13): Dieser Zuspruch gilt auch dort, wo wir nur einen winzigen Teil dessen tragen, was unsere Brüder und Schwestern in vielen Teilen der Welt erdulden. Wenn wir ein wenig mittragen dürfen – durch unsere Solidarität, unser Gebet und unser Opfer –, dann verbindet uns das miteinander und mit Jesus Christus.

