Die Segnungshandreichung, die von neun deutschen Bischöfen mitbeschlossen wurde, steht in offenem Widerspruch zu der verbindlichen Normierung, die Fiducia supplicans bietet. Diese Bischöfe verletzen damit die Einheit der Kirche nach Ordnung und Lehre. Als Gläubige haben wir selbstverständlich einen Anspruch darauf, dass sie diese Verwirrung beseitigen.

Warum wir Anspruch auf Klarheit haben

Wir vom Neuen Anfang haben zehn deutschen Bischöfen einen Brief mit zwei Fragen geschickt. Wir baten sie um Klärung. Klärung eines Widerspruchs, der Verwirrung und Irritation auslöst und von dem wir meinen, dass wir als Gläubige ein Anrecht auf Auflösung des Widerspruchs haben. Wir wollten von diesen zehn Bischöfen wissen: Wie steht ihr wirklich zu dieser Handreichung zum Segen, die ihr nur irgendwie und anonym verantworten wollt? Und vor allem: Wie steht ihr zur Grundnorm der katholischen Sexualmoral, die nicht speziell katholisch ist, sondern die  gemeinsame Grundnorm des historischen Christentums?  Hier erläutert Martin Brüske noch einmal, wieso wir den Brief geschrieben haben.

Auf dogmatisch-ekklesiologischer Basis, wie sie zuletzt durch das höchste Lehramt der Kirche durch das Konzilsdekret Lumen Gentium und in praktischer Weiterführung auf die Person des Bischofs durch das Bischofsdekret Christus Dominus formuliert wurde, normiert der CIC 1983 im Buch über das Volk Gottes und im Abschnitt über die Bischöfe die Aufgabe des Bischofs im Blick auf Ordnung und Lehre der Kirche wie folgt:

Das Kirchenrecht

Can. 386 — § 1. Der Diözesanbischof ist gehalten, die Glaubenswahrheiten, die gläubig anzunehmen und die im sittlichen Leben anzuwenden sind, den Gläubigen darzulegen und zu verdeutlichen, indem er selbst oft predigt; er hat auch dafür zu sorgen, daß die Vorschriften der Canones über den Dienst am Wort, vor allem über die Homilie und die katechetische Unterweisung, sorgfältig befolgt werden, damit so die ganze christliche Glaubenslehre allen überliefert wird.

  • 2. Die Unversehrtheit und Einheit der Glaubenslehre hat er mit Mitteln, die ihm geeignet scheinen, in fester Haltung zu schützen, in Anerkennung jedoch einer gerechten Freiheit für die Weitere Erforschung der Wahrheiten.

Can. 392 — § 1. Da er die Einheit der Gesamtkirche wahren muß, ist der Bischof gehalten, die gemeinsame Ordnung der ganzen Kirche zu fördern und deshalb auf die Befolgung aller kirchlichen Gesetze zu drängen.

  • 2. Er hat darauf zu achten, daß sich kein Mißbrauch in die kirchliche Ordnung einschleicht, vor allem in bezug auf den Dienst am Wort, die Feier der Sakramente und Sakramentalien, die Verehrung Gottes und der Heiligen sowie in bezug auf die Vermögensverwaltung.

Ihre Grundlage hat jede bischöfliche Amtsausübung dabei in der Einheit mit dem Kollegium und dem Bischof von Rom:

Can. 375 — § 1. Die Bischöfe, die kraft göttlicher Einsetzung durch den Heiligen Geist, der ihnen geschenkt ist, an die Stelle der Apostel treten, werden in der Kirche zu Hirten bestellt, um auch selbst Lehrer des Glaubens, Priester des heiligen Gottesdienstes und Diener in der Leitung zu sein.

  • 2. Die Bischöfe empfangen durch die Bischofsweihe selbst mit dem Dienst des Heiligens auch die Dienste des Lehrens und des Leitens, die sie aber ihrer Natur nach nur in der hierarchischen Gemeinschaft mit dem Haupt und den Gliedern des Kollegiums ausüben können.

Übertragen auf die Praxis

Hier kann nun kein kanonistischer Kommentar zu diesen Normen erfolgen (was der Verfasser auch nicht könnte), auch kein dogmatischer zu ihren Grundlagen (darin würde er seine Aufgabe sehen). Aber zwei Dinge dürften völlig klar sein:

  1. Was Lehre und Ordnung der Kirche betrifft, üben Bischöfe kein willkürliches Regime aus, in dem durch eine Art episkopalen Dezisionismus, einer bloßen Setzung durch Entscheidung einsamer oder gemeinsamer Art Lehre und Ordnung allererst geschaffen würden. Sie sind vielmehr synchron und diachron eingebunden in Glaube und Ordnung der Gesamtkirche. Ordnung und Lehre der Kirche sind ihnen gegeben und sie sind daran gebunden. Das ist eigentlich selbstverständlich. Aber mit dem „Synodalen Weg“ und seinen Folgen ist offensichtlich, dass unter – massiver – Verletzung dieser Bindung deutsche Bischöfe ein eigenes Lehramt und eine eigene kirchliche Disziplin schaffen wollen oder zu schaffen gezwungen werden und sich nicht hinreichend widersetzen.
  2. Sie sind durch die zitierten Canones gehalten, Lehre und Ordnung der Kirche öffentlich zu bezeugen und sie wirksam zu schützen.

Im konkreten Fall

Halten wir nun fest: Fiducia supplicans ist ein lehrmäßig und praktisch-kirchenrechtlich verbindliches Dokument. Es handelt sich um eine sogenannte Erklärung des Dikasteriums für die Glaubenslehre. Hinter einer solchen Erklärung steht die Autorität des Papstes hinsichtlich Rechtsetzung und Lehre. Sie verpflichtet die Gläubigen und a fortiori die Bischöfe.

Halten wir weiter fest: Fiducia supplicans bestätigt und bekräftigt die Grundnorm der katholischen Sexualmoral, die auf das Evangelium Jesu zurückzuführen ist und die  in der gesamten Tradition gilt, dass moralisch gute Sexualität ihren Ort einzig in der monogamen Ehe zwischen Mann und Frau hat. In der Handreichung hingegen wird die sexuelle Lebensform von Paaren außerhalb der Ehe ausdrücklich und klar angesprochen und dies geschieht ebenso eindeutig moralisch affirmativ. Gerade auch diese sexuelle Lebensform außerhalb der Ehe soll durch den Segen gestärkt werden. (NB: Wenn Jesus das aramäische Pendant des Wortes porneia – so im griechischen Neuen Testament – gebraucht hat, das deutsch mit “Unzucht” als Sammelbegriff sexueller Sünde wiedergegeben wird, dann meint das jedwede sexuelle Praxis außerhalb der Ehe zwischen Mann und Frau. Philologisch ist diese Semantik im frühjüdischen Kontext vollkommen eindeutig. Jesus affirmiert sie durch Gebrauch, ja er verstärkt sie hinsichtlich der Wurzel von porneia im Herzen. Dies zu bestreiten, ist exegetisch schlicht ein Ausdruck von unerlaubter Unkenntnis oder aber schlimmer Unredlichkeit.)

Halten wir schließlich noch fest: Fiducia supplicans sagt keinesfalls, dass lediglich keine amtlich approbierten liturgischen Formulare erstellt werden sollen, ansonsten Segnungen aber rituelle, liturgische und gottesdienstliche Formen annehmen können (wie die Handreichung ausdrücklich empfiehlt). Fiducia supplicans schließt solche Formen kategorisch aus! (Wir haben das in Protestnote und Brief, wie auch die durch FS bestätigte Grundnorm christlicher Sexualmoral, zitiert.)

Im Blick auf das Verhältnis der – noch einmal! – verbindlichen, lehrmäßigen und praktischen Regelung in Fiducia supplicans zur Handreichung ist also schlicht der ganz offensichtliche und unbestreitbare Widerspruch in den zentralen normativen Grundaussagen festzustellen. Darüber hinaus kann der Umgang der Handreichung mit Fiducia supplicans nur als in schlimmster Weise manipulativ bezeichnet werden: Basisaussagen und Basisnormen werden schlicht verschwiegen. Diese Manipulation ist nicht erträglich. Und sie geschieht offensichtlich absichtsvoll. Eine handwerklich saubere Hermeneutik des Dokuments kommt dagegen zu vollkommen eindeutigen, oben benannten, Ergebnissen. 

Nicht die Launen entscheiden

Dies aber bedeutet für alle Gläubigen, die sich dem Glauben der Kirche und nicht den Launen deutscher Bischöfe und Laienfunktionäre verpflichtet fühlen, Ärgernis und Verwirrung. Die Bischöfe verletzen damit in substantieller und eklatanter Weise ihre Verpflichtung zur Communio mit dem Kollegium der Bischöfe und dem Bischof von Rom, die die Grundlage ihrer legitimen Amtsausübung ist, und sie verletzen ihre Pflicht, Lehre und Ordnung der Kirche zu verkündigen, zu vertreten, zu wahren und zu schützen. Ihre Amtsführung gerät zur Karikatur absolutistisch-dezisionistischer Willkür: L’Église, c’est moi!

Dies verpflichtete uns als Gläubige geradezu dazu, höflich aber bestimmt, die Klärung dieser Verwirrung zu verlangen. In einer solchen Situation nicht zu antworten, setzt hingegen das unerträgliche manipulative Handeln fort. Bischöfe, die offensichtlich nicht mehr bereit sind, in einer solchen Situation mit einem klaren „Ja“ oder „Nein“ zu antworten („Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Bösen.“ Mt 5, 37) verletzen eindeutig ihre Amtspflichten (s.o. die Normen des CIC), sie beschädigen ihr Amt, ja demontieren es. Was sie an Verwirrung und Abfall in den Seelen stiften, werden sie vor ihrem ewigen Richter verantworten müssen. Ich bin fest überzeugt, dass unter den Jasagern keiner ein reines Gewissen hat. Eine so offensichtliche Manipulation kann nur bewusst geschehen. 

Die oben genannten Normen des CIC und ihre ekklesiologische Basis haben grundsätzliche Bedeutung. Sie sind keineswegs fromme Wünsche. Sondern sie binden die Amtsführung eines Bischofs unmittelbar. Daran werden wir, wenn nötig, auch in Zukunft erinnern. Deshalb haben wir jetzt gefragt. Und deshalb lassen wir nicht locker.

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