Manche Menschen werden nachts von Albträumen geplagt, manche Philosophen “gebären” spontan treffende Texte zum Kirchenjahr. Heute ist der Tag, an dem wir Jesus in seinem Leiden begleiten wollen. Heute, wo wir staunen über Jesu übermenschliche Entscheidung, sich ganz in den Willen Gottes zu geben, schenkt uns Helmut Müller diesen wunderschönen Beitrag:
Gründonnerstag. Ich liege mal wieder wach im Bett, oder besser – noch nicht ganz wach – zu einer Tageszeit, in der nach Francisco Goya „der Schlaf der Vernunft“ noch „Ungeheuer gebiert“ . Um sie abzuschütteln, lese ich ein paar Schriften. Ins Auge fällt mir ein Text, in dem Papst Benedikt auf die Fragen einiger Jugendlicher nach dem Sinn des Lebens antwortet. Er erzählt eine Begebenheit aus dem Leben der schwarzen Sklavin Josefine Bakhita (* 1869 -† 1947) aus dem Sudan, die in einem italienischen Kloster lebte. Sie war von arabischen Händlern versklavt worden, kam nach Italien und ließ sich taufen. Nachdem sie das Christentum kennengelernt hatte, trat sie in ein Kloster ein. Beim Besuch des Bischofs fiel sie diesem als schwarze Schwester auf. Dieser war davon überrascht und fragte:
„’Schwester, was tun Sie hier?’ Und Bakhita antwortet. ‚Dasselbe wie Sie’. Sichtlich irritiert sagt der Bischof: ‚Aber Schwester, inwiefern tun Sie dasselbe wie ich?’ ‚Ja’, sagt die Schwester, ‚wir wollen beide den Willen Gottes tun, nicht wahr?’“
Als ich das las, waren die dunklen Gedanken passé. Wie kann jemand, der so Schlimmes erlebt hat, eine solche Antwort geben? Sie war im Alter von sechs oder sieben Jahren von arabischen Sklavenhändlern verschleppt und in den folgenden acht Jahren fünfmal auf Märkten im Sudan verkauft worden. Das Trauma der Entführung ließ sie ihren eigenen Namen vergessen, sodass heute nur der Name bekannt ist, der ihr von den Sklavenhändlern gegeben wurde: Bakhita, das arabische Wort für „glücklich“.
Das fällt mir gerade heute am Gründonnerstag in die Hände, wo Jesus im Garten Gethsemani am Ölberg versprach, den Willen des Vaters zu tun (Matthäus 26,39)! Der Schlaf der Vernunft war abrupt vorbei. Ich wurde hellwach. Christlicher Glaube und aus dem Schlaf geschreckte Vernunft ließen nicht mehr zu, dass Ungeheuer geboren wurden – obwohl die Zeit und auch einige Umstände danach sind.
Schon vor Karfreitag erscheint am Horizont Ostern.
Besinnliche Feiertage und gesegnete Ostern im Sinne Josefine Bakhitas!
Beitragsbild: Hl. Josefine Bakhita (Alamy Bildagentur)
Wer mehr über die Heilige Josefine Bakhita wissen möchte, sei dieser Film von „Kirche in Not“ empfohlen.
Dr. phil. Helmut Müller
Philosoph und Theologe, akademischer Direktor am Institut für Katholische Theologie der Universität Koblenz. Autor u.a. des Buches „Hineingenommen in die Liebe“, FE-Medien Verlag. Helmut Müller ist Mitautor des Buches „Urworte des Evangeliums“.