Die Krise der deutschen katholischen Kirche beschäftigt weltweit journalistische Beobachter. Auf seinem Blog »The American Conservative« analysiert Rod Dreher (Autor der Bestseller »Benedikt Option«, »Live not by Lies«) den Synodalen Weg. Wir dokumentieren den Text mit freundlicher Genehmigung des Autors hier in deutscher Übersetzung.

 

Dissidente Laien in Deutschland enthüllen den schismatischen Radikalismus ihrer Bischöfe auf dem ›Synodalen Weg‹

Ein Freund in den USA schickte mir heute diesen Link zu einem UnHerd-Artikel, in dem Deutschland als »das Bordell Europas« beschrieben wird, weil »industrialisierte Prostitution« und Sexhandel in diesem Land außer Kontrolle geraten sind. Wie aber gehen die katholischen Bischöfe des Landes mit dieser Krise um?
Indem sie die kirchliche Sexualmoral so schnell wie möglich dekonstruieren.

Nicht alle deutschen katholischen Laien sehen tatenlos zu, wie ihre Bischöfe die Kirche zum Implodieren bringen. Die »Initiative Neuer Anfang« versucht, Katholiken auf der ganzen Welt über die Geschehnisse in ihrem Land zu informieren, zum Teil in der Hoffnung, dass sich der Betrug und die Korruption nicht über Deutschlands Grenzen hinaus ausbreiten. Die Gruppe behauptet, dass dies ein Putsch gegen den Katholizismus durch korrupte bischöfliche Eliten ist, wobei die meisten Katholiken entweder aus dem Prozess herausgehalten werden oder sich dafür entscheiden, wegzubleiben, weil sie sich machtlos fühlen, etwas zu ändern. Von der Website (Hervorhebung im Original):

Die wenigsten Katholiken in Deutschland, geschweige denn weltweit, haben sich durch die Papierberge gearbeitet, die im Namen einer viel zitierten „Reform“ dort vorgetragen und beschlossen werden. Obwohl ja dort angeblich die Begehren „der Gläubigen“ und ihre Wünsche nach Reformen diskutiert werden, beteiligen sich faktisch die wenigsten Katholiken an dieser Debatte. Nicht wenige wenden sich auch bewusst ab, weil sie damit nichts zu tun haben wollen.

Ihrer Ansicht nach verbergen die meisten deutschen Bischöfe ihr schlechtes Handeln unter dem Deckmantel von Verwirrung und Bürokratie. Deshalb hätte die Initiative beschlossen …

… Licht ins Dunkel der zahllosen Grundsatz- und Handlungstexte zu bringen. Nicht jeder hat die Zeit, geschweige denn die fachliche Expertise, um sich durch das Material zu arbeiten. Wir haben deswegen Vorarbeit geleistet für Sie und alle Interessierten und sowohl für den Orientierungstext als auch für alle vier Foren des Synodalen Weges jeweils eine Zusammenstellung der wichtigsten Themen und Zitate verfasst und alles auch gleich in mehrere Sprachen übersetzen lassen (Spanisch, Englisch, Italienisch). Wir lassen die Texte für sich selbst sprechen, das bringt mehr Klarheit und Transparenz als die medialen Interpretationen, die zahlreich kursieren und verbreitet werden. Und wir ordnen die Texte knapp ein – auf dem Hintergrund der heute gültigen Lehre der Kirche. Lesen Sie einfach selbst nach, was auf dem deutschen Synodalen Weg wirklich beschlossen wird!

Liebe Bischöfe und Kardinäle, wir bitten Sie: Lesen Sie die Zusammenfassungen der Originalzitate aus den Beschlüssen des Synodalen Wegs und – wenn Sie es für nötig erachten –  nehmen Sie dazu Stellung. Als katholische Laien in Deutschland wollen wir die Einheit der Weltkirche bewahren und bitten Sie um Ihr Gebet und Ihre Unterstützung.

Die maßgebliche Lehre der Kirche negiert

Was der Neue Anfang tut, ist die eigenen Worte der deutschen Bischöfe zu übersetzen und sie zu verbreiten, damit Katholiken auf der ganzen Welt wissen können, was diese Bischöfe tun. Es ist wirklich schockierend. Zum Beispiel macht diese offizielle Erklärung der Bischöfe über die Reformen des Synodalweges deutlich, dass der Boden auf dem sie sich bewegen, die lang etablierte, maßgebliche katholische Lehre negiert:

(30) »Reformen sind ein integraler Bestandteil der Tradition: Der Gottesdienst wandelt sich; die Lehre entwickelt sich; die Caritas entfaltet sich. In ihrer Dynamik ist die Tradition der Prozess, die gegenwärtige Gestalt der Kirche und des Glaubens zu überprüfen, um sie immer neu als Gottes Gabe zu empfangen und zu gestalten. Die Tradition der Kirche ist offen für den Kontext neuer Entdeckungen, neuer Einsichten, neuer Erfahrungen, die den überlieferten Glauben herausfordern und nach neuen Antworten verlangen, die die geoffenbarte Wahrheit Gottes tiefer bezeugen, dem Wachstum der Kirche dienen, der Verkündigung des Evangeliums und der Weggemeinschaft mit allen Menschen, denen Gottes Gnade gilt. Die Philosophie und die Weisheit der Völker, die Wissenschaft und die Künste, das Leben der Menschen und die soziale Arbeit der Kirche waren und sind inspirierende Faktoren für die Weiterentwicklung und immer wieder neue Entfaltung der Tradition. Prophetische Stimmen finden sich nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb der Kirche. Die Lebensverhältnisse und -einstellungen der Menschen ändern sich im Laufe der Zeit; diese Veränderungen werden von der Tradition mitgeprägt und prägen sie mit.«

Zeitgeist wichtiger als Heiliger Geist

Traditionelle Anglikaner, Episkopale und Gläubige anderer protestantischer Haupttraditionen wissen jetzt genau, worum es hier geht. Es ist die ungeschönte Behauptung, dass der Geist des aktuellen Zeitgeschehens wichtiger ist als der Heilige Geist, wie er durch die Heilige Schrift und die autoritative Tradition zum Ausdruck kommt.

Schauen Sie sich diese Passagen aus den Synodaldokumenten an (die Hervorhebung stammt wieder von Neuer Anfang):

(287-290): »Gottes Offenbarung ist ein für alle Mal ergangen – doch ihre Aufnahme und Interpretation erfolgen auf menschliche Weise, d. h. im Rahmen geschichtlicher und kulturell bestimmter Verständigungsprozesse, schon in der Bibel.«

(329-333): »Wir wollen theologische Vielfalt in kirchlicher Einheit leben lernen. Pluralität als legitime Vielfalt verschiedener Kernüberzeugungen – auch innerkirchlich Kirche und Theologie waren und sind plural. Vielfalt stellt weder eine Schwäche der Kirche noch ein Führungsversagen der Verantwortlichen dar.«

(343-359): »Das entbindet nicht davon, nach dieser heilsgeschichtlichen Wahrheit in der Unterschiedlichkeit der Zeiten, Kulturformen und konkreten gesellschaftlichen Herausforderungen immer neu zu suchen. Von der einen uns anvertrauten Wahrheit sprechen kann man redlicherweise nur, wenn man um die Komplexität solcher An- und Zugänge weiß und den diskursiven Raum hierfür uneingeschränkt öffnet. Ein solcher ambiguitätssensibler Umgang mit Komplexität ist dem geschichtlichen Charakter der Heilswahrheit geschuldet und erweist sich zugleich gerade heute als Grundsignatur intellektueller Zeitgenossenschaft. Er ist daher Grundvoraussetzung heutiger Theologie. Für sie gibt es nicht die eine Zentralperspektive, nicht die eine Wahrheit der religiösen, sittlichen und politischen Weltbewährung und nicht die eine Denkform, die den Anspruch auf Letztautorität erheben kann. Auch in der Kirche können legitime Anschauungen und Lebensentwürfe sogar im Hinblick auf Kernüberzeugungen miteinander konkurrieren. Ja, sie können sogar zugleich den jeweils theologisch gerechtfertigten Anspruch auf Wahrheit, Richtigkeit, Verständlichkeit und Redlichkeit erheben und trotzdem in der Aussage oder in der Sprache widersprüchlich zueinander sein«.

Was ist Wahrheit?

Im Klartext: Die deutschen Bischöfe leugnen Wahrheit. Sie versuchen, einen Raum für den radikalen theologischen Dissens innerhalb der katholischen Kirche zu eröffnen. Wenn sie die volle Macht erlangen, werden sie diesen Raum natürlich abriegeln. Das ist die Erfahrung von fast jeder Kirche, die von Progressiven übernommen wurde. Diese Falle ist den traditionalistischen Protestanten innerhalb der Hauptströmung ihrer Kirchen sehr vertraut. In jedem Fall ist es offensichtlich absurd, wenn katholische Bischöfe – wohlgemerkt katholische Bischöfe! – behaupten, dass es innerhalb des Katholizismus eine »legitime Vielfalt unterschiedlicher Kernüberzeugungen« gäbe. Diese Behauptung zielt auf den Kern dessen, was es bedeutet, katholisch zu sein, im Sinne von: Unter der Autorität des Papstes, der Bischöfe und des Lehramtes zu stehen.

Die Synode bringt das Verlangen zum Ausdruck, das Priestertum von einem sakramentalen Modell zu einem protestantischen Predigermodell umzudefinieren. Die Hauptaufgabe der Priester soll also die Verkündigung des Wortes sein, und nicht die Feier der Messe. Und sie wollen Frauen- und Weiß-Gott-was-sonst-noch-Priester:

57-64): »Dazu gehört unabdingbar, die unterschiedlichen theologischen Positionen unter der Perspektive der Geschlechtergerechtigkeit zu reflektieren, dabei in einen engen Austausch mit den Sozialwissenschaften, Kulturwissenschaften und Humanwissenschaften zu treten und deren gendertheoretische Reflexionen konstruktiv aufzugreifen. In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass es Menschen in der Römisch-katholischen Kirche gibt, die ihre geschlechtliche Identität nicht in der Unterscheidung von Mann und Frau angemessen aufgehoben erfahren

(187-191): »Geschlechtergerechtigkeit ist gegeben, wenn jede Person im jeweiligen gesellschaftlichen Kontext unabhängig von ihrer Geschlechtszugehörigkeit bzw. -identität gleiche Rechte und gleiche Chancen der Teilhabe an Gütern und des Zugangs zu Positionen hat und dadurch ein selbstbestimmtes Leben führen kann.«

(223): »Geschlecht ist daher – im Sinne von Gender – mehrdimensional zu sehen.«

Mehr dazu hier; mit »Ordinatio sacerdotalis« hat Papst Johannes Paul II. die Priesterweihe für Frauen ein für alle Mal ausgeschlossen:

(1162-1164): „Damit wird ein sacerdotal-kultisches Amtsverständnis überwunden, das in Spätantike und Scholastik zu einer Neudeutung des Priestertums führte, die in der Darbringung des Messopfers dessen wichtigste Aufgabe festschrieb.“

(45-52): Das Synodal-Forum III fragt »die höchste Autorität in der Kirche (Papst und Konzil), ob die Lehre von OS nicht geprüft werden muss«.

Und am Ende, wenn Sie dann immer noch nicht mit den Revisionen der Progressiven einverstanden sind? – Nun, dann vergessen Sie am besten das Gerede über eine Vielzahl von Wahrheiten:

(Handlungstext „Enttabuisierung“, Nr. 3.): »Wer diskriminierende Haltungen zeigt, kann keine Verantwortungs- und Leitungspositionen innehaben. Um die Sensibilisierung zu unterstützen, arbeitet die katholische Kirche in Deutschland mit kirchlichen, staatlichen und zivilgesellschaftlichen Antidiskriminierungsstellen zusammen.«

Sex und Lügen

Hier geht es vor allem um Sex, natürlich. Das ist es immer. Laden Sie diese PDF-Übersetzung einiger Synodenerklärungen zur Sexualität herunter. Darunter:

(Präambel): „Wir sehen heute, dass kirchliche Sexualethik auch Verbrechen der sexualisierten Gewalt in der Kirche begünstigt hat.“

Die Dreistigkeit dieser Leute! Zu behaupten, die katholische Sexuallehre zwinge Priester dazu, Kinder und Minderjährige, insbesondere Jungen, zu belästigen und zu missbrauchen! Das ist obszön, einfach obszön. Aber das ist noch nicht alles:

(Präambel): „Wir verpflichten uns, jede*r in ihrer* seiner Verantwortung, unter Beachtung der Erkenntnisse der Humanwissenschaften und in Verwirklichung der Botschaft Jesu von der Liebe Gottes zu allen Menschen für eine Veränderung der Lehre und der Praxis der Kirche im Umgang mit menschlicher Sexualität Sorge zu tragen. … Insbesondere die Lehre, die den Geschlechtsverkehr nur im Rahmen einer rechtmäßigen Ehe und nur in der ständigen Offenheit zur Zeugung von Nachkommen für ethisch legitim erachtet, hat zu einem weitgehenden Bruch zwischen Lehramt und Gläubigen geführt.“

(B.7.2.):Selbststimulierende Sexualität ist keine Form reiner Selbstverliebtheit, sondern eine weitere wichtige Form menschlicher Sexualität neben zwischenmenschlichen Beziehungen.“

Sie verpflichen sich, daran zu arbeiten, die Lehre der Kirche über Sex und Ehe zu kippen. Und darin gehen sie soweit, jeden Selbstschutz niederzureißen. Sodann:

A.1.): „… dass »Homosexualität (…) kein Risikofaktor für sexuellen Missbrauch [ist] und belegt somit die Notwendigkeit einer Veränderung der kirchlichen Lehre in Bezug auf Partner*innenschaft und Sexualität

Das ist gleich eine zweifache Lüge. Erstens ist diese dreiste Behauptung, Homosexualität sei kein Risikofaktor für sexuellen Missbrauch, natürlich die offizielle Geschichte der Medien, aber sie widerspricht völlig den Tatsachen. In den USA stellte der John Jay Report beispielsweise fest, dass über 80 Prozent der Missbrauchsopfer männlich waren. Darüber hinaus gab es in den Seminaren und im Klerus Netzwerke von Homosexuellen, die zwar nicht notwendigerweise zu Missbrauch führten, es aber den durch homosexuellen Sex kompromittierten Priestern schwer machten, sich gegen den Missbrauch von Minderjährigen auszusprechen. Der verstorbene Richard Sipe war ein kirchlicher Liberaler und der führende Wissenschaftler auf dem Gebiet des klerikalen Sexualverhaltens. Er sagte mir 2002 ganz offen, dass schwule Männer nicht zum Priesterseminar zugelassen werden sollten, nicht weil sie keine guten Priester sein könnten – auch hier war er liberal – sondern zu ihrem eigenen Schutz. Die Netzwerke seien so allgegenwärtig und so aggressiv, dass es für einen Mann mit gleichgeschlechtlicher Anziehung sehr schwierig sei, keusch zu bleiben. Und wenn er auch nur ein einziges Mal fallen würde, wäre er „gezähmt“, so Sipe – das heißt, die Jäger (predators) innerhalb des Netzwerks wüssten, dass sie sich keine Sorgen machen müssten, von ihm angegriffen zu werden, weil er erpressbar sei.

Um es klar zu sagen: Schwul zu sein bedeutet nicht, dass man ein Missbrauchstäter ist! Natürlich sind auch Heterosexuelle nicht frei von dieser Sünde und dieser kriminellen Veranlagung. Aber es ist einfach eine Lüge zu behaupten, dass Homosexualität in der katholischen Priesterschaft nichts mit dem Missbrauchsskandal zu tun hat.

Gefühl sticht Wahrheit

Aber selbst wenn es wahr wäre, dass Homosexualität kein Risikofaktor für sexuellen Missbrauch ist, würde das logischerweise keineswegs bedeuten, dass die katholische Kirche ihre Lehre über Sexualität ändern muss. Die Bibel sagt nicht, was sie über Homosexualität sagt, weil Schwule ein Risiko für den sexuellen Missbrauch von Kindern darstellten. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass den Synodenteilnehmern das bewusst ist. Sie versuchen lediglich, mit dieser trügerischen Logik den Bruch mit der katholischen Lehre zu erzwingen.

Mehr:

(A.2.1.): »Zu viele gläubige Menschen … empfinden … einen nicht mehr zu überbrückenden Abstand zwischen den Deutungen und Normierungen der kirchlichen Sexuallehre einerseits und ihren eigenen sexuellen Erfahrungen andererseits. Auch sie erleben, wie der christliche Glaube froh- und freimachende Beziehungen ermöglicht – selbst in Konstellationen, die das Lehramt derzeit noch als illegitim bezeichnet …«

(A.2.3.): »Es entspricht dem Lebensgefühl und dem Selbstanspruch von Menschen sowie ihrem Recht, heute eigenverantwortlich ihr Leben zu führen. Sie wissen sich damit in Übereinstimmung mit der biblischen Tradition wie der kirchlichen Lehre, die beide die hohe Bedeutung selbstbestimmter wie selbstverantworteter Lebensführung unterstreichen … Das umfasst auch die Selbstbestimmung im Bereich seiner Sexualität

Die deutschen katholischen Bischöfe, die diesen Weg der Synode mitgehen, wollen behaupten, dass die Kirche keine legitime Autorität zur Verkündigung der Sexuallehre hat. Dass Sex die Sache des autonomen Individuums sei. Denn einige Laien empfinden ihre sexuellen Beziehungen als „freudvoll und befreiend“, und diese Gefühle übertrumpfen die biblische Wahrheit. Ich stelle mir gerade vor, wie die deutschen Bischöfe Moses auf dem Gipfel des Sinai sagen, dass die Israeliten eine irreparable Diskrepanz zwischen den Interpretationen und Normen des Gesetzes einerseits und ihren eigenen freudigen und befreienden religiösen Erfahrungen bei der Anbetung eines goldenen Kalbs andererseits spüren.

Und ja, sie werden die Kirche nicht nur hinter den Kulissen, sondern auch öffentlich in Misskredit bringen:

(24-26): „Zu jeder menschlichen Person gehört untrennbar ihre sexuelle Orientierung. Sie ist nicht selbst ausgesucht und sie ist nicht veränderbar. … Da die homosexuelle Orientierung zum Menschen gehört, wie er*sie von Gottgeschaffen wurde, ist sie ethisch nicht anders zu beurteilen als die heterosexuelle Orientierung.“

(34-42):Verantwortete genitale Sexualität in Beziehungen zu einer anderen Person orientiert sich an der Achtung der Würde und der Selbstbestimmung, der Liebe und der Treue, der Verantwortung füreinander sowie den je spezifischen Dimensionen von Fruchtbarkeit. Sie vollzieht sich in Beziehungen, die auf Ausschließlichkeit und auf Dauer angelegt sind.Gleichgeschlechtliche – auch in sexuellen Akten verwirklichte – Sexualität ist damit keine Sünde, die von Gott trennt, und sie ist nicht als in sich schlecht zu beurteilen. Sie ist vielmehr an der Verwirklichung der genannten Werte zu messen.“

Da ist sie. Eine leuchtend rote Linie. Was die Bibel sagt, ist Sünde, und was die katholische Kirche seit fast zweitausend Jahren als sündhaft betrachtet, ist – Simsalabim! – nicht länger eine Sünde. So sagen es die deutschen Bischöfe. Und wenn jemand in der deutschen Kirche versucht, auf der Grundlage der Lehren der katholischen Kirche einzustellen und zu entlassen:

(65-69): „Es ist in die Grundordnung eine Nichtdiskriminierungsklausel einzufügen, die es kirchlichen Arbeitgebern verbietet, eine Person aufgrund ihrer geschlechtlichen
Identität oder ihrer persönlichen Lebensform nicht einzustellen oder einer kirchlichen Mitarbeiterin oder einem kirchlichen Mitarbeiter aus diesen Gründen zu kündigen.“

Und:

(Antrag 2.2.): „Katholische Institutionen, verantwortliche Personen der Kirche und katholische Politiker*innen dürfen nichtweiter unsere trans- und intergeschlechtlichen (aber auch homo- und bisexuellen) Geschwister im Glauben verächtlichmachen, vor allem unter dem pauschalen Vorwurf der „Gender-Ideologie“ oder der „LSBTIQ Agenda“. Auf diese Weise werden bisher Feindbilder geschaffen und geschürt, die in manchen Fällen sogar mit Menschenrechtsverletzungen … einhergehen.“

Der Neue Anfang hat auch Medieninterviews mit wichtigen Synodenvertretern übersetzt. Hier ist zum Beispiel ein Ausschnitt aus einem Interview mit Helmut Dieser, dem Bischof von Aachen:

Sie haben kürzlich gesagt, Homosexualität sei gottgewollt. Was meinen Sie damit?

Bischof Dieser: Homosexualität ist – das zeigt die Wissenschaft – keine Panne, keine Krankheit, kein Ausdruck eines Defizits, übrigens auch keine Folge der Erbsünde. Dann muss ich doch sagen: Die Welt ist bunt, und die Schöpfung ist vielfältig. Und dann darf ich auch im Bereich der Sexualität eine Vielfalt annehmen, die von Gott gewollt ist und nicht gegen den Schöpferwillen verstößt.

Gott hat eigentlich nichts dagegen, wenn ein Mann einen Mann oder eine Frau eine Frau liebt?

Bischof Dieser: Gleichgeschlechtliches Empfinden und Lieben ist keine Verirrung, sondern eine Variante menschlicher Sexualität.

Kein Redebedarf zu Inkarnation und Trinität

Hier folgen Auszüge aus einem Stern-Interview mit Kardinal Reinhard Marx, dem Erzbischof von München, aus dem vergangenen März (und ins Englische übersetzt vom Neuen Anfang):

Sie haben als Erzbischof und erster Kardinal einen Queer-Gottesdienst gefeiert. Galt Homosexualität in der Kirche nicht kürzlich noch als Sünde?

Marx: Homosexualität ist keine Sünde. Es entspricht einer christlichen Haltung, wenn zwei Menschen, egal, welchen Geschlechts, füreinander einstehen, in Freude und Trauer. Ich spreche vom Primat der Liebe, gerade in der sexuellen Begegnung. Aber ich muss eingestehen, dass ich mir vor zehn oder fünfzehn Jahren selbst noch nicht hätte vorstellen können, eines Tages diesen Gottesdienst so zu feiern. Nun habe ich mich sehr darauf gefreut.

Warum jetzt?

Marx: In der Erzdiözese versuchen wir seit Jahren, Möglichkeiten zu finden, um queere Menschen einzubeziehen. Seit 20 Jahren gibt es diese queere katholische Gemeinde, die regelmäßig Gottesdienst feiert und mich zu diesem Jubiläum eingeladen hat. Sie haben Anfeindungen erlebt, und mir ist es wichtig geworden, dass sie in der Kirche Heimat finden.

Ein Kardinal mit Regenbogenfahne am Altar, das muss viele Konservative provozieren. Hat sich Rom schon gemeldet?

Marx: In den vergangenen Jahren habe ich einige Briefe zu dem Thema erhalten, aber ich denke, dass ich das Richtige tue. Ich fühle mich seit Jahren freier zu sagen, was ich denke, und will die kirchliche Lehre weiterbringen. Auch die Kirche wandelt sich, geht mit der Zeit: LGBTQ+-Menschen sind Teil der Schöpfung und von Gott geliebt, und wir sind gefordert, uns gegen Diskriminierung zu stellen. Die Kirche ist in manchem vielleicht langsamer, aber das ist ja nun eine Entwicklung, die überall stattfindet. Die meisten Unternehmen hätten noch vor wenigen Jahren keine offen homosexuell lebenden Vorstandsmitglieder akzeptiert.

Keine Firma hatte Homosexualität als Sünde im Firmenstatut definiert.

Marx: Was haben Sie denn ständig mit der Sünde? Es muss um die Qualität von Beziehungen gehen. Diese Frage ist bei einigen in der Kirche nicht ausreichend diskutiert worden, da haben Sie recht. Aber Sünde bedeutet die Abkehr von Gott, vom Evangelium, und das kann man nicht allen Menschen unterstellen, die gleichgeschlechtliche Liebe leben, und obendrein sagen: weg mit ihnen.

Bitte erklären Sie, wie homosexuelle, queere oder Transmenschen in der katholischen Lehre unterkommen sollen.

Marx: Eine inklusive Ethik, die wir uns vorstellen, ist nicht etwa laxer – wie manche behaupten. Es geht um etwas anderes: um Begegnung auf Augenhöhe, um Respekt vor dem anderen. Der Wert der Liebe zeigt sich in der Beziehung; darin, den anderen nicht zum Objekt zu machen, ihn nicht zu gebrauchen oder zu erniedrigen, in Treue und verlässlich zueinander zu stehen. Der Katechismus ist nicht in Stein gemeißelt. Man darf auch in Zweifel ziehen, was da drinsteht. Wir hatten diese Fragen anlässlich der Familiensynode diskutiert, aber es gab Hemmungen, etwas festzuschreiben. Schon damals sagte ich: Da leben Menschen in einer innigen Liebesbeziehung, die auch eine sexuelle Ausdrucksform hat. Und wir wollen sagen, die sei nichts wert? Klar, es gibt Leute, die Sexualität auf Fortpflanzung beschränkt sehen wollen, aber was sagen die zu Menschen, die keine Kinder bekommen können? Ich komme mir aber etwas seltsam dabei vor, zu sehr über Details von Geschlechtlichkeit zu reden …

Der Kardinal beklagt sich, dass der Interviewer ihn über andere christlichen Lehrinhalte befragen will, gibt dann aber auch zu, dass an einer Diskussion über Inkarnation und andere Themen »kein Redebedarf« besteht. Damit hat er zwar Recht, aber zugleich gilt auch etwas anderes. Wenn der Kardinal Recht damit hat, dass eine 2000jährige, tief in der Heiligen Schrift und dem biblischen Menschenbild verankerte Morallehre der Kirche durch Mehrheitsvotum der Bischöfe umgestoßen werden kann, wen soll es dann noch interessieren, was Bischöfe über die Menschwerdung oder zu irgendeinem anderen Thema zu sagen haben? Sie hätten damit lediglich den Anspruch der katholischen Kirche auf Lehrautorität ad absurdum geführt.

Es scheint mir klar zu sein, dass sich die institutionelle deutsche Katholische Kirche im Schisma befindet. Diesen Eindruck teilen auch für die Leute vom Neuen Anfang. Sie haben nach der vierten Synodalversammlung im September eine Pressemitteilung herausgegeben, in der es u.a. heißt:

Die Initiative »Neuer Anfang« sieht in der 4. Vollversammlung des Synodalen Weges die Geburtsstunde einer deutschen Nationalkirche. Am 21. Juli hatte der Heilige Stuhl noch unmissverständlich erklärt: »Der ›Synodale Weg‹ in Deutschland ist nicht befugt, die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten.« Heute wissen wir: Gegen diese Weisung haben die Synodalen mitsamt der Mehrheit der deutschen Bischöfe in Geist und Buchstaben und sogar mit erklärter Absicht verstoßen.

Sie stimmten Texten zu, in denen das Lehramt der Kirche unterminiert, die bischöfliche Vollmacht untergraben und die kontinuierliche Lehre der Kirche zur christlichen Anthropologie (»geschaffen als Mann und Frau«), zu Liebe, Ehe und Sexualität zerstört wird. Mehr noch, das Präsidium kündigte gar an, das ablehnende Abstimmungsergebnis gegen den Grundtext zu Forum IV »Leben in gelingenden Beziehungen« nicht respektieren zu wollen.

Nachdem das Papier, das auf skandalöse Weise homosexuelle und bisexuelle Praxis moraltheologisch in den Rang einer Normvariante menschlicher Sexualität hebt, von 21 mutigen Bischöfen in der Abstimmung zu Fall gebracht wurde, erklärten mehrere Bischöfe – wider jede Synodalität und jedes Demokratieverständnis – sie würden sich dennoch in ihren Bistümern weiter an der abgelehnten Vorlage orientieren. Bischof Georg Bätzing gab im Alleingang kund, den Text werde er trotzdem in den weltweiten synodalen Prozess einbringen und auch zum ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe in Rom einreichen. Wir fragen: Wozu dienen fortan noch Debatten und Abstimmungen auf dem Synodalen Weg, wenn jedes „ungewollte“ Ergebnis schlicht ignoriert wird – und das selbst vom Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz?

Mehr:

Einige Bischöfe (darunter auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz) haben bereits angekündigt, dass sie selbst dann, wenn ihre „Vorschläge“ in Rom abgelehnt werden, in ihren Diözesen durch praktische Umsetzung Fakten schaffen wollen. Das „Zeugnis der Einheit, mit dem der Leib der Kirche seine Treue zu Christus dem Herrn bekundet“, wie es in der Erklärung des Heiligen Stuhls heißt, wird mit der Ankündigung mit Füßen getreten. Neben dem „römischen Katholiken“ gibt es einen neuen „deutschen Katholiken“.

Die Gläubigen, die sich mit dem verbindlichen Glauben der Kirche identifizieren, werden von der Mehrheit der deutschen Bischöfe fortan allein gelassen. Wie sollen sie „ihren“ Bischöfen vertrauen, wenn diese mehrheitlich die Wahrheiten, die kraft des göttlichen und katholischen Glaubens zu glauben sind, leugnen und damit die Gemeinschaft mit der Weltkirche schwer beschädigt, wenn nicht gar gebrochen haben (vgl. 751 CIC)?

Die aktuellen Entscheidungen bringen vor allem die Priester in eine prekäre Situation: Schon wenn ein Priester oder Religionslehrer die verbindliche Ethik der Kirche vertritt, wenn er in Katechese und Predigt dafür eintritt, gerät er im Horizont des Synodalweges sofort ins kirchliche „Aus“ und wird sogar zur Disziplinierung freigegeben.

Eine Kirche von enormer Finanzkraft

(…) Gott sei Dank für diese mutigen Katholiken. Die katholische Kirche in Deutschland ist vielleicht die reichste katholische Teilkirche der Welt. Vor ein paar Jahren hat der katholische Schriftsteller Phil Lawler erklärt, warum das so ist und warum es so korrumpierend ist.

Auszug:

Betrachten wir zunächst das Geld, das in die katholische Kirche fließt – nicht weil die Gläubigen bei der Messe Geld in den Kollektenbeutel werfen, sondern weil sie gesetzlich verpflichtet sind, einen Prozentsatz ihres Einkommens an die Kirche abzuführen. Das deutsche Recht schreibt vor, dass jemand, der als Mitglied einer religiösen Gemeinschaft registriert ist, die »Kirchensteuer« zahlen muss, die vom Staat eingezogen wird. Der Reichtum der katholischen Kirche in Deutschland kommt also direkt vom Staat und nur indirekt von den Gläubigen. Das Potenzial für Korruption – das Verbiegen kirchlicher Positionen, um reibungslose Abkommen mit der Regierung zu gewährleisten – sollte offensichtlich sein.

Wenn ich sage, dass die Gelder indirekt von den »Gläubigen« kommen, so ist dieser Begriff sehr weit gefasst. Ein deutscher Bürger ist verpflichtet, die »Kirchensteuer« zu zahlen, unabhängig davon, ob er sich aktiv in seiner Gemeinde engagiert oder nicht. Jeder, der als Katholik registriert ist, ob er nun jemals in einer Pfarrkirche auftaucht oder nicht, ist zur Zahlung verpflichtet.

Diese merkwürdige Politik hat zwei Folgen. Erstens verfügt die katholische Kirche über eine enorme Finanzkraft. Zweitens hat die katholische Hierarchie einen klaren und zwingenden Anreiz, die Zahl der Menschen zu maximieren, die als Katholiken registriert sind – unabhängig davon, ob sie ihren Glauben praktizieren oder nicht.

Der finanzielle Reichtum der Kirche in Deutschland ist atemberaubend. Die »Kirchensteuer« hat in den letzten drei Jahren jeweils mehr als 5 Mrd. Euro (…) eingebracht, wobei die tatsächlichen Einnahmen tendenziell steigen. Diese enormen Einnahmen ermöglichen es der deutschen Hierarchie, ein breites Spektrum an medizinischen, Bildungs- und Sozialprogrammen zu finanzieren. Tatsächlich ist die katholische Kirche der zweitgrößte Arbeitgeber des Landes, nach der Regierung!

Im vergangenen Jahr hat die Welt viel über den »Bishop Bling« gehört: Bischof Franz-Peter Tebartz van Elst, der von seinem Amt als Bischof der Diözese Limburg zurücktrat, nachdem er dafür kritisiert worden war, dass er 43 Millionen Dollar für die Umgestaltung seiner Residenz und seines Diözesansitzes ausgegeben hatte. In Wahrheit unterscheidet sich sein Ausgabenverhalten jedoch nicht grundlegend von dem anderer deutscher Prälaten. So hat beispielsweise Kardinal Reinhard Marx aus München, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und Mitglied des Kardinalsrates des Papstes, stolze 186 Millionen Dollar für seinen eigenen neuen Sitz der Erzdiözese ausgegeben.

Ein deutscher Kardinal kann ein Gehalt von etwa 16.000 Dollar im Monat beziehen – etwa das Dreifache dessen, was sein amerikanisches Pendant erhalten würde. In diesem Betrag sind Wohnsitz, Auto, Lebensmittel, Gesundheitsfürsorge und Reisekosten nicht enthalten, die alle übernommen werden. Kurz gesagt, ein deutscher Prälat erhält eine Vergütung, wie man sie von einem leitenden Angestellten eines Unternehmens erwarten würde – was er im Grunde auch ist. Aber es gibt einen entscheidenden Unterschied: Der Prälat wird vom Staat bezahlt.

Der Staat zahlt jedoch nur, weil sich die Bürger als Katholiken registrieren lassen. Wenn die Zahl der registrierten Katholiken sinkt, sinken auch die Entschädigungen für die Bischöfe und die staatliche Unterstützung für von der Kirche geförderte Programme. Daher schauen die Bischöfe mit Argwohn auf Katholiken, die ihre Kirchenzugehörigkeit nicht registrieren lassen.

In der Tat hat die deutsche Hierarchie Schritte unternommen, um nicht registrierten Katholiken die Sakramente zu verweigern.

Diese Situation kann nicht von Dauer sein.


Rod Dreher
Der US-Amerikaner ist orthodoxer Christ, Autor zahlreicher Bestseller und leitender Redakteur bei der Zeitschrift The American Conservative. In seinen Texten befasst er sich mit den Überschneidungen zwischen Religion, Kultur und Politik. Dreher war unter anderem Kolumnist für die New York Post, die Dallas Morning News und die National Review. Zu seinen Büchern gehören die beiden New York Times-Bestseller „Die Benedikt Option“ (2017) und The Little Way of Ruthie Leming (2013) sowie Bände zu so unterschiedlichen Themen wie Dante Alighieri und dem traditionellen Konservatismus in der modernen Welt. Zuletzt erschien von ihm der New York Times-Bestseller „Live Not By Lies: A Manuel for Christian Dissidents„. Dreher lebt derzeit n Ungarn.

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