In der Tagespost hat der ehemalige Chefredakteur des Kolpingmagazins, Martin Grünewald, den Finger in die Wunde gelegt: Eine einschränkungslos offene Debatte um das Abtreibungsrecht entspricht nicht dem bisherigen Selbstverständnis des Verbands. Und es ist klar: Dieses „bisherige“ Selbstverständnis ist schlicht das christliche, katholische, kirchliche. Selbstverständlich? Sein Nachfolger Christoph Nösser widerspricht Grünewald – und leistet für Kolping den Offenbarungseid. Ein sehr kurzer Kommentar dazu von Martin Brüske.

Kolping ist pleite. Nicht finanziell. Sondern geistig und geistlich. Als Verband nämlich, der sich nach wie vor als „katholischer Sozialverband“ bezeichnet. Denn „katholisch“ ist kein äußerliches und schon gar kein beliebiges Etikett. Die katholische Kirche ist kein Sammelsurium, sondern eine strukturierte Gemeinschaft des Glaubens, des Ethos, des Rechts und des Gottesdiensts. Dass jeder Mensch ohne Ausnahme von der Zeugung bis zu seinem Ende Träger von gottebenbildlicher Würde und damit des elementarsten aller Rechte, des Lebensrechts ist, kann kein Gegenstand offener Debatte sein. Diese Aussage ist nämlich ein absolutes Essential. Schon die Didache, eine der ersten Kirchenordnungen, vermutlich um 90 n. Chr. verfasst, sagt in ihrem Taufethos, das für die verbindlich ist, die Christen werden: Christenmenschen treiben nicht ab und töten keine Kinder. Das allein ist der Weg des Lebens. Im radikalen Kontrast zur damaligen Umwelt. Übrigens: Diese Kontrastethik haben zunächst auch viele Zeitgenossen nicht verstanden. Am Ende des Tages war gerade sie extrem erfolgreich. Auch das hat Nösser nicht begriffen.

Vor allem aber hat er eins nicht begriffen: Ein sich „katholisch“ nennender Verband, der nur noch die Pluralität der Gesellschaft widerspiegelt, vermischt mit unverbindlichen katholischen Resten, hat sich aufgegeben. Nösser macht das zum Programm. Damit leistet er den Offenbarungseid.


Dr. theol. Martin Brüske
Martin Brüske, Dr. theol., geb. 1964 im Rheinland, Studium der Theologie und Philosophie in Bonn, Jerusalem und München. Lange Lehrtätigkeit in Dogmatik und theologischer Propädeutik in Freiburg / Schweiz. Unterrichtet jetzt Ethik am TDS Aarau.


Quelle: Adobe Stock (bearbeitet)

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