„Die Einforderung von Gehorsam ohne Einsicht“ birgt „die Gefahr einer Spaltung der christlichen Glaubensgemeinschaft“ in sich, so argumentieren die Autoren im Handlungstext „Frauen im sakramentalen Amt“ des Forums III auf dem Synodalen Weg zu Recht (S. 2, Grundtext, S. 23). Ja, es braucht Einsicht in die tiefere Weisheit, dass es sich nicht um eine Geschlechter-Ungerechtigkeit handelt, wenn nur Männer Priester werden können. Und dass eine Austauschbarkeit der Geschlechter in diesem besonderen kirchlichen Amt auch gar nicht wünschenswert ist. Die Feststellung von Johannes Paul II. in „Ordinatio Sacerdotalis“ (1994), die Lehraussage von Paul VI. („Inter Insigniores“, 1976) bestätigend, kann als eine Art „Basta“-Verlautbarung missverstanden werden, wenn man nicht erkennt, dass das natürliche Geschlecht keine nebensächliche oder gar machtspielerische Angelegenheit ist.

Gefahr eines Schismas

Zu Recht weisen die Autoren daher auf die Gefahr einer Spaltung hin: die lehramtlichen Äußerungen von 1976 und 1994 sind Reaktionen auf Entscheidungen in der anglikanischen Kirche, die Weihe von Diakoninnen und dann von Priesterinnen einzuführen. Sie haben in der Tat den Graben zwischen den Konfessionen vertieft. Von daher erklärt sich die Skepsis gegen die Einführung eines Diakoninnen-Amts, selbst wenn es nicht in den Dreistufigen Ordo (Diakon – Priester – Bischof) eingefügt werden würde.

Gottes Wille heute?

Der tiefe Zweifel der Autoren, dass wir Gottes Willen als gültig für damals und heute erkennen können, betrifft die Grundfrage: Wie stark ist der biologische Unterschied zwischen Männern und Frauen für die Ämterfrage zu gewichten? Gesellschaftlich sehen wir: Männer können Haushalt und Krankenpflege, Frauen werden Kanzlerin oder Managerin. Nun auch Priesterin? Wenn es nach den Forderungen des Forums III (Grundtext und Handlungstexte „Diakonat der Frau“ und „Frauen im sakramentalen Amt“ zur ersten Lesung, 2.2.22) geht, stünde dem nichts im Wege.

Warum gibt es die sexuelle Differenz überhaupt?

„Jede Epoche hat – Heidegger zufolge – eine Sache zu ‚bedenken‘. Nur eine. Die sexuelle Differenz ist wahrscheinlich diejenige unserer Zeit“ (Luce Irigaray).1 Über die Geschlechter-Differenz neu nachzudenken, ist unerlässlich, weil viele Theologen und Laien des Synodalen Wegs Gender-Theorien positiv aufgreifen, in denen die Differenz massiv hinterfragt bis für unwichtig erklärt wird. Über die Geschlechter-Differenz nachzudenken, scheint dem Konservativen müßig: er meint, immer schon zu wissen, was Männer und Frauen sind, und lebt selbstverständlich in dieser Gewissheit. Daher widmen sich eher progressive Zeitgenossen dieser Frage, die durch ihr sexuelles Begehren, das sich anders als herkömmlichen Normen entsprechend bekundet, zum Nachdenken über das bisherige Verständnis von Männern und Frauen und ihren Aufgaben im Leben gedrängt wurden. Judith Butler2 und Theoretiker in ihrer Nachfolge verstehen es, den Unterschied der biologisch-leiblichen Vorgaben eines Menschen – verkürzt gesagt – auf die Bedeutung der Haarfarbe oder eines Charakterzugs zu minimieren, um den homoerotischen Lebensstil in eine neue anthropologische Norm zu überführen.

Mann-Sein – ein Persönlichkeitsmerkmal unter vielen?

Je geringer die Geschlechter-Differenz bewertet wird, umso leichter ist ein Egalitätsdenken bzw. eine vermeintliche Geschlechtergerechtigkeit durchzusetzen. Diese Tendenz betrifft sowohl das Sakrament der Ehe (Forum IV) wie auch das Sakrament der Priesterweihe (Forum III). Wenn Geschlecht als etwas Fluides, Veränderbares, als ein Persönlichkeitsmerkmal neben z.B. der Freundlichkeit eines Menschen verstanden wird, dann kann es keinen Unterschied mehr machen, ob ein Mann oder eine Frau, ein Transmann oder eine Transfrau am Altar „in persona Christi capitis“ steht, also Christus repräsentiert.

„Zeichen der Zeit“ erkennen …

Die „Zeichen der Zeit“, dass Frauen in Berufen kompetent arbeiten, die traditionell Männern ausübten, deutet man auf im Forum III als Willen Gottes, nun Diakonat und Priesteramt der Frau einzuführen. „Zeichen der Zeit“ sind aber auch die große Unsicherheit bei Jugendlichen, was Mann- und Frausein überhaupt bedeutet, ob sie „homo“, „hetero“ oder „bi“ sind oder sich doch im „falschen“ Körper fühlen. In diesen Fragen finden wir eine Sehnsucht nach Orientierung in Fragen der Geschlechterdifferenz; eine Suche nach nachhaltiger Liebe und erfüllendem Leben. Orientierende Vorbilder, was Männer und was Frauen heute in der Kirche sein und leben können, werden dringend benötigt. Nur so kann eine neue Generation verstehen, warum Gott uns diese Differenz als reizend zumutet. Und dass man durch sie zur Freude und Schönheit einer Ehe von Braut und Bräutigam gelangt oder zur Freude im ehelosen Leben um des Himmelreiches Willen als Braut Christi – unter die auch Priester und Ordensmänner als Christus-liebende zu zählen sind.

„Zeichen der Zeit“ deuten …

Jedes „Zeichen der Zeit“ muss theologisch von der Lehre der Hl. Schrift und der Kirche her gedeutet werden. Unser Glaube bezeugt uns, dass Gott den Menschen als Mann und Frau geschaffen hat und damit zwei Aussagen durch das eine Mensch-Sein macht: Nur wenn „Empfangen“ (Braut) und „Zeugen“ (Bräutigam) in Liebe sich leiblich ergänzen, ist Fruchtbarkeit möglich. Das verstehen wir Katholiken sowohl auf die Beziehung von Christus (Bräutigam), repräsentiert durch den Priester in der Eucharistiefeier, und die Kirche, (Braut), repräsentiert durch die Gemeinde in der sakramentalen Feier, als auch auf die eheliche Intimität hin.

Humanwissenschaften und die sexuelle Begegnung

Wenn wir die Humanwissenschaften, die so oft auf dem Synodalen Weg als einzubeziehen gefordert werden, befragen, dann weisen beide Haltungen in der sexuellen intimen Begegnung aktive und passive Elemente auf: Die Frau nimmt den Mann aktiv gastfreundlich in ihrem Leib auf – „Circlusion“ –, empfängt ihn und evtl. neues Leben zugleich passiv und wird durch den Mann zur Mutter. Der Mann wird passiv von seiner Dranghaftigkeit getrieben, dringt aktiv in die Frau ein – „Penetration“ –, zeugt und wird durch die Frau zum Vater. Sein Beitrag – Sperma – ist in der Kulturgeschichte schon länger sichtbar, wie auch sein Geschlechtsorgan; ihr Beitrag, die Eizelle, wurde erst spät in der Medizingeschichte entdeckt und bleibt, wie ihre Geschlechtsorgane eher verborgen. Nur durch die sexuelle Differenz und ihrer beider komplementärer Ergänzung ist es möglich, die Freuden und Härten der Vater- und Mutterschaft zu erleben als einen Weg, näher zu Christus zu kommen und weniger egoistisch zu werden. Erst durch eine positive Bejahung der sexuellen Differenz – des eigenen Geschlechts und damit auch des anderen – ist es möglich, im Zölibat und im geweihten ehelosen Leben Christus authentisch nachzufolgen.

Sexuelle Differenz: Priester, Gemeinde – Gott

Auch die Beziehung von Priester und Gemeinde kann nicht einseitig vom Priester aktiv und von der Gemeinde passiv sein, sollen doch geistliche Väter und Mütter geformt werden, die wiederum der Kirche durch Evangelisierung geistliche Kinder schenken. Der liebende Jahwe sehnt sich nach seinem Volk wie der Bräutigam nach seiner Braut, und Christus ist der Bräutigam der Kirche, seiner Braut. Hier handelt es sich nicht nur um Bilder, sondern um tief in unserem Bewusstsein verankerte Symbole, die Lebenswege weisen und selbst heutigen Lebensformen-Diversitäten zugrunde liegen. Selbst im dreieinigen Gott, der als Geist eigentlich geschlechtslos – besser: übergeschlechtlich – ist, haben wir die Momente des Zeugens und Empfangens: Der Vater, der seinen Sohn Fleisch werden lässt, ist Ursprung, Er-Zeuger des ewigen, ungeschaffenen Sohnes. Und der Sohn empfängt die Liebe des Vaters, der Heilige Geist die Liebe des Vaters und des Sohnes – usw.

Leib-Phänomenologie und die Glaubensfrage

Mit Hilfe der philosophischen Richtung der Leib-Phänomenologie (Edith Stein, Jörg Splett) lassen sich diese Beobachtungen als Zeichen der guten göttlichen Schöpfung deuten oder aber in ihrer Bedeutsamkeit ignorieren. Je nachdem, wie stark man darauf vertraut, dass es sich bei der Geschlechterdifferenz um einen positiven Beitrag des guten Vaters, Gott des Schöpfers, handelt. Es ist im letzten eine Glaubensfrage!

Gottes gute Schöpfungs-Absicht ignorieren

Wählt man die Option, die gute Absicht Gottes in unserer Kreatürlichkeit, in unserem natürlichen Geschlecht zu ignorieren, dann wird es möglich, den natürlichen geschlechtlichen Leib als äußeres – und damit verformbares – Material gering zu schätzen. Dann folgt daraus, dass man die durch Christus befreite Potenz des Menschen derart überschätzt, dass man in nahezu unbegrenzter Selbstbestimmtheit sogar über die Bedeutung des Geschlechts verfügen möchte: Damit steht die Erlösungs-Wahrheit (Freiheit) gegen die Schöpfungs-Wirklichkeit (Leib).

Postmoderne Freiheit gegen (Leib-)Wirklichkeit

Im Gegensatz zum postmodernen, flach verstandenen Freiheits-Begriff wird uns im christlichen Glauben jedoch offenbart, dass Mann und Frau durch die Gabe des Hl. Geistes zu einem „neuen Menschen“ werden. Christi Erlösung meint daher keine Freiheit von der Schöpfung: mir ist eine Rückbindung an meinen geschöpflichen Geschlechtsleib als Mann oder Frau – mit seltenen intersexuellen Abweichungen – vorgegeben. Wäre ich von der Schöpfung befreit, wäre weder Dankbarkeit für mein Frausein gegenüber meinem Schöpfer, noch Gehorsam gegenüber meiner potenziellen Fähigkeit zur Mutterschaft und – auch bei nicht gelebter Ehe und Mutterschaft – meiner seelisch-geistigen Weiblichkeit und Mütterlichkeit in vielerlei Gestalt nötig. Dann wäre es meine Aufgabe, den natürlichen Unterschied gesellschafts- und kirchenpolitisch zu überwinden. Dann wäre das „Priestertum der Frau“ und die „Ehe für alle“ eine Selbstverständlichkeit, auf die ich auf dem Synodalen Weg um einer humanistischen Gerechtigkeit willen kämpfen müsste. Folgerichtig fehlen in den Texten des Forum III die Worte „Mutter“, „Kind“, „Familie“; man spricht stattdessen ausgesprochen funktionalistisch von der „weiblichen Reproduktionsrolle“.

In Christus sind wir „weder Mann noch Frau“ – aber „neuer Mann“ und „neue Frau“

Aber die Erlösung durch Christus ist die „zweite Schöpfung“, die Neu-Schöpfung des Menschen in Christus. Die erste Schöpfung – mein natürliches Geschlecht – wird dadurch nicht verabschiedet, sondern verwandelt. Die Privilegien, als Mann geboren zu sein, fallen in der Erlösung durch Christus und mit unserer Taufe auf den dreieinigen Gott, weg: Mann und Frau sind eins in Christus (Gal 3,28), und damit gleich wertig, gleich würdig. Auch wenn wir weiterhin unterschiedliche, aus unserer natürlichen Leiblichkeit erwachsende Aufgaben im Leben haben. Der Heilige Geist bewirkt in uns, wenn wir tatsächlich unser Leben Christus übergeben und ein Leben der Nachfolge führen, dass sich der Getaufte dem Ebenbild Gottes annähert: in der Ergänzung von männlichen und weiblichen Eigenschaften, und doch als Mann oder als Frau, als „neue Kreatur“.

Freiheit und Gehorsam – nur in Liebe möglich

Freiheit gegenüber kulturellen und sozialen Weisen der Geschlechtlichkeit und Gehorsam gegenüber meinen von Gott geschenkten leiblichen Vorgaben schließen sich dabei in der Liebe zu Christus und der Kirche gerade nicht aus (Ricardo Aldana).3 Diese Liebe macht uns den Sinn der Geschlechterdifferenz einsichtig und versöhnt uns mit unserer eigenen Geschlechtlichkeit und der des anderen. „Gott schuf den Menschen, und zwar den Mann von größerer Kraft, die Frau aber mit zarterer Stärke.“ (Hildegard von Bingen)4

Eine Spezies Mensch – zwei Seinsweisen Mann und Frau

Wenn Mann und Frau zwei Seinsweisen der einen Art Mensch sind, dann ist es keine Beiläufigkeit, an der Entstehung von neuem menschlichem Leben nur für wenige Sekunden zeugend beteiligt zu sein und ansonsten leiblich unbelastet zu bleiben von seiner 9monatigen Gestaltwerdung, seiner bis zu 2 Jahre währenden Stillung (WHO-Empfehlung), seiner Förderung in emotionaler, kulturell-sozialer und intellektueller Reifung. Dafür jedoch durch Muskel- und Knochenaufbau für Kampf, Verteidigung, Eroberung, Schutz und Rettung Schwächerer ausgerüstet zu sein, durch andere Gewichtung von rechter und linker Gehirnhälfte leichter eine Trennung von Herz und Kopf erreichen zu können, durch einseitigere Kompetenzen zu Spitzenleistungen zu gelangen. Oder ist das ein zweitrangiger, zu vernachlässigender Unterschied, dass ich in meinem Leib jeden Monat daran erinnert werde, dass ich ein Kind in mir tragen kann? Dass wir neues Leben aus uns heraus nähren können, daran werden wir Frauen täglich erinnert, während höhere Säugetiere ihre Hautwölbungen zurückbilden, wenn gerade keine Nachkommen zu versorgen sind.

Andersartigkeit ist nicht Minderwertigkeit

Die Eigenart der Frau wurde in der Geschichte – auch von Priestern der Kirche – zu lange nicht positiv gedeutet als ergänzende Andersartigkeit, sondern als Minderwertigkeit der Frau gegenüber dem Mann, wie in Forum III zu Recht kritisiert wird. Noch immer gibt es zu wenige demütige Priester, die einer starken Frau selbstsicher gelassen gegenübertreten können und ihre vielleicht sogar überlegene Begabung als Bereicherung schätzen, anstatt sie als Bedrohung aufzufassen und zu diskriminieren. Statt jedoch die Unfähigkeit mancher Priester auf ihre individuelle Sünd- und Fehlerhaftigkeit zurückzuführen, wird im Sinne einer funktionalistischen Geschlechtergerechtigkeit die Forderung nach Diakonat und Priesteramt für Frauen aufgestellt. Wenn beide Geschlechter sich um Erneuerung ihrer Sicht auf das eigene und das andere Geschlecht bemühten, sich von Christus her und durch die gegenseitige geschwisterliche Korrektur in Gemeinschaft in ihrer Persönlichkeitswerdung unterstützten, dann könnte man sich eine neue Sensibilität für die Stärken und Schwächen des anderen schenken lassen, könnte jeder seinen Platz in der Familie Gottes finden, ohne dem anderen den seinen streitig zu machen.

Erfahrungen in Erneuerungs-Bewegungen

Meine über 30 Jahre langen Erfahrungen mit Erneuerungs-Bewegungen und Geistlichen Gemeinschaften in der Kirche ist, dass das nicht „bis heute uneingeholt“ (11) sei, wie im Grundtext behauptet wird, sondern in vielen Gruppen gelebte Lebenswirklichkeit: Priester und Laien, Männer und Frauen ergänzen sich durch ihre je eigenen Charismen. Es ist sehr wohl möglich, dass eine Frau eine Evangelisationsgruppe anleiten kann und auch der Priester dieser Leitungskompetenz ganz selbstverständlich folgt. Jedoch wird in den Texten des Synodalforums III aus einer Verletztheit durch Diskriminierungs-Erfahrungen der Blick für den möglichen Sinn der Geschlechter-Differenz verloren. Man wehrt sich gegen eine „spirituelle Überhöhung der Geschlechterdifferenz“. (26)

Kirchliche „Vergötterung“ des Mutterseins

Andererseits ist auch die kirchliche Überbetonung des Mutterseins der Frau, zulasten ihrer geistigen und geistlichen Fähigkeiten, zu Recht abzulehnen. Die nicht im Geist Jesu wurzelnde vermeintliche Vorrangstellung des Mannes wird fälschlicherweise bis in heute noch im Direktorium zu findende Heiligendarstellungen fortgesetzt, wenn es heißt: „die heilige Birgitta schenkte ihrem Mann 8 Kinder“. Nein, sie schenkte 8 Kindern das Leben, und die Kinder waren für sie selbst und für ihren Mann ein Geschenk von Gott.

„Weibliche Reproduktionsrolle“

Während traditionell eine Überbetonung des Mutterseins in der Kirche vorherrschte, führen die synodalen Texten jedoch in den entgegengesetzten Straßengraben: Das potenzielle Muttersein der Frau wird verschwiegen, von der vermeintlichen „Reproduktionsrolle“ werde einseitig und zu Unrecht abgeleitet, dass die „wesenhafte“, „gottgegebene“ genuine „Weiblichkeit“ von Frauen in ihrer Fürsorglichkeit und Beziehungsorientierung bestehe. Traditionelle „typisch weibliche“ Eigenschaften würden „all das ausschließen, was für Christinnen und Christen notwendig ist, um frei auf ihre Berufung antworten zu können: Freiheit von Beziehungen und sozialen Strukturen, Freiheit von menschlicher Macht und Druck, Gewissensfreiheit, Selbstbestimmung, Chance zur (kritischen) Wahrnehmung der eigenen Berufung.“ (7) Denn Frauen sollen „Subjekte ihrer eigenen Lebensentscheidungen … einschließlich ihrer Sexualität“ sein. (11)

Frei von Beziehungen?

In der Tat ist in der christlichen Anthropologie die „Freiheit von Beziehungen“ ausgeschlossen. Wenn wir Tochter sind, sind wir das immer; wenn wir Mutter werden, ist auch das eine bleibende Seins-Relation, die nie mehr – auch nicht durch Abtreibung – rückgängig gemacht werden kann. Hier wird in den Texten ein unwirkliches Bild von „Freiheit“ im Sinne von „Unabhängigkeit“ von meiner Herkunfts- und meiner Jetzt-Familie entworfen, letztlich eine „Unabhängigkeit von Gott“ und seinem verbindlichen Wort in Schrift und Tradition – so dass die Wünsche nach der „Chance zur Wahrnehmung der eigenen Berufung“ und „Selbstbestimmung“ völlig selbst-bezogen erscheinen; als egoistisch und ab-solut im Sinne von losgelöst von allen Verbindlichkeiten, dem Familien- und Ehebund, dem Tauf-Bund überhaupt. Hier wird ein unwirkliches Bild gezeichnet von einer „Unabhängigkeit“ von Menschen, letztlich von Gott und seinem verbindlichen Wort in Schrift und Tradition. Das ist eine andere Anthropologie: Freiheit von Beziehungen kann man im Buddhismus anstreben, nicht jedoch in der Nachfolge Jesu Christi.

Berufen – wozu?

Natürlich wissen sich auch Frauen „berufen“, die Frage ist, wozu? Wer prüft und deutet den Ruf, den wir Frauen hören? Es ist in den Texten zu wenig die Rede von der Berufung zur Ehe und Familie. Auch das ist eine Berufung, nicht nur für „geistliche“ Berufe müssen wir auf die Stimme Gottes hören – für die Ehe und das konkrete Berufsleben sollten wir ebenfalls genauer hinhören und unterscheiden lernen.

Vom Feminismus zum autonomen Individualismus

Der frühe Feminismus habe weibliche Eigenwerte neu betont, das führe jedoch zu einer ungerechten Verfestigung der bestehenden Machtverhältnisse. Dem sei mit dem Gleichheits-Ansatz der „Geschlechtergerechtigkeit“ auch in der Kirche entgegenzuwirken: alle Bereiche, in denen Macht, Wohlstand und Prestige verteilt werden, seien auch von Frauen zu besetzen. Das Gleichheits-Differenz-Dilemma solle nun durch die Kirchen-Reform überwunden werden. Allerdings wird der Gleichheit im Menschsein von den Theologen des Forum III nur das individuelle Sein des Einzelnen entgegengesetzt, da es „den“ Mann und „die“ Frau nicht gebe: „Dieser Position liegt die Vorstellung vom Subjekt als autonomem, selbstidentischem Individuum zugrunde: Es gibt nicht die Frau und auch nicht den Mann. Die Vielfalt der Lebenskontexte und der Lebensgestaltungen haben ebenso wie die individuelle Erfahrung hohe Bedeutung und eigenen Wert. Dieser Ansatz stellt vor eine schwierige Aufgabe: Die Prinzipien der Differenz und der Gleichheit sind miteinander zu verbinden: Weder kann Differenz wesenhaft begründet, noch kann Gleichheit ohne Heterogenität gedacht werden.“ (6) „Empirisch nachweisbar sind die Unterschiede innerhalb der Geschlechter mindestens genauso groß wie jene zwischen den Geschlechtern. Daraus folgt, dass keinem Geschlecht spezifische Eigenschaften und Aufgaben zugeschrieben werden können.“ (8)

Freiraum für jegliche Lebensweise

Das bedeutet für die Verfasser, es könne auch kein viele Individuen einschließendes Frausein oder Mannsein geben. Damit bleibt letztlich nur eine große Orientierungslosigkeit der Theologinnen, Kleriker und Laien in Forum III, die an junge Mädchen weitergegeben werden wird, die Atomisierung des Einzelnen, weiter gedacht: die große Einsamkeit. „Letztlich geht es um Antworten auf die Frage nach Freiheitsräumen für die Gestaltung von Lebensweisen – unabhängig von Geschlecht.“ (6)

So viele Geschlechter wie es Individuen gibt

„Geschlechtergerechtigkeit“ ist ein schwammiger Begriff, der inzwischen genutzt wird, um die Zweigeschlechtlichkeit aufzulösen in eine Geschlechtervielfalt, je nachdem wie sich mein sexuelles Begehren äußert. Da sexuelles Begehren sich ändern, Vorlieben sich vervielfältigen können, wird der Begriff „Geschlecht“ dann völlig aufgelöst in eine reine Individualität: „Es gibt so viele Geschlechter wie es Menschen gibt.“ (K. Alheit, Familienministerin SPD, Schleswig-Holstein 2015)

Biblisch-kirchliche Gerechtigkeit zwischen Mann und Frau

Eine biblisch-kirchliche Sicht von Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern, zwischen Mann und Frau, würde bedeuten, dass man das eigene und das andere Geschlecht in seiner Andersheit schätzen kann, seine eigene geschlechtliche Begrenztheit als Mann und die als Frau annehmen kann, sich in Geduld und Barmherzigkeit mit der geschlechtlichen und individuellen und sündigen Begrenztheit des Anderen übt, durch die gemeinsame Nähe zu Christus Vertrauen aufbaut und so in den Gemeinsamkeiten wirken lernt, und sich so nicht mehr durch die Fremdheiten des Anderen irritieren lässt. Schwierig ist es, wenn Frauen kämpferisch und als Konkurrenz auftreten, wie es Männer nur von anderen Männern gewöhnt sind. Sie haben in ihrer Kindheit als Jungs gelernt, dass man sich nicht mit Mädchen, sondern nur mit Seinesgleichen rauft.

Repräsentation Christi durch den Priester: seine Auflösung durch „den Heiligen Geist“

Kernaussage der Texte ist eine Missdeutung des Hl. Geistes als Kraft, die das natürliche Geschlecht so fluide macht, dass es sich in seiner Bedeutung auflöst. Der „Vollzugsbegriff“ „Repräsentation“ erwachse aus „dem kommunikativen Offenbarungsverständnis und einer soteriologischen Erschließung der Sakramentalität“: „Die Repräsentanz Jesu Christi, die dem Priester zukommt, ist in der Feier der Eucharistie ein relationaler Vollzug… Das „in persona Christi“-Handeln ist auf die Gemeinde der Glaubenden bezogen … Damit ist die Repräsentanz Jesu Christi in einem weiteren Sinn zu verstehen, entsprechend der vielen „ministeria“ (Dienste)… Menschen ist zuzutrauen, dass sie im Heiligen Geist wahrnehmen, dass Jesus Christus ihnen begegnet, wenn ein Mensch – Frau oder Mann – ihnen zuhört, sie tröstet, sie aufrichtet, sie heilt und im Leben orientiert.“ Hier wechseln die synodalen Autoren unmerklich vom sakramentalen Priestertum (Eucharistie) zum allgemeinen Priestertum (Zuhören).

Pneumatologische Akzentuierung des Amts – Auflösung der Bedeutung von Geschlecht

Das ist Absicht: „Die traditionelle substanzontologische Repräsentanz Jesu Christi und ein sacerdotal-kultisches Amtsverständnis werden aufgebrochen, und in dieser soteriologischen Perspektive spielt das Mann-Sein Jesu Christi keine Rolle. So kann Kirche dann zu einer geschwisterlichen und partnerschaftlichen Kirche werden, die Männer und Frauen in gleicher Weise in die Nachfolge Jesu Christi beruft.“ (28) Gott sei Dank wissen die Autoren des Grundtextes um das „Vorzeichen der Fehlbarkeit“, unter dem „jede theologische Erkenntnis von Menschen“ stehe (26) – hoffentlich wenden sie diese Selbstkritik auf ihre eigenen Texte an. „Gleichberechtigte Teilhabe an Diensten und Ämtern“ würde dann „zur Erneuerung der Kirche“ beitragen. (30) Umgekehrt ist die Erfahrung vieler Frauen in Erneuerungs-Bewegungen: Wenn man eine Erneuerung des Glaubens in der Kraft des Heiligen Geistes erlebt und sich dann in einer Geistlichen Bewegung engagiert, finden dort die Begabungen – auch die Leitung durch Frauen – und die Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht, an ihren Platz. Durch die „pneumatologische Akzentuierung der Amtstheologie“ wird also das natürliche Geschlecht Jesu und somit das Mann-Sein des Priesters in seiner Bedeutung aufgelöst.

Warum es am Altar weder Cola noch Äpfel gibt –
inkarnatorische versus dekarnatorische Wirkung des Pneumas

Um das Sakrament aber in seiner Symbolsprache wahrnehmen zu können, muss eine natürliche Ähnlichkeit der eucharistischen Gaben mit Brot und Wein vorliegen und des Priesters durch sein natürliches Geschlecht mit dem Mann-Sein Christi. Wenn die Wirkkraft des Heiligen Geistes (pneuma) nicht in konkreten leiblichen Formen (hier Brot, Wein, Mann) in-karniert wird, dann kann es zu de-karnatorischen, also spalterischen und letztlich zerstörerischen Wirkungen kommen. „Vielleicht ist die katholische Kirche“, so hoffte Hans Urs von Balthasar, „aufgrund ihrer eigenen Struktur das letzte Bollwerk in der Menschheit einer echten Würdigung der Differenz der Geschlechter“.5 Die Schönheit und Besonderheit der Geschlechter werden verwischt, wenn natürliche Geschlechtlichkeit und Heils-Vermittlung durch den Mensch- und damit Mann-gewordenen Jesus Christus entkoppelt werden.

Persönlichkeitswerdung von Mann und Frau in Jüngerschaft

Wir Frauen lernen in christlicher Gemeinschaft eine neue Dankbarkeit für unsere weiblichen Seiten, die Gott-Vater als unser Schöpfer uns als Geschenk und als Aufgabe gegeben hat. Gleichzeitig verlieren wir durch die Hilfe von geschwisterlicher Korrektur nach und nach negative Geschlechter-Stereotypen wie z.B. Klatschsucht, Intrigenhaftigkeit, übersteigerte Betonung unserer Sinnlichkeit o.ä., um mehr Eigenschaften zu entwickeln, die eher mit männlichen Stereotypen verbunden werden wie Sachlichkeit, Fokussierung, Durchsetzungskraft o.ä. Als biologischer Mann, der die Potenz zum Vater-Werden hat, übt man sich im Abtrainieren negativer männlicher Stereotypen wie Gefühlskälte, Aggressivität, Chauvinismus o.ä., um Hirteneigenschaften wie Zuhören und Dienen zu erlernen. Zugleich entdecken beide, dass sie in sich auch einige der für das Gegengeschlecht typischen Eigenschaften haben und lernen diese wiederum zu integrieren. Aber in diesen Jüngerschafts-Prozessen der Persönlichkeitswerdung geht Frauen, wie Edith Stein in ihrer Leib-Phänomenologie gezeigt hat, nicht die weibliche Eigenart und Männern nicht die männliche Eigenart verloren. Der Heilige Geist dynamisiert, verflüssigt zu starr Gewordenes zwischen den Geschlechtern, bisher trennende Mauern des gegenseitigen Unverständnisses für die Eigenart des Anderen. Aber die Geschlechter-Differenz an sich als eine lebendige, flexible, durchlässige Grenze wird weder aufgelöst noch gewaltsam durchstoßen. Sie ist das Gesetz von Schönheit und Fruchtbarkeit.

Aufgaben in der Jüngerschaft für Männer und Frauen

Betont wird in den synodalen Texten deutlich die Zurückdrängung des sacerdotalen Moments, der rituellen Vergegenwärtigung des Opfergeschehens Christi im eucharistischen Mahl, um die Verkündigung des Evangeliums in der Hl. Messe in den Vordergrund zu stellen. Das Evangelium verkünden, dazu sind auch Theologinnen im Sinne ihres allgemeinen Priestertums berufen, wie alle Getauften als Jünger Christi. Alle Getauften, so der Aufruf Jesu an seine Apostel, sollen zu „Jüngern gemacht werden“, also eine Schulung in Jüngerschaft durchlaufen – nicht in Katechismus-Wahrheiten oder Moral-Normen –, eine Lebensschule z.B. in Generationen-übergreifenden Kleingruppen oder Pfarrzellen. Männer und Frauen sollen gelehrt werden, zu beten, von ihrem erwachsenen Glauben Zeugnis zu geben, die Worte Jesu zu halten, in vertrauter Familienatmosphäre, bestärkt und ermutigt durch geistliche Väter, Mütter, Geschwister – nicht in der Atmosphäre von anonymen Veranstaltungen, Aufsichtsräten und Funktionärstreffen. Alle Jünger – Männer und Frauen – sind wiederum aufgerufen, die gute Nachricht der Erlösung durch Jesus weiterzusagen, zu verkündigen.

Allgemeines Priestertum – sakramentales Priestertum

7 Tage die Woche – im Beruf, der Familie, der Gesellschaft, auf der Straße – dürfen, nein, sollen Männer und Frauen das Evangelium verkünden, so viele Predigten halten, wie sie offene Ohren finden. Nur in der Messe ist dem Priester die Einheit von eucharistischem Opfer und Wortverkündigung „in persona Christi“ vorbehalten. Frauen und Laien-Männer können Zeugnis geben – auch im Gottesdienst –, die Predigt kann in Absprache ergänzt werden usw. Aber im Amt repräsentiert der sakramental-geweihte Priester den und das Heilige, einen vom Profanen abgetrennten Bereich. Der Priester ist vom Laien-Leben abgesetzt ins Sakrale. Das wurde leider oft in der Vergangenheit missverstanden, so als ob die Würde des Amtes meine, der Priester würde menschlich unantastbar über uns thronen. Gegen diesen Klerikalismus, dem auf der Seite der Laien (darunter oft Frauen) eine übertrieben devote Haltung entspricht, fordert uns Franziskus zu Recht auf, die Haltung des Evangeliums dagegen zu setzen. Die Würde des Amtes macht den Priester nämlich eigentlich zu einem Dienenden, aber als einen, der vom profanen Leben – auch durch den Zölibat – für Gott und das heilige Geschehen von uns abgesetzt wird. Dennoch braucht er menschliche Gemeinschaft, jedoch eine, die nicht sein Amt antastet, sondern die Amtswürde respektieren und von der allgemeinen Würde der Jünger und Jüngerinnen Christi differenzieren kann.

Priester-Sein (Repräsentation) oder Priester-Funktion (Effektivität)

In allen Texten des Forum III wird kaum zwischen dem „allgemeinen Priestertum“ und dem „sakramentalen Priesteramt“ unterschieden. Das führt weg von einem Priester-Sein – repraesentatio durch das Mann-Sein des Priesters – hin zu einer Priester-Funktion im Sinne des Wirkens als „Jünger Christi im allgemeinen Priestertum“, denn es gehe um die Frage der Effektivität: „Welche Gestalt von Diensten und Ämtern dient der Verkündigung des Evangeliums am besten“?

Jesu Entscheidung aus dem Gebet

Jesus aber hat über diese Frage eine Nacht lang betend den Willen des Vaters gesucht. Aus den Jüngern und Jüngerinnen, die er bei sich hatte, wählte er nicht die treue Maria Magdalena, nicht seine Mutter, wie Edith Stein betont, sondern 12 Männer aus, die zum inneren Kreis der „Apostel im engeren Sinne“ gehören sollten, mit dem untreuen, aber reuigen Petrus an der Spitze. Jesus, und in seinem Auftrag der Bischof, verleiht dem Priester bei seiner Weihe „Vollmacht“; damit ist er kein „Machthaber“, sondern ein Diener. „Die Vollmacht zahlreicher Priester, dem Bösen zu widerstehen, zeigte sich besonders im Priesterblock in Auschwitz. Macht hatten ihre Peiniger.“ (Claudia Sperlich)

Dienen und Bedient-Werden in Kulturgeschichte

Ein Mann muss nicht „von Natur aus“ einem schwächeren Leben dienen, wie die Frau ihren Kindern aufgrund ihrer Biologie. Ein Mann konnte sich aufgrund seiner Muskelkraft und seinem Freigesetzt-Sein vom Austragen, Gebären und Stillen der Kinder Menschen unterwerfen, die ihm dienen. Jesus musste daher als Mann kommen: nicht nur, weil die Messias-Erwartung der Juden männlich war (11), sondern weil Gott nur als menschlicher Mann dem Mann das Dienen beibringen konnte. Er wusch seinen Jüngern die Füße. Hätte das eine Frau an Männern getan, wäre das sexuell konnotiert und anstößig gewesen – wie bei der „Sünderin“, die Jesu Füße wusch und salbte; oder aber es wäre in chauvinistischer Haltung als selbstverständlich angesehen worden, da dort unten zu den Füßen der Männer der Sklaven-Platz einer Frau ist. Aber Jesus wusch als Mann den Männern die Füße, um ihnen den Weg des Dienens zu zeigen.

Spezielle Aufgaben für Frauen

Uns Frauen hat Jesus eine andere Aufgabe zugedacht: Er berief „Frauen zur innigsten Vereinigung mit sich“, „als Sendboten seiner Liebe, als Verkünderinnen seines Willens an Könige und Päpste, als Wegbereiterinnen seiner Herrschaft in den Herzen der Menschen“ (Edith Stein).6

Von Dr. Beate Beckmann-Zöller
Eine gekürzte Version dieses Beitrages erschien als Erstveröffentlichung in „Die Tagespost“ www.die-tagespost.de


  1. Ethik der sexuellen Differenz, übersetzt von Xenia Rajewesky, Frankfurt a. M. 1991, 11.↩︎
  2. Gender Trouble / Das Unbehagen der Geschlechter, 1990/91; Bodies that matter / Körper von Gewicht, 1993/94.↩︎
  3. „Das ungeheure unbegrenzte Ja- und Amen-Sagen“. Ein Beitrag zur heutigen Genderdebatte, Einsiedeln / Freiburg i. Br. 2016↩︎
  4. Das Buch vom Wirken Gottes: II, Vision I, n. 43, S. 272.↩︎
  5. Hans Urs von Balthasar, Neue Klarstellungen, Einsiedeln 1979, 114.↩︎
  6. Die Frau. Fragestellungen und Reflexionen, Edith-Stein-Gesamtausgabe Band 13, Freiburg i. Br. 2000, S. 77.↩︎

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